Bestand
Militärgeschichtliches Institut der DDR (Bestand)
Geschichte des
Bestandsbildners: Aufstellung/Gründung
Am
14. März 1958 unterzeichnete Generalleutnant Heinz Hoffmann in
Vertretung des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR den
Befehl Nr. 29/58 über die Aufstellung eines "Instituts für
Deutsche Militärgeschichte, Militärbibliothek und Militärarchiv"
(IDMG) mit Wirkung zum 15. März 1958. Der Befehl legte als
Standort Potsdam, Leninallee 127/128, fest, die sogenannte Villa
Ingenheim.
Die Aufstellung mit 16
Offizieren und 25 Zivilbeschäftigten konnte am 30. April 1958
abgeschlossen werden.
Aufgaben und
Struktur des Instituts
Die Aufgabe des
Instituts fasste der o. a. Befehl wie folgt zusammen:
"Die weitere Entwicklung der Nationalen
Volksarmee und die ständige wissenschaftliche Schulung ihrer
militärischen Kader, sowie die richtige Information der
Öffentlichkeit,
- die Entlarvung der
Revanchepolitik der westdeutschen Imperialisten und der
Fälschungen der deutschen Militärgeschichte, besonders der des
2. Weltkrieges;
- die ständige Entlarvung
des aggressiven Charakters der volksfeindlichen NATO-Politik und
der verbrecherischen Pläne der NATO-Strategen, insbesondere der
Gefahren eines Atomkrieges für das deutsche Volk
erfordern eine systematische wissenschaftliche
Forschungstätigkeit und Publikation auf dem Gebiet der deutschen
Militärgeschichte."
Als Aufgabe des
Instituts legte der Befehl fest, dass es "auf der Grundlage der
marxistisch-leninistischen Lehre durch kritische Behandlung der
deutschen Militärgeschichte und durch beweiskräftiges
Tatsachenmaterial die Fälschungen, besonders der Geschichte des
zweiten Weltkrieges, durch die Feinde des deutschen Volkes
anhand von Archivmaterial, Literatur, Memoiren und persönlichen
Erlebnisberichten zu entlarven, gute Grundlagen für das Studium
der militärischen Kader zu schaffen und diesbezügliches Material
zu sammeln, zu pflegen und auszuwerten [habe]".
Somit war es nicht Gründungsintention, ein
wissenschaftliches Forschungsinstitut zu schaffen, vielmehr war
das IDMG dem Chef der Politischen Verwaltung (ab 1961:
Politische Hauptverwaltung - PHV) der Nationalen Volksarmee
(NVA) unterstellt und damit ein Instrument der
politisch-ideologischen Auseinandersetzung mit dem Westen. Diese
Aufgabe schlug sich in den propagandistischen Aktivitäten des
Instituts nieder, das z. B. zwischen 1961 und 1965 470 Vorträge,
Lektionen, militärpolitische Publikationen oder Mitarbeit in den
Medien vorweisen konnte. Von 1971 bis 1975, dem Zeitraum mit der
stärksten propagandistischen Aktivität, war die Anzahl der
Vorträge auf 700 gestiegen, dazu kamen 26 größere
Propagandapublikationen und zehn Beiträge für Funk- und
Fernsehen, 271 Presseartikel, 330 Gutachten und 244
Auskunftberichte.
Die Urmannschaft des
IDMG kam aus dem aktiven Truppendienst und bestand durchgängig
aus ehemaligen Offizieren der Wehrmacht. Militärhistoriker waren
unter dem Personal nicht zu finden, dementsprechend war auch die
wissenschaftliche Forschung in den Anfangsjahren des Instituts
wenig ausgeprägt. Die Besetzung mit ehemaligen
Wehrmachtoffizieren geschah dabei nicht zufällig, vielmehr half
das neue Institut, einen Teil ehemaliger hoher
Wehrmachtoffiziere aus leitenden Funktionen in der NVA
herauszulösen.
Der Leitung unterstand der
Wissenschaftliche Sektor mit den Abteilungen
- Geschichte der deutschen Armee von 1800-1918,
- Die deutsche Armee von 1918-1945,
- Die deutschen Militaristen nach 1945 und
der
- Forschungsgruppe M sowie
die Militärbibliothek (Umfang am 31. Dezember
1958: 13.200 Bände), das Militärarchiv (AE am 31. Dezember 1958:
95.000 plus 1.500 Karten) sowie der Sektor Wirtschaft und
Verwaltung.
