Bestand
Seydlitz-Kurzbach, Walther von (General der Artillerie) (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Walther von Seydlitz-Kurzbach
geb.: 22.8.1888
in Hamburg
gest.: 28.4.1976 in Bremen
Lebenslauf Walther von Seydlitz-Kurzbach
Walther von Seydlitz-Kurzbach wurde am 22. August
1888 in Hamburg als Sohn eines Generalleutnants der Königlich
Preußischen Armee geboren. Er stammte aus dem Geschlecht der Herren
und Freiherren von Seydlitz, das Anfang des 13. Jahrhunderts erstmals
erwähnt wird. Zahlreiche Angehörige der Familie hatten in der
preußischen Armee gedient, besonders bekannt ist der Reitergeneral
Friedrich Wilhelm von Seydlitz-Kurzbach (1721 - 1773), General der
Kavallerie unter König Friedrich dem Großen.
Seydlitz besuchte verschiedene Schulen in den Garnisonsstädten
seines Vaters, legte das Abitur ab und trat am 18. September 1908 als
Fahnenjunker in das 2./ Feldartillerie Regiment Nr. 36 in Danzig ein.
1910 wurde er zum Leutnant befördert.
Im Ersten
Weltkrieg wurde sein Regiment zuerst in Ostpreußen eingesetzt, bevor
es 1916/1917 an der Somme und bei Kämpfen an der Siegfriedstellung
verwendet wurde. Gegen Ende des Krieges 1918 wurde das Regiment wieder
nach Osten in die Nähe von Danzig verlegt.
Nach
Gründung der Reichswehr war er 1919 Adjutant der 36.
Feldartillerie-Brigade in Danzig, die für den Grenzschutz Ost
eingesetzt wurde. Von 1920 bis 1922 war Seydlitz Regimentsadjutant in
Schwerin, am 3. Januar 1922 heiratete er seine Frau Ingeborg von
Seydlitz-Kurzbach, Tochter des Chirurgen Arthur Barth. Nach
Verwendungen als Chef einer Ausbildungsbatterie in Schwerin (1925) und
als Adjutant des Chefs des Heeres-Waffenamtes (1929) wurde er 1933
Kommandeur der IV. Abteilung des berittenen Artillerieregiments in
Verden/Aller. 1936 wurde er, mit gleichzeitiger Ernennung zum Oberst,
Kommandeur des, ebenfalls in Verden, neu aufgestellten
Artillerieregiments 22 der 22. Infanteriedivision.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde sein Regiment in der
Eifel eingesetzt. Doch schon Ende September 1939 wurde er zum
Artilleriekommandeur 102 in Potsdam ernannt. Diese Funktion bekleidete
Seydlitz aber nur bis Anfang März 1940, danach wurde er Kommandeur der
12. Infanteriedivision. Im Mai 1940 wurde die Division in Frankreich
eingesetzt. Seine Division blieb als Besatzungstruppe in Frankreich,
bis sie im Juni 1941 nach Osten verlegt wurde und beim Angriff auf die
Sowjetunion im Rahmen der 16. Armee eingesetzt wurde. Im März 1942
wurde er Führer der „Gruppe Seydlitz", die den Auftrag hatte, den
Kessel von Demjansk zu öffnen („Unternehmen Brückenschlag"). Ende
April gelang der Entsatz und am 1. Juni 1942 folgte seine Ernennung
zum kommandierenden General des LI. Armeekorps, verbunden mit der
Beförderung zum General der Artillerie. Das LI. Armeekorps war der 6.
Armee unterstellt, dessen Oberbefehlshaber General Friedrich Paulus
war. Ab September 1942 wurde das Korps beim Kampf um Stalingrad im
Schwerpunkt des Angriffs auf die Stadt eingesetzt. Nach der
Einschließung der 6. Armee am 22. November 1942 setzte sich Seydlitz
nachdrücklich für den Ausbruch aus dem Kessel ein, notfalls auch gegen
den Befehl Hitlers. Am 31. Januar 1943 geriet er in sowjetische
Kriegsgefangenschaft.
