Bestand
Bezirkskommunalverband Wiesbaden: Sachakten (Bestand)
Bestandsgeschichte: Ein großer
Teil der älteren Akten der zentralen Verwaltung des Bezirksverbandes
in Wiesbaden ist nach 1945 verloren gegangen, als das Landeshaus in
Wiesbaden durch die amerikanische Militärregierung genutzt wurde. Ins
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes gelangten größtenteils jene
Akten, die in den Jahren 1945 bis 1953 beim Bezirkskommunalverband
Wiesbaden neu angelegt oder weitergenutzt wurden. Abgebende Stelle war
die LWV-Zweigverwaltung in Wiesbaden. Es handelt sich hauptsächlich um
Unterlagen der Allgemeinen und Personalverwaltung. Bei den Allgemeinen
Verwaltungsakten werden neben den Gebieten Haushalt und Personal in
kleinerem Umfang auch die Bereiche Wirtschaft und Infrastruktur sowie
der Fürsorgebereich berührt. Die Personalakten betreffen hauptsächlich
Beschäftigte des Bezirkskommunalverbandes, deren Beschäftigungs- oder
Versorgungszeit vor Gründung des LWV (1953) endete. Für die über 1953
hinaus Beschäftigten wurden zum Teil Personalnebenakten bei der
LWV-Zweigverwaltung Wiesbaden fortgeführt. Ein Bestand von ca. 1.550
älteren Akten des Bezirksverbandes aus den Jahren 1868 bis 1945,
hauptsächlich Akten der Wegebauverwaltung, ist im Hessischen
Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden archiviert.
Geschichte des Bestandsbildners:
Mit dem Ende des Herzogtums Nassau und der freien Stadt Frankfurt 1866
gingen deren Gebiete sowie bislang zum Großherzogtum Hessen zählende
Gebiete (Biedenkopf, Homburg) 1867 im neu gegründeten preußischen
Regierungsbezirk Wiesbaden auf. Am 26. September 1867 gründete das
Königreich Preußen in diesem Bezirk, noch unter Ausschluss des
Stadtkreises Frankfurt, den "Kommunalständischen Verband des
Regierungsbezirks Wiesbaden". Dessen Entscheidungsorgan, der
"Kommunallandtag", bestand aus vier Standesherren, zwei
Großgrundbesitzer und 22 Repräsentanten der Stadt- und Landkreise des
Bezirks. Als Exekutivorgan diente seit 1871 der "ständische
Verwaltungsausschuss". Ab 1872 wurde als leitender Beamter ein
"Landesdirektor" gewählt. 1885 wurde der Verband, nun unter
Einbeziehung von Frankfurt, zum "Bezirksverband des Regierungsbezirks
Wiesbaden", dem alle Stadt- und Landkreise im Regierungsbezirk
Wiesbaden angehörten (ab 1932 dann auch der Kreis Wetzlar). Somit war
der Bezirksverband ab 1885 eine reine Gebietskörperschaft ohne
ständisches Element; der Kommunallandtag vertrat fortan ausschließlich
die Kreise; gleichzeitig wurde aus dem ständischen
Verwaltungsausschuss der "Landesausschuss". Ab 1900 trug der bisherige
Landesdirektor die Amtsbezeichnung "Landeshauptmann". Sitz des
Bezirksverbandes war Wiesbaden. Ab 1907 und bis 1945 nutzte der
Verband das eigens erbaute repräsentative "Landeshaus" in
Wiesbaden.
Zweck des Bezirksverbandes war die kommunale
Selbstverwaltung auf Bezirksebene. Die Aufgabengebiete des Verbandes
entsprachen denjenigen der Provinzialverbände in den anderen
preußischen Provinzen, wo es Bezirksverbände nicht gab. Im
volkswirtschaftlichen Bereich war der Verband verantwortlich für
Straßenbau und -unterhaltung (Straßenbauämter), für regionale
Infrastrukturförderung (u. a. Lahnkanalisierung, Kleinbahnen) sowie
für das Geld-, Kredit- und Versicherungswesen (u. a. Nassauische
Landesbank, Nassauische Sparkasse). Ein kleinerer Aufgabenbereich war
die Kulturpflege (u. a. Denkmalpflege, Förderung von Wissenschaft und
Kunst). Im Fürsorgebereich war der Bezirksverband Träger mehrerer
Anstalten, u. a. der Landesheilanstalten Eichberg (ab 1872),
Weilmünster (ab 1897), Hadamar (ab 1906) und Herborn (ab 1911) sowie
des "Taubstummeninstituts" Camberg (ab 1873). Ab 1871 hatte der
Verband die Funktion eines "Landarmenverbandes" (ab 1924 eines
"Landesfürsorgeverbandes"), der seit 1891 überörtlicher Kostenträger
der Anstaltsunterbringung u. a. von Menschen mit psychischen
Krankheiten oder geistigen Behinderungen war. Ab 1901 war der
Bezirksverband beteiligt an der Kostenträgerschaft für die
"Fürsorgeerziehung Minderjähriger". Ab 1919 übernahm der Verband die
Funktion einer "Hauptfürsorgestelle für Kriegsbeschädigte und
Kriegshinterbliebene". 1924 richtete der Bezirksverband ein
"Landesjugendamt" ein.