Diese Urstruktur wurde in der
Folge mehrfach verändert und erweitert, auch kam es zu
Umbenennungen. Ab dem 1. Dezember 1967 firmierte das Institut
unter der Bezeichnung "Deutsches Institut für Militärgeschichte"
(DIMG), ab dem 1. Juni 1972 als "Militärgeschichtliches Institut
der Deutschen Demokratischen Republik". Diesen Namen behielt es
bis zu seiner letzten Umbenennung im Rahmen der
Wiedervereinigung im Jahr 1990.
Parteitagsbeschlüsse stießen im Dezember 1961 eine
Umgliederung des IDMG an. In der Wissenschaftlichen Sektion
wurden nun die Abteilungen Militärgeschichte vor 1945,
Militärgeschichte der DDR im Rahmen des Warschauer Vertrages,
Militärgeschichte der Bundesrepublik und der NATO eingerichtet,
dazu kam ein Militärarchiv.
Bereits im
Februar 1961 war das Deutsche Armeemuseum gegründet worden, das
nach wenigen Monaten dem IDMG unterstellt worden war. Es hatte
seinen Standort im Potsdamer Marmorpalais im Neuen Garten und
errichtete später eine Außenstelle auf der Festung Königstein.
Im März 1972 wurde die Unterstellung wieder gelöst.
Innerhalb der Wissenschaftlichen Abteilung neu
gegründet wurde am 1. Januar 1962 die Abteilung Redaktion, die
ein Jahr später dem Direktor direkt unterstellt wurde. Ihr
Leiter war Chefredakteur der "Zeitschrift für Militärgeschichte"
(seit 1972: "Militärgeschichte"), die 1962 erstmals erschien.
Die Zeitschrift entwickelte sich zum Fachorgan der Disziplin,
bis 1990 erschienen 166 Hefte.
1961 bis
1963 verdreifachte sich die Zahl der Mitarbeiter beim IDMG, ca.
50 Prozent gehörten der SED an. 1969 erreichte die personelle
Ausstattung mit einer Sollstellenzahl von 242 Mitarbeitern,
davon 38 Offiziers- und Generalsplanstellen, drei
Unteroffizieren und 200 Zivilbeschäftigten zahlenmäßig ihren
Höhepunkt, bis 1970 neue Stellenpläne in Kraft traten.
Das dem IDMG unterstellte Militärarchiv wurde
im Frühjahr 1964 per Ministerbefehl zum "Deutschen
Militärarchiv" und damit Zentralarchiv der NVA. Der Befehl löste
es aus der Unterstellung beim IDMG und unterstellte es dem Chef
der Politischen Hauptverwaltung im Ministerium des Inneren. Es
war nun für alle militärischen Akten ab 1800 zuständig. Mit
Wirkung zum 1. Dezember 1973 unterstellte der Minister für
Nationale Verteidigung es dem Stellvertreter des Ministers und
Chef des Hauptstabes der NVA. Bereits seit dem 1. Juni 1972 trug
es die Bezeichnung "Militärarchiv der DDR".
Elf Jahre nach seiner Gründung fand im mittlerweile DIMG
genannten Institut ein wissenschaftlicher
Professionalisierungsprozess statt. Dieser führte im Sommer 1969
sechs hochqualifizierte Mitarbeiter der bisherigen Abteilung
Militärgeschichte des Zentralinstituts Geschichte an der
Deutschen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von H.
Helmert in das DIMG und schuf damit eine neue Kernkompetenz in
der Forschung zur Militärgeschichte bis 1917. Die neue
Forschergruppe legte den Grundstein für den Ausbau der
wissenschaftlichen Kompetenz am DIMG. Um diesen Nukleus
gruppierte das Institut in den Folgejahren seinen
wissenschaftlichen Nachwuchs und baute seine Kompetenzen in
Forschung und Lehre aus.
