Archivalie
Liebste, Danke für Deine Grüße in die Birkenstraße...
Transkription: Stuttgart 10 Mrz 1915 Liebste, Danke für Deine Grüße in die Birken- straße. Nun wieder Soldat, zu leichtem Dienst beordnet. Ich sollte Gänge schrobben, Spucknäpfe leeren - u sagte verzweifelt, daß ich Maler wäre. Nun soll ich eine Schrift malen: ,,Es ist Kriegszustand! Es gelten die Kreigsgesetze!" - [...] sie ich zu Hause - in unkontrollierbar kurzer Zeit und in dieser so übrigen: den Brief. ,,Man muß ver- stehen etwas aus sich zu machen" - ich sah Genies mit diesen [...] und gesehen - ich verstehe es nicht. Noch immer u bat ein kindlich [...], was kein [...] der [...]- ständigen sieht! - doch die Mostköpfe der Feldwebel u Unteroffiziere zu zeichnen, wie es Kleeblatts Brüder z.B. für u. sich damit ein angenehm mal haben machen - ich hab lieber Pech als daß welches angreife u mich damit besudl. Gewissenlosigkeit in Bezug auf die Mittel zum Zweck! - ruhig! ich darf nicht an England, darf nicht an den Krieg überhaupt denken. Ich habe einen freien Tag, Sonne, u weißes Papier; meinen lieben Block - und ich schreibe an meine Liebste. Ich: - dein Schatten! Wo Licht ist - ist Schatten. du bist Licht. Ich - dein Schatten die Ex- treme berühren sich. Wir wollen ein Hell- dunkel schaffen. - rembrandtisch! Rembrandt hat gigantische Schatten geschaffen, Schatten voller Nacht u Finsterniß u Trostlosigkeit - u hat reiches Licht dagegen spielen lassen. Die modernen [...] Rembrandt lügen: die Schatten sind auch farbig, Farben inneres Leben u sind Licht. Die so [...] Frage - sogar der Schatten! - Ich , liebste, - die Schatten! Ich möchte es so verstehen. Dein Bildchen: puck aus Sommernachtstraum - zumindest shakespearisch - aber auch lächelnder Beethoven - aber auch Nonne die den Lebens- faden - den meinen - hält. Lächelnd. Ich möchte dich [...], Puck im Wald - Moos- boden im Matten Kleidchen u fliege heer, lachend im Übermut. Aber du [...] mich - triebst deinen Spuck mit mir u bist da zu den ungelegenßten Zeiten - danke doch! der Herr Feldwebel! - Auch mir träumte - wachend? denn ich fühlte das Fieber, die breite Brust, die brennenden Gedanken: Alles was notwendig wäre, gemalt zu werden, erschien mir - es ist ein ungeheurer Ausdruck in der Farbe möglich. Ich habe erst das Gefühl vor einem Vulkan - haften Ausbruch von Produktion zu stehen - Jugend u. mich verzehrend. Ich habe heute noch wieder einmal die Schönheit der Malerei glühend empfunden - hier vor allem ist ein Geisterreich zu errichten. Am Anfang als ich ins Lazarett kam, war ich auch malerisch [...], lyrisch, ,,Spiegel- rein u. eben." Es wäre - hätten nur die Umstände gestattet zu arbeiten - eine groß. Zahl kleiner bescheidener Naturstimmungen entstanden - dem Lazarettgarten entnommen. - Ein seltsam weiß- [...] regender Mangel auf grüner Wiese, grün schwarz. Deutschtannen dahinter, das Liebespiel huschender Amseln davor u da- zwischen. Schwarz. Büsche gegen silber- grau. Luft: in dieser verschiedenste Formen: eines Dogals - Fischs - selbst [...] Land- schaften in Himmel. Ich hätte mich in der Dar- stellung einer erworbenen soliden Mal- weise bedient - in geläufigem Weg - Herr der Technik - sicher der Anerkennung - es ist vielleicht der sichere Weg: jedoch: ,,den lieb ich, der Unmögliches begehrt" - Ich hatte solche [...]. Fluten von Farbe - strähnig die Regenbogenfarben Malerei in Gold u Silber - dichtes Schwarz u reinstes Weiß - ohne Gegenstand, nur gewaltige Rythmen. Ich dachte in Material: schwärzestes Ebenholz u Figuren, durchsichtig aus Glas, Ganz neue Materialien zur Gestaltung des Übersinnlichen - Unsichtbaren. - Wie halt, wenn ich Malerei, Farbe beschreiben will. So kalt wie der Tag, der die Ernüchterung bringt - der mich die Träume zu ordnen weist - sie in haster Arbeit des Tags [...] zu machen. - Wohin willst du in der Schweiz? Werden sie dich einlassen in ihr glückliches - begehrenswertes Land? ,,es ist Kriegszustand." Aber betrifft dieser Dämonen? - In 6 Wochen. Urlaub viell
- Material/Technik
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Papier; Tinte
- Inventarnummer
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AOS 2013/1,40
- Sammlung
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Archiv Oskar Schlemmer
- Provenienz
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Abschrift vorhanden; Kasten 122 Mappe 10
- Ereignis
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Herstellung
- (wer)
- Rechteinformation
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Staatsgalerie Stuttgart
- Letzte Aktualisierung
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27.02.2023, 09:18 MEZ
Datenpartner
Staatsgalerie Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Archivalie
Beteiligte
- Abschrift vorhanden; Kasten 122 Mappe 10
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Dora Yekimovsky (1890 - 1972)