Im Zuge der nationalsozialistischen
Gleichschaltung wurden 1933 der Kommunallandtag und der
Landesausschuss aufgelöst; 1934 ging die Leitung des Bezirksverbandes
an den in Kassel amtierenden Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau
über. Der Landeshauptmann fungierte fortan als dessen ständiger
Vertreter, der Bezirksverband blieb jedoch als Körperschaft bestehen.
Im Sinne des "Führerprinzips" lautete der neue Verbandsname nun "Der
Oberpräsident (Verwaltung des Bezirksverbandes Nassau)". Mit Bildung
der neuen Provinz Nassau 1944 lautete die Verbandsbezeichnung "Der
Oberpräsident (Verwaltung des Provinzialverbandes Nassau)". Zugleich
kamen die Landkreise Gelnhausen, Hanau und Schlüchtern sowie der
Stadtkreis Hanau hinzu. Während der Zeit des Nationalsozialismus war
der Bezirks- bzw. Provinzialverband maßgeblich an der Umsetzung der
"rassenhygienischen Maßnahmen" und der "Euthanasie"-Verbrechen
beteiligt. Im Mai 1945 wurde der bisherige Verband in die Verwaltung
der Bezirksregierung Wiesbaden eingegliedert. Im Oktober 1945 wurde
die Eigenschaft des Verbandes als Gebietskörperschaft
wiederhergestellt; die Leitungsfunktionen hatten allerdings der
Ministerpräsident und die Fachminister inne. Im Oktober 1946 wurde ein
"Landeskommunalausschuss" gebildet, der die Funktionen des früheren
Kommunallandtags und des Landesausschusses wahrnahm. Der Verband trug
in der Nachkriegszeit den Namen "Bezirkskommunalverband Wiesbaden".
Zum 12. Mai 1953 wurde er durch das Mittelstufengesetz vom 7. Mai 1953
aufgelöst. Seine Aufgaben und sein Eigentum für den Sozialbereich
gingen an den zugleich gegründeten Landeswohlfahrtsverband Hessen
über; die übrigen Aufgaben und das übrige Eigentum gingen an das Land
Hessen über, welches das Landeshaus in Wiesbaden zum Sitz des
Wirtschaftsministeriums machte. Ein Teil der bisherigen Wiesbadener
Verwaltung des Bezirkskommunalverbandes wurde zur Zweigverwaltung
Wiesbaden des LWV Hessen.
Findmittel:
Arcinsys-Datenbank
- Bestandssignatur
-
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, B 3
- Umfang
-
4,5 lfm.
- Kontext
-
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (Archivtektonik) >> Gliederung >> Bezirkskommunalverbände >> Wiesbaden
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Korrespondierende Archivalien: HHStAW Bestand 403 (Bezirksverband des Regierungsbezirks Wiesbaden) (https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction.action?detailid=b2697)
Literatur: 80 Jahre Kommunalverband des Regierungsbezirks Wiesbaden, hg. vom Landeshauptmann, Wiesbaden 1948
Literatur: E. Quentel: Sammlung der die Verfassung und Verwaltung des Bezirksverbandes des Regierungsbezirks Wiesbaden betreffenden Gesetze, Verordnungen, Statuten, Reglements und sonstige Bestimmungen. Wiesbaden 1894, 2. Aufl. 1905.
Literatur: Peter Sandner: Verwaltung des Krankenmordes. Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus (= Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Hochschulschriften Bd. 2). Gießen 2003.
- Bestandslaufzeit
-
1876-1953
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
14.11.2023, 10:28 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1876-1953