Am 1. September
1970 erhielt das DIMG den Status einer Hochschuleinrichtung der
NVA, nachdem der Minister für Nationale Verteidigung eine
Ordnung über seine Stellung, Aufgaben und Befugnisse erlassen
hatte. Der Institutsleiter wurde zum Professor für
Militärgeschichte berufen. Genau ein Jahr zuvor hatte der
Wissenschaftliche Rat des DIMG das Promotionsrecht (Dr. phil.;
Dr. sc. phil.) verliehen bekommen. Eine Betreuung von
Diplomanden hatte es aber schon 1968 gegeben, als vier Studenten
der Militärakademie "Friedrich Engels" am Institut betreut
wurden.
Der neue Status brachte eine
Reihe von Umstrukturierungen mit sich. Unter anderem wurde der
Posten des bisherigen Stellvertreters des Direktors für
wissenschaftliche Arbeiten und Leiter der Wissenschaftlichen
Sektion des DIMG umbenannt in Stellvertreter des Direktors für
Forschung, zudem schuf man einen Stellvertreterbereich des
Direktors für Wissenschaftsorganisation und Weiterbildung. Mit
diesen Maßnahmen sollte der Stellenwert der Forschung im
Institut aufgewertet bzw. die gezielte Ausbildung von
Historikern und Militärhistorikern in der NVA gefördert
werden.
1971/72 wurde ein zehn-, später
elfsemestriger Fernstudiengang eingerichtet, im September 1972
fand die feierliche Immatrikulation der ersten Studenten statt.
Im Jahr 1975 kam ein zunächst zwei-, später drei- bis
dreieinhalbjähriges postgraduales Fernstudium der
Militärgeschichte hinzu. Von 1971 bis 1973 war bereits ein
besonderer Diplomstudienlehrgang, der lediglich
Weiterbildungscharakter besaß, durchgeführt worden.
Von 1970 bis 1990 verteidigten Mitarbeiter und
Auswärtige 60 Dissertationen am Institut, darunter waren elf
sogenannten Kollektivdissertationen mit bis zu vier beteiligten
Wissenschaftlern. Insgesamt wurden 93 Personen am MGI
promoviert, davon 40 Mitarbeiter des Hauses. Abweichende
Darstellungen gehen von 77 Promotionsverfahren mit 46
beteiligten Angehörigen des MGI von 1971 bis 1990 aus. Die
letzte Dissertation wurde am 17. Juli 1990 verteidigt, im
September desselben Jahres entzog der letzte
DDR-Bildungsminister allen NVA-Hochschuleinrichtungen das
Promotionsrecht.
Vor allem in den letzten
zwanzig Jahren seines Bestehens gewann das Institut an
wissenschaftlichem Ansehen. Es unterhielt vielfältige Kontakte
zu "Bruderinstituten" im Warschauer Pakt, insbesondere zum
Militärhistorischen Institut beim Ministerium für Verteidigung
der UdSSR in Moskau. Seine Mitarbeiter waren unter anderem im
Präsidium der Historikergesellschaft der DDR vertreten. Seit
1972 war es Sitz der Kommission für Militärgeschichte der DDR,
die Mitglied in der Internationalen Kommission für
Militärgeschichte (Commission Internationale d'Histoire
Militaire - CIHM) war.
Auch gingen Träger
des Nationalpreises und des Friedrich-Engels-Preises aus dem MGI
hervor.
Träger des Nationalpreises
Oberstleutnant Walter Flegel
Nationalpreis der DDR III. Klasse für Kunst und
Literatur
Oberst Dr. Otto Hennicke
Nationalpreis der DDR II. Klasse für
Wissenschaft und Technik
Kollektiv des
Militärgeschichtlichen Instituts der DDR (Generalmajor Prof. Dr.
Reinhard Brühl, Kapitän z. S. a. D. Prof. em. Dr. sc. Günther
Glaser, Hauptmann d. R. Prof. Dr. sc. Karl Greese, Major Dr. sc.
Klaus-Peter Meißner)
Nationalpreis der
DDR II. Klasse für Wissenschaft und Technik
Träger des Friedrich-Engels-Preises
1970 Kollektivpreis 3. Klasse
Oberst
J. von Witzleben, Oberstleutnant A. Charisius, Major d. R. W.
Roschlau
Einzelpreis 3. Klasse
Hauptmann d. R. W. Hanisch
1972 Kollektivpreis 3. Klasse
Dr. N.
