Bestand
Weltliche Lagerbücher: OA Heidenheim (Bestand)
1. Zur Geschichte des Amts / Oberamts Heidenheim: Die Region um das heutige Heidenheim war schon in der Hallstattzeit (800 - 600 v. Chr.) stark besiedelt. Der hier entstandene Mittelpunktsort liegt an einem bequemen Albübergang zwischen Ulm und Aalen. Aus dem unter Kaiser Kaiser Domitian (80 n Chr. ff) entstandenen Römerkastell entwickelte sich eine zivile römische Siedlung, die bis zur 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts fortbestand. Das spätere rechts der Brenz entstandene mittelalterliche Dorf Heidenheim (erstmals zwischen 750 und 802 erwähnt) war ursprünglich alemannisches Herzogsgut, das von den Karolingern später teilweise konfisziert und an das Kloster Fulda gegeben wurde. Der restliche Teil der Besitzungen ging auf die schwäbischen Pfalzgrafen über; nach deren Aussterben an das Kloster Anhausen. Der nach Fulda gegebene Anteil kam als diepoldingisches Lehen über Heirat (Vohburgische Ehe Barbarossas) an die Staufer, andere diepoldingische Besitzungen an das Kloster Blaubeuren. Ein weiterer Anteil an Heidenheim gehörte zur Burg Hellenstein, die ein im Gefolge der Diepoldinger erwähnter "Gozpreht de Halensteine" errichtet hatte. Die Burg war schließlich diepoldingisch-staufisches Lehen. Degenhard von Hellenstein (in der Enkelgeneration des Erbauers) war staufischer Procurator der Königsgüter in Schwaben. In dieser Zeit entstand auch die befestigte Burgsiedlung mit Markt. In der Folgezeit, nach dem Niedergang der Staufer, blieb die Burg dem Reich lehenbar, wurde jedoch verpfändet, wechselte die Lehensinhaber und kam schließlich 1351 von Kaiser Karl IV. als Reichslehen an die Grafen von Helfenstein, die den neuen Herrschaftsmittelpunkt ihrer Brenztalbesitzungen stark förderten und ausbauten: 1335 wird Heidenheim schon Stadt genannt, 1351 Civitas, 1356 wird das Marktrecht erneuert. Trotz des Höhenunterschieds werden Stadt und Schloss gemeinsam in eine gemeinsame Ummauerung einbezogen. 1434 erweitert Kaiser Sigmund nochmals das Marktrecht. Das von den Helfensteinern ausgebaute Herrschaftsgebiet kann Württemberg 1448 erwerben, muss es aber 1450 schon wieder weiterverkaufen an Bayern (Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut). Bis 1504 also bayrisch - und militärisch von Württemberg aus auch kaum zu sichern - kam Heidenheim gemäß Friedensschluss nach dem bayrischen Erbfolgekrieg zurück an Württemberg, wurde 1519 vom Schwäbischen Bund (nach Vertreibung Herzog Ulrichs von Württemberg) erobert, von Kaiser Karl V. an Ulm verpfändet und kam erst 1536 durch den Göppinger Vertrag zurück an Württemberg. Das 1530 ausgebrannte Schloß ließ Ulrich schnellstmöglich wieder aufbauen. Unter Herzog Friedrich I. baute Elias Gunzenhäuser nach Plänen Heinrich Schickhardts das Schloss zur Festung und Residenz aus. Es entstanden neue Vorstädte (die untere und die mittlere), die damals schon vorhandene obere Vorstadt wurde weiter ausgebaut. Stadt und Umgebung , seit 1346 durch das Stadtgericht als Obergericht für alle Dorfgerichte in der Herrschaft und das zentrale Hochgericht organisatorisch zusammengefasst, wurden vom Amt Heidenheim verwaltet. Heidenheim war damit rechtlich politisch, aber auch wirtschaftlich über Markt Handel und Gewerbe Mittelpunkt der Region. Eisenwerke (seit 1598), Leinenweberei (seit dem 14.. Jahrhundert), Papiermacherei (seit 1530) und andere entwicklungsfähige Gewerbe entstanden. Der Aufschwung fand jedoch ein jähes Ende als Heidenheim 1634 zum Aufmarschgebiet für die Schlacht von Nördlingen wurde. Auf die militärische Niederlage Württembergs folgten auch im Amt Heidenheim verheerende Kriegsfolgen: Die Vorstädte wurden zerstört, Stadt und Umland (natürlich war die Bevölkerung so gut als möglich in die ummauerte Stadt geflohen) verloren 2/3 ihrer Bevölkerung. Für Heidenheim kam hinzu, dass es ab 1635 bis Kriegsende an Bayern kam und erst nach dem Friedensschluss wieder zurück an Württemberg. 1700 war die Einwohnerzahl, v.a. dank erheblicher Zuwanderung, wieder auf dem Vorkriegsstand. Heidenheim konnte so im 18. Jahrhundert (wieder) eine der gewerbereichsten Städte Württembergs werden, brachte alle Voraussetzungen mit, sich im 19. Jahrhundert zur Industriestadt weiterzuentwickeln.
