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Bestandsbrief (= Pachtbrief) Hofgut Gaisbühl

Regest: Der Sennerei-Hof Gaißbühl, Eigentum des Hospitals, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, ist nach ordnungsmässiger Verleihung vor dem Geheimen Collegium von dem Spitalpfleger, Bürgermeister Johannes Krimmel, auf Georgii 1755 an Leonhard Reicherter, Bürger und Metzger allhier, verliehen worden gegen ein dem Spital jährlich zu entrichtendes Bestandgeld von 440 fl. Reicherter aber liess sich seinen getroffenen Bestand bald gereuen und sah sich nach einem After-Beständer um, brachte auch den vorhinigen Beständer des Pfullingischen Sennerei-Hofs Übersperg Antoni Kern, aus der Schweiz gebürtig, dahin, dass er für ihn mit obrigkeitlicher Bewilligung auf Georgii 1755 diesen Bestand angetreten und darauf gleich anfangs dem Spital Caution und andere Praestanda willigst und vergnüglichst praestierte. Kaum aber war dieser Afterbeständer auf den Hof aufgezogen, so äusserte er alsbald sich anders, erhob allerlei Klagen über die Beschaffenheit des Hofs, setzte seinen Ruin und ganze Vermögens-Einbuss mit vielem Ungestüm vor, nur suchend, einen Nachlass am jährl. Bestandgeld zu erhalten, wie er denn auch nach vielem Geläuf und gemachten Vorstellungen vom Magistrat am 21. April 1756 eine jährl. Moderation (= Ermässigung) von 40 fl wirklich erhalten hat. Da Kern sich hieran noch nicht genügen lassen wollte und durch Aufkündigung des Bestandes nach verflossenen 2 Jahren einen weiteren jährl. Nachlass gleichsam erzwingen wollte, dass man sowohl obrigkeitlich als spitalamtlich seiner ganz überdrüssig geworden, hat man den Kern auf Georgii 1757 obrigkeitlich dimittiert (= entlassen) und dagegen vermög Geh. Rats Protokoll vom 7. Dezember 1756 Jacob Kurtz, Bürger und Metzger allhier, bisherigen Beständer des fürstl. Sigmaringischen Hofes Hospach zum Beständer des Hofes Gaißbühl angenommen dergestalt, dass er nicht nur die noch bevorstehenden 4 Jahre von Georgii 1757 bis 1761 nach des Kerns Bestaande, sondern noch weiter auf 9 Jahre, nämlich von Georgii 1761 bis 1770 um das jährl. Bestandgeld von 400 Gulden den Hof geniessen, das Bestandgeld aber alle Jahr hälftig voraus auf Georgii und hälftig auf Martini erlegen, auf die letzteren 9 Jahr hingegen anstatt der vorhinigen 400 jährlich 600 St. Stroh und daneben noch 400 Büschel Reisach (= Reisig) von dem Spital zu geniessen haben soll, welch alles ihm wie bisher vom Spital auf den Hof gratis geliefert werden soll.
Damit aber Kurtz zu seiner Nachachtung beständig einzusehen Gelegenheit haben möge, unter was für weiteren Bedingungen ihm dieser 13 jährige Bestand eingeräumt worden ist, werden diese aus des Kerns und vorhinigen Bestandbriefen hier beigefügt:
1. Der Beständer wird dahin verbunden, den Hof selbst zu beziehen und zu bewohnen, mithin keineswegs erlaubt, den Hof oder ein Stück Gut davon an einen andern zu verleihen, sondern alles, was auf den Hofgütern eingetan wird, das soll auch auf dem Gut verfüttert und gebraucht werden.
2. Der Beständer soll die bisher zum Gaisbühl verliehenen ungefähr 40 Mannsmahd Wiesen und Äcker zu Heu, Öhmd und Frucht, auch das auf dem Hof erwachsende Obst nebst den Kraut- und Küchengärten zu geniessen haben.
3. Dem Beständer soll wie bisher auf dem Entenschnabel ein Stück Ackers von ungefähr 2 1/4 Morgen zum Genuss eingeräumt und, wenn er dergleichen Äcker mehr allda um die gewöhnliche Landgarb bauen wollte, noch weitere übergeben werden.
4. Hingegen soll der Beständer schuldig sein, nicht nur von diesen Äckern, sondern auch von dem Obst, desgleichen im Heuet nach bisheriger Obserwanz (= Regel, Herkommen) für den Heuzehenten 2 wohlgeladene Kärren mit Heu dem Zehentamt allhier zum Zehenten abzugeben.
5. Er soll die vom Spital mit dem Schultheissenamt abgesteckte Weide zu seinem zu halten erlaubten Vieh in der Maß und Ordnung, wie hienach das weitere davon gesetzt, zu geniessen haben.
6. Er soll auch des Hospitals Mobilien an Kessel und anderem, was sich auf dem Hof befindet gebrauchen dürfen, hingegen schuldig sein, solche im Stand zu erhalten und bei dem Abtritt das abgegangene dem Wert nach zu ersetzen.