Müller, Dr. E. Moritz, Oberstleutnant d. R. E. Stenzel
Einzelpreis 2. Klasse
Oberst Dr. R. Brühl
1973 Einzelpreis
3. Klasse
Oberstleutnant Dr. W.
Wolff
1974 Kollektivpreis 2. Klasse
Major Dr. G. Förster, Dr. K. Schmiedel, Dr. H.
Otto, Oberstleutnant d. R. H. Sperling
1975 Kollektivpreis 2. Klasse
Oberst
Dr. R. Brühl, Oberst K. Schützle, Oberst Dr. H. Oeckel, Kapitän
z. S. Dr. G. Glaser, Oberst Dr. T. Nelles, Oberst Dr. H. Höhn,
Oberstleutnant G. Lux, Hauptmann d. R. Dr. K. Greese,
Oberstleutnant d. R. A. Voerster
1977
Kollektivpreis 3. Klasse
Oberst Dr. A.
Charisius, Oberst Dr. T. Dobias
1978
Einzelpreis 3. Klasse
Major Dr. H.
Schnitter
1980 Kollektivpreis 3.
Klasse
Oberst Dr. G. Förster, zusammen
mit Prof. Dr. sc. G. Paulus
1983
Kollektivpreis 2. Klasse
Oberst Dr. T.
Dobias, Oberstleutnant d. R. Dr. W. Roschlau (Oberst H. Fiedler,
Dr. sc. K. Engelhardt)
1986
Kollektivpreis 2. Klasse
Oberst a. D.
Prof. em. Dr. sc. K. Schützle, Dr. N. Müller, U. Freye
(K. Dorst)
Kontakte mit
westlichen Militärhistorikern waren nur auf internationalen
Tagungen, an denen der Direktor des Instituts und ausgewählte
Wissenschaftler teilnehmen durften, erlaubt, ansonsten jedoch
verboten. Zwar durfte westliche Forschungsliteratur ausgewertet
werden, soweit sie im MGI oder über die Fernleihe erreichbar
war, für die Anfertigung von Kopien war jedoch die Genehmigung
des Vorgesetzten einzuholen. All dies erschwerte die Teilnahme
am internationalen wissenschaftlichen Diskurs erheblich.
Das Qualifikationsniveau der Wissenschaftler
des MGI stieg dennoch merklich, als ab Mitte der 1970er Jahre
verstärkt junge Wissenschaftler eingestellt wurden. Das
wissenschaftliche Personal bestand aus aktiven Offizieren mit
akademischen Abschlüssen und zivilen Mitarbeitern im Status von
Assistenten, Oberassistenten, Dozenten und Professoren.
Besoldungstechnisch rangierten die Soldaten-Wissenschaftler über
den zivilen.
Der Stellvertreter des
Direktors für Forschung und Leiter des Forschungsbereiches sowie
die Abteilungsleiter des Forschungsbereiches waren in der Regel
im Rang eines Oberst/Kapitäns zur See und trugen nach
entsprechender wissenschaftlicher Qualifikation den Titel eines
ordentlichen Professors
In den 1970er
Jahren sank die Personalstärke auf 120-125 Mitarbeiter; auf
einen Soldaten kamen fünf Zivilbeschäftigte. Die militärischen
und zivilen Mitarbeiter des MGI mussten sich bereits seit Beginn
der 1960er Jahre einer militärischen Aus- und Weiterbildung
unterziehen, für die 45 Stunden im Jahr vorgesehen waren. Dazu
kamen sogenannte Gesellschaftswissenschaftliche
Weiterbildungen.
In dieser Zeit
orientierte sich das MGI in seiner Arbeit an der Entwicklung der
Geschichtswissenschaft in der DDR, den "Erfordernissen der
ideologischen Auseinandersetzung" und der Aufgabenstellung des
Verteidigungsministeriums hinsichtlich Aus- und Weiterbildung.
Die Forschungsarbeit konzentrierte sich, den
wissenschaftspolitischen Vorgaben folgend, auf das 19. und 20.
Jahrhundert. Dabei war der Handlungs- und Arbeitsspielraum wegen
der Einbettung des MGI in den staatlichen Apparat mit der
direkten Kontrolle durch die Politische Hauptverwaltung der NVA
begrenzt. Die Grundlage des wissenschaftlichen Arbeitens blieb
die marxistisch-leninistische Auffassung vom gesellschaftlichen
Fortschritt.