2. Zur Geschichte und Ordnung des Bestands: 2.0 Seit 1422/1423 wurden in Württemberg bei der von der Rentkammer zentral gesteuerten systematischen Aufzeichnung von Besitzungen, Rechten und Einkünften in Lagerbüchern mehrere gleichlautende Reinschriften erstellt: Ein Exemplar verblieb in der Kanzlei der Rentkammer, ein zweites wurde im Archiv hinterlegt, eine dritte Reinschrift erhielt die zuständige Kellerei, die in der Zeit des aktuellen Gebrauchs Nachträge vermerkte. Das heutige Lagerbuchselekt führt verschiedene ältere Reihen zusammen: 2.1 Die altwürttembergische Reihe "weltliche Lagerbücher" Ursprünglich umfasste diese Reihe die Archivexemplare, die häufig den Außenvermerk "Archiv" tragen. Im Laufe der Zeit wurden diesem Bestand Konzepte, Mehrfertigungen und Lagerbücher der 1806 neu erworbenen Herrschaften hinzugefügt, so dass ein Mischbestand erwuchs, der 1938 anlässlich der Neugliederung der Bestände durch K.O. Müller die Bestandsbezeichnung H 1 erhielt. 2.2 "Dublettenreihe" Seit 1908 wurden unter der etwas irreführenden Bezeichnung "Dublettenreihe" Mehrfertigungen, aber auch Konzepte und Abschriften von Lagerbüchern geistlicher und weltlicher altwürttembergischer sowie neuwürttembergischer Herrschaften zusammengeführt. Der Bestand gelangte ins Staatsarchiv Ludwigsburg und erhielt die Signatur H 6. 2.3 Lagerbuchreihe des Finanzarchivs Im Rahmen der Neuordnung 1806 wurde der überwiegende Teil der altwürttembergischen Lagerbücher aus den Registraturen der Bezirksämter den Kameralämtern übergeben, die - ausgehend von den aktuellen Verwaltungsbedürfnissen - umfangreiche Kassationen und Umordnungen vornahmen. Allmählich gaben die Kameralämter die Lagerbücher an das 1822 eingerichtete Finanzarchiv ab. Nach erneuten Kassationen und uneinheitlicher Ordnung wurden in dieser Zeit für ungefähr die Hälfte der Überlieferung provisorische Verzeichnisse erstellt. Die dabei vergebenen rund 4200 Zahlensignaturen sind mit Blaustift auf der Vorderseite vermerkt. 1924 übernahm das Staatsarchiv Ludwigsburg die Lagerbuchbestände des aufgelösten Finanzarchivs und wies sie der Bestandsgruppe H 6-10 zu. 2.4 "Sonderreihe" des Staatsarchivs Ludwigsburg Bruchstückhaft blieb um 1930 der Versuch, aus der Überlieferung des Finanzarchivs diejenigen Erneuerungen in einer Reihe zusammenzuführen, die in den Stuttgarter Lagerbuchbeständen fehlten. 2.5 Beständebereinigung durch K.O. Müller K.O. Müller löste den von ihm gebildeten Mischbestand H 1 (s. o.) in einer zweiten Verzeichnungsphase auf, indem er die altwürttembergischen Lagerbücher im Bestand A 295 zusammenfasste und die neuwürttembergischen Lagerbücher den Reihen B 1-5 zuwies. NachAbgabe der in Ludwigsburg befindlichen Lagerbücher an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Juli 1950 wurde unter der Leitung von F. Pietsch der gesamte Überlieferungskomplex neu gegliedert. Aus pragmatischen Gründen verzichtete man dabei auf die Rekonstruktion der Registraturen der Kanzlei, des Archivs sowie der Kellereien in eigenen Reihen. Vielmehr vereinen die heutigen Bestände H 101/ 1ff, gruppiert nach Oberämtern, alle überlieferten Exemplare einer Erneuerung - also Konzepte, Reinschriften, Abschriften - in einer Reihe. Dies gilt auch für Heidenheim , für das Lagerbücher ab 1521 überliefert sind.