7. Die zum Hof gehörigen Gebäude, Scheuern und Stallungen sollen ihm in unmangelhaftem Stande übergeben werden. Was am Hauptbau innerhalb dieser 13 Jahre neu herzustellen oder zu reparieren vorfallen sollte, das soll der Spital auf seine Kosten ohne Beitrag des Beständers herstellen und reparieren lassen, der Beständer dagegen schuldig sein, die Fenster, Stuben- und Backöfen auf seine Kosten im Stande zu erhalten, die Kamine fegen zu lassen, und wo durch seine oder der Seinigen Verwahrlosung oder Mutwillen etwas an den Gebäuden Not leiden sollte, selbiges auf seine Kosten wiederum in erforderlichen Stand zu stellen.
8. Dem Beständer sollen die um die Güter befindlichen Zäune und Häger (Hag = Hecke) wohl konditioniert (= in gutem Zustand) übergeben werden, derselbe hingegen verbunden sein, diese 13 Jahr solche im Stande zu erhalten und wiederum solchergestalt abzutreten.
9. Dem Beständer wird erlaubt, auf dieses Hofs Weidgang 40 Stück Melk- und Schmalvieh zu halten, um aufzuschlagen (= weiden zu lassen) solang der Weidgang währt. Hingegen wird ausdrücklich verboten, neben diesem Vieh die Weid mit Schafen, Geissen, Böcken oder anderen Vieh zu überschlagen (= zuviel in Anspruch zu nehmen) oder mit seinem Vieh die gemeinen Waldungen oder die der Bürgerschaft gehörigen Wiesen zu missbrauchen. Wird er darauf betreten, dass er da oder dort Schaden getan, so hat er Strafe und Schadenersatz zu gewärtigen.
10. Damit die zum Hof gehörigen Güter nicht in Abgang kommen, soll er sie alle Jahr wohl bedungen und, ehe dieses geschehen, keinen Dung von dem Hof zu verkaufen oder anderwärts zu führen befugt, auch schuldig sein, die hie und da sich befindenden Gräben auf seine Kosten nach Erfordern zu eröffnen.
11. Dem Beständer wird eingestanden, weil sämtliche Güter des Hofs Eigentum des Spitals sind, dass niemand von hiesigen Bürgern, weniger die Schäfer, sowohl zu Frühlings- als Herbstzeiten auf solche zu fahren und daselbst zu weiden befugt sein soll, sondern wofern selbiges geschehen würde, soll der Beständer selbige davon abzutreiben und beim Spital deshalb Remedur (= Abhilfe) zu suchen hiermit angewiesen sein.
12. Der Beständer soll vermög Dekrets vom 7. Dezember 1756 Erlaubnis haben, in der Ordnung Wein zu schenken, und dabei des Ohmgelds (= Umgelds) frei sein. Da aber durch eine Wirtschaft sich die Gelegenheit aufstellen möchte, dass sich allerhand Gesindel diesem Hof zuziehen dürfte, hat Beständer sich hierin wohl vorzusehen, mit verdächtigen Leuten keinen Umgang zu pflegen, weniger selbige auf dem Hof zu unterhalten, auch weder selbst sich zu unterfangen noch seinem Gesind zu gestatten, der Wildfuhr (= Jagdrevier) den geringsten Abbruch zu tun, oder Leuten einigen Unterhalt zu geben, welche auf dergleichen hochverbotenen Dinge ausgehen möchten, wie nicht weniger an Sonn- und Feiertagen keine Tänze oder anderen Unfug zu gestatten, sofern ihm lieb sein wird, Verantwortung und Strafen zu entgehen.
13. Da der Beständer bei Antritt des Hofs sämtliche 40 Mannsmahd Wiesen nach dem vorigen Bestands-Akkord vollkommen gedüngt anzutreten hat, so soll er auch nach Verfluss dieser Bestandzeit hinwiederum schuldig sein, sämtliche Wiesen wohlbedüngt abzutreten und zu verlassen, dass man von seiten des Spitals bei erfolgender Besichtigung damit wohlzufrieden sein möge.
14. Beständer Kurtz hat dem Spital eine legale Kaution von 800 fl einzuliefern, damit dies Corpus (= diese Körperschaft, nämlich der Spital) auf alle Fälle gesichert sein möge, und die Kosten für Fertigung der beiden Bestandsbriefe und Kaution gleich vorigen Beständern zu erlegen.

Reference number
A 2 b (Verfassung u.a.) Nr. A 2 b (Verfassung u.a.) Nr. 2306
Extent
11 Texts.
Formal description
Beschreibstoff: Pap.
Further information
Ausstellungsort: Reutlingen

Zeugen / Siegler / Unterschriften: Unterschriften: Vizebürgermeister und Spitalpfleger Joh. Jac. Finckh.
Spitalschreiber Wuchrer

Siegel (Erhaltung): Aufgedr. Lacksiegel, Spital Reutlingen

Genetisches Stadium: Or.

Context
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 7 u. 20) >> Bd. 7 Sennereihof Gaisbühl
Holding
A 2 b (Verfassung u.a.) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 7 u. 20)

Date of creation
1757 April 23, Georgii

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Last update
20.03.2025, 11:14 AM CET

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Object type

  • Archivale

Time of origin

  • 1757 April 23, Georgii

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