Thematisch deckte die Arbeit
der ersten Abteilung des MGI in den 1970/80er Jahren aber mehr
als das 19. und 20. Jahrhundert ab: Die Forschungsfelder
reichten vom Frühmittelalter über den preußisch-deutschen
Absolutismus und Militarismus, die preußischen Reformen, die
Unabhängigkeits- und Befreiungskriege, die Revolution 1848/49,
die preußisch-deutschen Einigungskriege bis hin zur Geschichte
der Militärpolitik der deutschen Arbeiterbewegung im 19.
Jahrhundert sowie zahlreichen Spezialarbeiten zu den beiden
Weltkriegen. Dazu gehörten die wissenschaftliche Lektorierung
des sowjetischen Werkes "Geschichte des zweiten Weltkrieges",
die Reihe "Kleine Militärgeschichte", zahlreiche
Dokumenteneditionen und die Herausgabe militärhistorischer
Schriften von Clausewitz, Gneisenau und Scharnhorst.
Die zweite Abteilung bearbeitete die Geschichte
der NVA und die Beziehungen der DDR-Streitkräfte zu anderen
Warschauer-Pakt-Staaten. Die am Institut entstandenen
Dissertationen widmeten sich in der Regel der Geschichte von
Institutionen, Formationen und Waffengattungen der NVA; in
diesem Rahmen wurde 1985 erstmals eine - von der Armeeführung
gewünschte - populärwissenschaftliche Gesamtdarstellung der
Geschichte der DDR-Streitkräfte mit dem Titel "Armee für Frieden
und Sozialismus" veröffentlicht.
Die
dritte Abteilung arbeitete auf der Grundlage westlicher Quellen
und Literatur an einer Militärgeschichte der Bundesrepublik und
in Kooperation mit Polen und der UdSSR an Projekten zur
NATO.
Mit konzeptionellen Überlegungen
begannen 1973 die Arbeiten am "Wörterbuch zur deutschen
Militärgeschichte", an dem ab 1975 180 Autoren, davon 62 aus dem
MGI, beteiligt waren und das Mitte der 1980er Jahre in zwei
Bänden erschien und international Beachtung und Anerkennung
fand. Ein für die 1990er Jahre konzeptioniertes vierbändiges
Projekt "Deutsche Militärgeschichte", das sogenannte Zentrale
Forschungsvorhaben 7, kam nicht mehr zum Abschluss.
Dass das MGI neuen methodischen Entwicklungen
durchaus aufgeschlossen gegenüber stand, zeigt die Einrichtung
einer Arbeitsgruppe Befragung/Erinnerungen im Jahr 1983.
Eine bedeutende Neuerung hinsichtlich seines
Funktionsumfangs im den Wissenschaftsbetrieb unterstützenden
Bereich erfuhr das Institut in den 1980er Jahren mit der
Einrichtung einer Dokumentationsstelle, in der 180 in- und
ausländische Zeitungen regelmäßig ausgewertet wurden; 120.000
Karteikarten lagen dort letztlich für die Benutzung vor.
Die Bibliothek war in der Zwischenzeit auf über
100.000 Bände mit militärhistorischer Spezialliteratur
angewachsen. Daneben existierte ein Lektorat, ein Schreib- und
ein Vervielfältigungsbüro.
Der Einfluss
von Glasnost auf die Geschichtswissenschaft der UdSSR färbte
verzögert auch auf die Arbeit des MGI ab und führte zur
kritischeren und offeneren wissenschaftlichen Diskussion und
Positionierung. Mit der politischen Wende brach Ende 1989 der
politische Einfluss auf das MGI weg, eine Neuorientierung
begann. Diese fand auch am Kopf des MGI statt: Generalmajor
Prof. Reinhard Brühl, der Ende 1961 von seinem Posten als
Lehrstuhlleiter Geschichte an der Militärakademie "Friedrich
Engels" zum Institut versetzt worden war, verabschiedete sich im
Sommer 1989 nach beinahe vier Jahrzehnten an der Spitze des
Instituts in den Ruhestand. An seine Stelle trat Oberst Prof.
Dr. Paul Heider.
