Bestand
Obertribunal Stuttgart: Ehescheidungen (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1806 bestand in Stuttgart ein württembergisches Ehegericht.
Im März 1806 wurden alle Ehesachen dem zweiten Senat des Oberjustizkollegiums in Stuttgart übertragen, der auch als Ehegericht fungierte.
Durch königliche Verordnung vom 24. Oktober 1810 Ziffer 2 (RegBl S. 464) wurden schließlich sämtliche Ehesachen dem Oberappellationstribunal, dem kurz Obertribunal genannten Gericht mit Sitz in Tübingen, zugewiesen, bei dem sie auch nach dessen Verlegung 1817 nach Stuttgart verblieben. Das Obertribunal bildete zudem das protestantische Ehegericht.
Im Oktober 1818 erfolgte die Errichtung der vier Kreisgerichtshöfe in Esslingen, Tübingen, Ellwangen und Ulm als mittlere Gerichtsinstanzen für die vier neu gebildeten Kreise. Sie erhielten je einen Kriminal-, Zivil- und Pupillensenat, denen 1822 jeweils ein neugebildeter ehegerichtlicher Senat hinzugefügt wurde. Er behandelte die ehegerichtlichen Prozesse und sonstigen Ehesachen und bildete das Ehegericht für die evangelischen Bewohner des Kreises.
Die in diesem Bestand erfassten Scheidungsurteile entstanden überwiegend in den Jahren 1808-1822 in der ehegerichtlichen Funktion des Oberjustizkollegiums und des Obertribunals. Nur ein Urteil des herzoglichen Ehegerichts von 1798 hat sich erhalten und einige wenige des kurfürstlichen bzw. königlichen Ehegerichts aus den Jahren 1805-1806.
Die Akten des vorliegenden Bestands kamen im Mai 1983 vom Landgericht Tübingen über das Staatsarchiv Sigmaringen im Staatsarchiv Ludwigsburg ein.
1. Behördengeschichte: Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1806 bestand in Stuttgart ein württembergisches Ehegericht. Nach der Ernennung Württembergs zum Königreich sorgte König Friedrich I. für eine umfassende Neuordnung des Justizwesens. Demzufolge wurden im März 1806 alle Ehesachen dem zweiten Senat des Oberjustizkollegiums in Stuttgart übertragen (1). Dieser für Zivilsachen zuständige Senat fungierte auch als königliches Ehegericht. Durch königliche Verordnung vom 24. Oktober 1810 wurden schließlich sämtliche Ehesachen dem Oberappellationstribunal, dem kurz Obertribunal genannten Gericht mit Sitz in Tübingen, zugewiesen (2), bei dem sie auch nach dessen Verlegung 1817 nach Stuttgart verblieben (3). Das Obertribunal bildete zudem unter Ausschluß der katholischen Mitglieder und unter Hinzuziehung zweier Professoren der theologischen Fakultät das protestantische Ehegericht. Eine weitere Umgestaltung der Gerichtsorganisation erfolgte im Oktober 1818, als anstelle des Oberjustizkollegiums vier Kreisgerichtshöfe in Esslingen, Tübingen, Ellwangen und Ulm als mittlere Gerichtsinstanzen für die vier neu gebildeten Kreise errichtet wurden. Sie erhielten je einen Kriminal-, Zivil- und Pupillensenat, denen mit Wirkung vom 1. Oktober 1822 jeweils ein neugebildeter ehegerichtlicher Senat hinzugefügt wurde (4). Er behandelte die ehegerichtlichen Prozesse und sonstigen Ehesachen und bildete das Ehegericht für die evangelischen Bewohner des Kreises, während der beim Obertribunal verbliebene ehegerichtliche Senat dagegen die Ehesachen der evangelischen Bewohner der Hauptstadt und die aller Militärpersonen dieser Konfession im gesamten Königreich übernahm. (1) Organisationsmanifest vom 18. März 1806 § 43, Regierungsblatt 1806 S. 14, und Instruktion für den zweiten Senat vom 4. Mai 1806 § 33, Regierungsblatt 1806 S. 41 (2) Regierungsblatt 1810 S. 464 (3) Regierungsblatt 1817 S. 453 (4) Regierungsblatt 1822 S. 678