3. Zur Verzeichnung des Bestands: Nach der Zusammenführung der Lagerbuchbestände im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1950 war die anschließende Neuordnung, um 1960 im wesentlichen abgeschlossen. Damit konnte eine Neuverzeichnung in Angriff genommen werden. Angesichts der zu bewältigenden großen Mengen entwarfen H.-M. Maurer und H. Natale 1974 "Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern" und trieben die Erschließung der Lagerbuchselekte mit den bestehenden geringen Personalressourcen unter Einbeziehung von Auszubildenden und Aushilfskräften voran. Inzwischen liegen für den kompletten Bestand H 101 Konzeptverzeichnungen vor, die allerdings nur sehr eingeschränkt benutzt werden können. Bei der laufenden Überarbeitung dieser Konzeptverzeichnungen wird auf die in den Richtlinien vorgesehene Erfassung von Reskripten und Notizen verzichtet. Auf vorhandene Reskripte wird allerdings weiterhin im "Enthält-Vermerk" hingewiesen. und die Laufzeit in die Gesamtlaufzeit des Bandes aufgenommen. Der Verzeichnung liegt folgendes Schema zugrunde: 1. Bandnummer 2. Titel 3. Genetische Stufe und Behördenprovenienz 4. eventuelle Register 5. Renovator(en) 6. Inhalte und Darstellungsweise 7. Orte 8. Urkunden 9. äußere Bandbeschreibung 10. enthaltene Beilagen oder Reskripte 11. Vorsignaturen 12. Umfang 13. Jahr der Anlage Die Angaben zum Titel entsprechen soweit als möglich den auf den Vorsatzblättern der Bände zu findenden Innentiteln, was durch Anführungszeichen verdeutlicht wird. Weiterhin erfolgte eine Neusignierung entsprechend dem gängigen Signaturenschema der Lagerbuchselekte: Die bestehende Durchnummerierung wird durch Zwischennummern für die einzelnen Ämter (H 101/1 Altensteig bis H 101/64 Winnenden) mit jeweiliger Neuzählung der einzelnen Bände ersetzt. Alte und neue Signaturen können der Konkordanz entnommen werden. Die Neuverzeichnung erfolgte unter Anleitung des Unterzeichneten im Spätsommer 2008 im Rahmen der Ausbildung für den gehobenen Archivdienst durch Annette Riek und Stephanie Kurrle. Bearbeitung der vorhandenen Titelaufnahmen des Bestandes H 101/23 und die Redaktion des Findbuchs schloss der Unterzeichnete im Dezember 2008 ab. Der Bestand umfasst 70 Bände (in denen aus 618 Einzelabschriften 164 verschiedene Urkunden aus der Zeit zwischen 1447 und 1709 regestiert wurden. Die belegten Regale umfassen 7,2 m. Stuttgart, im Dezember 2008 Franz Moegle-Hofacker
Korrespondierende Bestände: Überlieferung zum Bereich des Amt / Oberamts Heidenheim im Hauptstaatsarchiv Stuttgart ist über H 101/23 hinaus v.a. in folgenden Beständen zu finden: A 206 Oberrat: Ältere Ämterakten A 213 Oberrat: Jüngere Ämterakten A 249 Rentkammer: Ämterakten A 297 Weltliche Zins- und Haischbücher A 353 Weltliches Amt Heidenheim W A 354 Geistliche Verwaltung Heidenheim G H 102/28 Lagerbücher der Geistlichen Verwaltung Heidenheim
Literatur: Der Landkreis Heidenheim / bearb. von der Außenstelle Stuttgart der Abteilung Landesforschung und Landesbeschreibung der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg. Hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Heidenheim. Band: 1 A. Allgemeiner Teil, B. Gemeindebeschreibungen Dischingen und Gerstetten, C. Anhang. - Stuttgart : Thorbecke, 1999. - XXII, 636 S. : Ill., Kt. & 3 Faltkt Band: 2 B. Gemeindebeschreibungen (Fortsetzung), C. Anhang. - Stuttgart : Thorbecke, 2000. - XXIII, 629 S. : Ill., Kt. & 3 Faltkt Beschreibung des Oberamts Heidenheim. Hrsg. von dem Königlich statistisch-topographischen Bureau. Mit 1 Karte, 1 Ansicht und 4 Tabellen. Stuttgart und Tübingen, Cotta 1844. 292 S. (Neuausgabe: Unveränderter fotomechanischer Nachdruck - Magstadt: Verlag für Kultur und Wissenschaft 1961, 292 Seiten, IV Falttafeln, 1 Kt. (Beschreibung des Königreichs Württemberg 19) 150 Jahre amtliche Landesbeschreibung im Heidenheimer Raum / Autoren: Roland Würz ; Eugen Reinhard ; Hans-Martin Cloß. Hrsg.: Landkreis Heidenheim, Kreisarchiv. - Heidenheim : Landratsamt Heidenheim, 1996. - 52 S. : Ill., Kt Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Bd. IV: Regierungsbezirk Stuttgart, Stuttgart 1980. Maurer, Hans-Martin (Bearb.): Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Sonderbestände (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, 35), Stuttgart 1980, S. 122-125. Richter, Gregor: Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach württembergischen Quellen (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 36), Stuttgart 1978.
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 101/23
- Umfang
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70 Bände, Bestellnummern: Band 609-673
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Weltliche Lagerbücher der Oberämter (gesamt)
- Bestandslaufzeit
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1521-1826
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rechteinformation
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Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Letzte Aktualisierung
-
20.01.2023, 15:09 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1521-1826