Im Januar 1990 richtete
das MGI ein DDR-offenes Kolloquium zum Thema
"Militärgeschichtswissenschaft im Erneuerungsprozess. Probleme
der Forschung und Lehre" aus, bei dem erstmals eine offene
wissenschaftliche Diskussion stattfand und eine zukünftige
politische oder ideologische Einmischung in die
wissenschaftliche Arbeit ausgeschlossen wurde.
Im selben Jahr erschien die letzte eigenständige
Publikation des MGI zur proletarischen Militärpolitik von den
Anfängen der deutschen Arbeiterbewegung bis 1917 (Lampe, Jürgen:
Diesem System keinen Mann und keinen Groschen - Militärpolitik
der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung 1830-1917, Berlin
1990).
Leiter des MGI
1958-1961: Oberst Wolf Stern (1897-1961)
1961-1989: Generalmajor Reinhard Brühl (geb. 1924)
1989/1990: Oberst Paul Heider (geb. 1931)
Okt. 1990-Apr. 1991: Prof. Dr. Klaus-Peter
Meißner
Professorenberufungen am
MGI
1. Sept. 1970 Oberst Dr. R.
Brühl
1. Sept. 1975 Kapitän z. S. Dr. sc.
G. Glaser
1. Sept. 1977 Oberst Dr. sc. A.
Charisius
1. Sept. 1978 Oberst Dr. sc. G.
Förster
1. Sept. 1979 Dr. sc. H.
Otto
1. Sept. 1981 Dr. sc. K. Greese
(außerordentlicher Professor)
1. Sept.
1983 Oberst Dr. sc. H. Schnitter
1. Sept.
1987 Oberst Dr. sc. W. Hanisch (außerordentlicher
Professor)
Auflösung
Nach der Vereinigung der DDR mit der BRD begannen im Juli
1990 erste Gespräche des MGI mit dem Militärgeschichtlichen
Forschungsamt (MGFA), in denen Forschungskooperationen in
Aussicht gestellt wurden, zugleich aber auch die Notwendigkeit
eines Personalabbaus angekündigt wurde. Ende 1990 waren von den
117 Mitarbeitern des Jahres 1989 noch 36 Wissenschaftler und 49
Angehörige des Unterstützungsbereiches im Institut
verblieben.
Zum 1. Oktober 1990 setzte
das DDR-Ministerium für Abrüstung und Verteidigung
Oberstleutnant Prof. Dr. Klaus-Peter Meißner als Leiter des MGI
ein, er blieb auch nach der Auflösung der NVA in dieser Funktion
und schied Ende April 1991 auf eigenen Wunsch aus seinem Amt
aus. Ab diesem Zeitpunkt übernahm das MGFA die Leitung des
MGI.
Bereits seit dem 3. Oktober 1990 war
das Militärgeschichtliche Institut - der Zusatz "der DDR" wurde
an diesem Tag gestrichen - truppendienstlich und
verwaltungsrechtlich dem Bundeswehrkommando Ost unterstellt,
fachlich dem MGFA. Mit dieser Unterstellung waren nicht nur
Umstrukturierungen verbunden, ab diesem Tag stand dem damaligen
Institutsleiter auch Oberstleutnant i. G. Dr. Wedig Kolster
(MGFA) als Verbindungsmann zum Bundeswehrkommando Ost und zum
Amtschef des MGFA zur Seite.
Von dort
erhielten die Forscher des MGI nun zeitlich begrenzte Aufträge,
die im Kontext zu MGFA-Projekten standen. Nichtsdestoweniger war
die Abwicklung des MGI absehbar. Ende August 1991 verfügte das
Bundesministerium der Verteidigung die formale Auflösung des MGI
zum 1. September 1991. Aus arbeitsrechtlichen Gründen kam es
jedoch zu Verzögerungen, da ein Teil des Personals mit
längerfristigen Arbeitsverträgen ausgestattet war. Diese
Mitarbeiter wurden in einem MGI-Nachkommando zusammengefasst. Am
10. Dezember 1992 fand dann die offizielle Verabschiedung der 28
ehemaligen MGI-Mitarbeiter sowie der acht Angestellten und
Arbeiter aus dem Unterstützungsbereich statt, das Nachkommando
löste sich mit Wirkung zum 31. Dezember 1992 auf. Acht zivile
Mitarbeiter erhielten ab Jan. 1993 befristete Abschlussverträge
am MGFA, drei von ihnen Ende der 1990er Jahre Festverträge. Die
anderen Mitarbeiter waren in den Vorruhe- bzw. Ruhestand
versetzt worden. Auch aus dem Unterstützungsbereich wurden
ehemalige Angehörige des MGI in das MGFA übernommen.