2. Bearbeiterbericht: Die in diesem Bestand erfassten Einzelblätter sind die Konzepte der Urteile in den ehegerichtlichen Prozessen, der Scheidungsurteile. In zwei Fällen handelt es sich um die Annullierung einer Ehe (Bü 81 und 322). Das Schriftstück enthält das Datum des Urteils, den Namen des Klägers oder der Klägerin, also desjenigen, der die Ehescheidung beantragte, und den Namen des Beklagten, der in der Regel als widerspenstige Ehefrau oder widerspenstiger Ehemann bezeichnet ist, gelegentlich auch als treulos, entwichen oder ausgewiesen beschrieben. Geregelt wird zudem die Frage der Übernahme der Scheidungskosten zwischen den beiden Parteien. Der Scheidungsgrund geht aus den Urteilen nicht hervor. Näheres hierüber erfährt man nur in drei Fällen (Bü 240, 344, 392), in denen dem Urteil weitere Schriftstücke wie Klageschrift und Verhandlungsprotokoll beiliegen. Eine Ausnahme bildet Büschel 2, das als Einziges eine Scheidungsakte darstellt und somit den Verlauf eines Scheidungsprozesses wiedergibt. Neben dem Gesuch der Ehefrau auf Scheidung von ihrem als Verbrecher verurteilten und mittlerweile nach Amerika ausgewanderten Ehemann, belegt mit mehreren Schreiben über ihre Gründe und untermauert mit befürwortenden Stellungnahmen des Oberamts, enthält es auch die Vorladungen der Prozessbeteiligten, die Klageschrift und das Verhandlungsprotokoll vor dem Ehegericht sowie das Urteil nebst Kostenverzeichnis. Die vorliegenden Scheidungsurteile entstanden überwiegend in den Jahren 1808-1822 in der ehegerichtlichen Funktion des Oberjustizkollegiums und des Obertribunals. Nur ein Urteil des herzoglichen Ehegerichts von 1798 hat sich erhalten und einige wenige des kurfürstlichen bzw. königlichen Ehegerichts aus den Jahren 1805-1806. Als sogenannte "Erkenntnisse des Oberjustizkollegii II. Senats" und "Erkenntnisse des königlichen Ehegerichts" wurden die Scheidungen, wie auch andere Rechtserkenntnisse der Gerichte, für die Zeit ab 1807 überdies im württembergischen Staats- und Regierungsblatt des jeweiligen Jahres veröffentlicht. Die alphabetische Ordnung der Urteile nach den Namen der Kläger wurde beibehalten, ebenso die vorgefundene Schreibweise der Nachnamen, dagegen wurden die Vornamen und Berufsbezeichnungen vereinheitlicht und wie die Ortsnamen der heutigen Schreibweise angepasst. Mit den vom Landgericht Tübingen abgelieferten, im Mai 1983 über das Staatsarchiv Sigmaringen eingekommenen Akten wurde der Bestand E 308 III gebildet, den Dr. Wolfgang Schmierer im selben Jahr summarisch verzeichnete. Im Rahmen einer Einzelverzeichnung fertigten die Anwärter Torben Singer, Anna Spiesberger, Jana Stiller und Fanny Wirsing während ihrer Ludwigsburger Ausbildungszeit den überwiegenden Teil der Titelaufnahmen, die Endbearbeitung übernahm Gabriele Benning. Ludwigsburg, im Oktober 2010 Gabriele Benning
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 308 III
- Umfang
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394 Büschel (0,5 lfd. m)
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Ober- und Mittelbehörden 1806-um 1945 >> Geschäftsbereich Justizministerium >> Obertribunal/ Oberlandesgericht
- Bestandslaufzeit
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1798, 1805-1822
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rechteinformation
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Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Letzte Aktualisierung
-
18.04.2024, 10:40 MESZ
Datenpartner
Landesarchiv Baden-Württemberg. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1798, 1805-1822