Inhaltliche
Charakterisierung: Der Bestand deckt chronologisch wie
inhaltlich die Entwicklung und Tätigkeitsfelder des MGI ab und
gibt einen Eindruck von der Arbeitsweise eines
wissenschaftlichen Forschungsinstituts mit
ideologisch-propagandistischem Auftrag in der DDR.
Während die vollständig vorliegende Chronik ein
konsistentes Bild von den organisatorischen und operativen
Vorgängen im MGI zeichnet, erlauben die Unterlagen, welche die
Organisation und Planung betreffen, Entwicklungen und Vorgänge
und die ihnen zugrundeliegenden politischen und internen
Grundlagen nachzuvollziehen. In der Chronik finden sich neben
Tätigkeitsberichten und Protokollen auch Auflistungen von
Beförderungen, Auszeichnungen, Stärkemeldungen und Listen der
Leitenden Kader. Grundlage für die Chroniken waren die
sogenannte Auswertungen der Ausbildungsjahre.
In den Unterlagen zur Organisation und Planung finden sich
für das später aus der Unterstellung unter das IDMG
herausgelöste Deutsche Armeemuseum und das Militärarchiv
Unterlagen aus der Gründungszeit, die wichtige
institutionengeschichtliche Hinweise geben.
Den größten Umfang haben die Unterlagen mit
wissenschaftlichem Bezug. Die sozialistischen Verfahren
nachvollziehend, geben sie Auskunft über verschiedene
Planungsstadien - von der Perspektivplanung bis hin zur den
Projektphasen nachgeordneten Analyse und Auswertung. Darüber
hinaus finden sich im Bestand verschiedene Manuskripte, welche
die Umsetzung der Forschungskonzepte und Pläne sichtbar machen.
Unter diesen sticht eine Studie zum Einsatz der NVA beim
sogenannten Mauerbau hervor (siehe BArch DVP 3-1/230 und DVP
3-1/230a bzw. DVP 3-1/231 und DVP 3-1/231a).
Auch die verwaltungstechnischen und wissenschaftlichen
Facetten eines Forschungs- und Hochschulbetriebs werden
abgebildet: von der Arbeit in Kommissionen über
wissenschaftliche Kooperationen, Berufungen und Abberufungen von
Professoren, Promotionsverfahren, Studiengänge bis zur Gründung
und Herausgabe der Zeitschrift "Militärgeschichte". Eine
zentrale Rolle spielte hierbei der Wissenschaftliche Rat (im
April 1968 als Wissenschaftlicher Beirat konstituiert), dem der
Minister für Hoch- und Fachhochschulwesen am 1. September 1969
das Promotionsrecht verliehen hatte, mit einer umfangreichen
Protokollsammlung.
Die DDR-Routinen haben
ihre Spuren im Schriftgut hinterlassen, ein ausgiebiges
Berichts- und Protokollwesen durchzieht die Überlieferung. Für
sozialstrukturelle Auswertungen sind die umfangreichen Akten zu
Promotionsverfahren von besonderer Qualität, die jedoch aufgrund
ihres personenbezogenen Charakters einer eingeschränkten
Benutzung unterliegen. Ähnliches gilt für die Überlieferung zu
den Diplomlehrgängen.
Ein weiterer
bedeutender Bereich der wissenschaftlichen Arbeit betrifft die
Beziehungen ins Ausland. So sind die Besuche bei
wissenschaftlichen Konferenzen umfassend und im Regelfall in
Berichten dokumentiert sowie z. T. mit Referats- und
Vortragstexten ergänzt. Dieses Schriftgut gibt nicht nur
Aufschluss über die wissenschaftlichen Veranstaltungen, sondern
vor allem auch über die Sicht des MGI auf den internationalen
wissenschaftlichen Diskurs. Das Material zu in der DDR
durchgeführten Kolloquien gleicht dem zu internationalen
Veranstaltungen und wird z. T. durch Berichte über Besucher bzw.
Besuchergruppen ergänzt. Dazu tritt die - je nach Land mehr oder
weniger ausgeprägte - Korrespondenz mit dem westlichen, vor
allem aber mit dem sozialistischen Ausland bzw. seinen Armeen,
oft auf konsultatorischer Ebene.
Die
Archivalien zur Politischen Arbeit befassen sich intensiv mit
dem Bereich der Leitungstätigkeit und ihrer Abstimmung mit den
politischen Leitlinien. Darüber hinaus sind sogenannte
Parteigruppenbücher überliefert, in denen Sitzungen
verschiedener Abteilungen handschriftlich protokolliert wurden.
Sie machen das politische Leben im beruflichen Kontext in
höchster Auflösung sichtbar.
Befehle und
Anordnungen des Direktors, die eine normative Einordnung der in
den Akten nachvollziehbaren Strukturen und Handlungen
ermöglichen, ergänzen den Bestand ebenso wie Unterlagen zur
Finanzplanung bzw. Haushaltsführung.
Erschließungszustand:
Findbuch
Vorarchivische Ordnung:
Die Akten wurden direkt an das Militärarchiv abgeliefert und
dort erschlossen. Auf Grund der gemeinsam genutzten Liegenschaft
ist aber ein großer Teil der Unterlagen noch in den
Registraturen des Instituts verblieben, so dass erst die
Unterlagen zwischen 1958 und 1967 archivisch bearbeitet sind.
Entsprechend der Tektonik des Militärarchivs Potsdam tragendie
Akten noch die Signaturen VA-P-01/...
Zitierweise: BArch DVP
3-1/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch DVP 3-1
- Umfang
-
333 Aufbewahrungseinheiten; 9,0 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Deutsche Demokratische Republik mit sowjetischer Besatzungszone (1945-1990) >> Verteidigung >> Ministerium für Nationale Verteidigung und Nationale Volksarmee >> Ministerium für Nationale Verteidigung >> Politorgane
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: - DVW 1 Ministerium für Nationale Verteidigung
- DVP 1 Politische Hauptverwaltung
- DVP 3-4 Armeemuseum der DDR
- DVW 3-3 Militärarchiv der DDR
Literatur: Angelow, Jürgen: Forschung in ungelüfteten Räumen. Anmerkungen zur Militärgeschichtsschreibung der ehemaligen DDR, in: Kühne, Thomas/Ziemann, Benjamin (Hg.): Was ist Militärgeschichte?, Paderborn u. a. 2000, S. 73-89.
Beth, Hans-Joachim: Die Entwicklung der marxistisch-leninistischen Militärgeschichtsschreibung der DDR von ihren Anfängen bis zum VIII. Parteitag der SED (1971), Phil. Diss., Potsdam 1984 (unveröff.).
Ders. (Hg.): Zeitschrift „Militärgeschichte". Bibliographisches Gesamtregister 1962-1990, Berlin 2000.
Beth, Hans-Joachim/Brühl, Reinhard/Dreetz, Dieter (Hg.): Forschungen zur Militärgeschichte. Probleme und Forschungsergebnisse des Militärgeschichtliches Instituts der DDR, Berlin 1998.
Brühl, Reinhard: Politik und Militärgeschichtsschreibung in der DDR, in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien (13/1998), S. 23-36.
Dreetz, Dieter (Hg.), MGI. 1958-1990/92. Militärgeschichtliches Institut der DDR. Einführungen - Chronik - Erinnerungen, Berlin 2007.
Wenzke, Rüdiger: Zwischen Propaganda und Forschung - Das militärgeschichtliche Institut der DDR, in: Duppler, Jörg/Ehlert, Hans/Lang, Arnim (Hg.), Die Villa Ingenheim in Potsdam, Berlin 2009, S. 82-107.
Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, Berlin (Ost) 1985.
- Provenienz
-
Militärgeschichtliches Institut der DDR (MGI), 1958-1991
- Bestandslaufzeit
-
1958-1991
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Zugangsbeschränkungen
-
Besondere Benutzungsbedingungen: Die Benutzung unterliegt der dreißigjährigen gesetzlichen Schutzfrist und der Beachtung von Persönlichkeitsschutzrechten Betroffener und schutzwürdigen Belangen Dritter.
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
Bundesarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Militärgeschichtliches Institut der DDR (MGI), 1958-1991
Entstanden
- 1958-1991