In Gefangenschaft war
Seydlitz maßgeblich an der Gründung des „Bundes Deutscher Offiziere"
(BDO) im Gefangenenlager Lunjowo bei Moskau beteiligt („Haus Lunjowo")
und wurde dessen Präsident. Zwei Monate nach seiner Gründung schloss
sich der BDO dem „Nationalkomitee Freies Deutschland" (NKFD) an. Dies
war ein Zusammenschluss kriegsgefangener deutscher Soldaten, Offiziere
und deutscher Exilkommunisten in der Sowjetunion, welche sich als Ziel
den Kampf gegen den Nationalsozialismus und Hitler gesetzt hatten. Mit
Lautsprecheraufrufen, Flugblättern und sogar Rundfunkansprachen rief
das NKFD zum Widerstand gegen Hitler und den Krieg auf. Seydlitz
plante zeitweilig, eine 40.000 Mann starke Armee aus freiwilligen
deutschen Kriegsgefangenen aufzustellen, die die Rote Armee bei ihrem
Kampf gegen Nazi-Deutschland unterstützen sollte. Die sowjetische
Führung verfolgte diese Überlegungen nicht weiter.
Wegen seines Engagements in Kriegsgefangenschaft wurde er am 3.
Juni 1944 in einem Verfahren vor dem Reichskriegsgericht in
Abwesenheit zum Tode verurteilt. Seine Familie wurde in Sippenhaft
genommen, die Ehefrau musste sich von ihm scheiden lassen und zwei der
insgesamt vier Töchter kamen in ein Heim.
Die
veränderte Ausrichtung der sowjetischen Deutschlandpolitik brachte
Seydlitz in Konflikt zur Führung in Moskau. Seine Entlassungsgesuche
in die SBZ / DDR wurde abschlägig beschieden; stattdessen wurde er am
8. Juli 1950 wegen (vorgeblich) verbrecherischer Handlungen während
des Krieges zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde unmittelbar danach
in 25 Jahre Zwangsarbeit umgewandelt. Am 16. Oktober 1955 wurde
Seydlitz in die Bundesrepublik entlassen und kehrte nach Verden
zurück, wo seine Frau und die vier Töchter seit 1933 lebten.
1956 wurde das Todesurteil des Reichskriegsgerichts
vom Landgericht Verden aufgehoben und die Zwangsscheidung rückgängig
gemacht.
Auch nach der Heimkehr polarisierte
Seydlitzs Engagement sehr. Seine Kriegsdienstbeschädigung wurde erst
1965 vollständig anerkannt, seinen angekündigten Einstieg in die
Politik unterließ er, weil viele Heimkehrer die Mitgliedschaft im NKFD
als Verrat am Vaterland bewerteten. In seinen letzten Jahren fungierte
er als Quellengeber und Zeitzeuge für viele Historiker und
Buchautoren, aber auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Walther von Seydlitz starb am 28. April 1976 im Alter
von 88 Jahren in Bremen. Seine Memoiren erschienen, wie von ihm
gewünscht, erst nach seinem Tod 1977 im Stalling-Verlag Oldenburg. Am
23. April 1996 wurde das sowjetische Todesurteil vom 8. Juli 1950 von
der Generalstaatsanwaltschaft Moskau posthum aufgehoben.
Beförderungen:
22. 05. 1909
Fähnrich
27. 01. 1910 Leutnant
1915 Oberleutnant
18. 04. 1917
Hauptmann
01. 04. 1930 Major
01. 04. 1934 Oberstleutnant
01. 03. 1936
Oberst
01. 12. 1939 Generalmajor
01. 12. 1941 Generalleutnant
01. 12. 1942 General der Artillerie
Auszeichnungen:
19. 09. 1914 Eisernes
Kreuz II. Klasse
21. 10. 1915 Eisernes Kreuz I.
Klasse
21. 01. 1918 Hanseatenkreuz
03. 03. 1918 Verwundetenabzeichen II für 3-malige
Verwundung
16. 10. 1918 Ritterkreuz des
Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern
15. 11. 1934 Ehrenkreuz für Frontkämpfer
02. 10. 1936 Wehrmacht-Dienstauszeichnung IV. bis I.
Klasse
17. 05. 1940 Eisernes Kreuz II.
Klasse
27. 05. 1940 Eisernes Kreuz I.
Klasse
15. 08. 1940 Ritterkreuz des Eisernen
Kreuzes
31. 12. 1941 Eichenlaub zum Ritterkreuz
des Eisernen Kreuzes
Bearbeitungshinweis: 2014 hat
das Bundesarchiv die Originale verfilmen lassen. Die Originale
befinden sich noch nicht im Bundesarchiv.
Inhaltliche Charakterisierung:
Aufzeichnungen, Ausarbeitungen und andere Unterlagen über den Krieg
gegen die Sowjetunion, aus der sowjetischen Gefangenschaft sowie über
die Mitgliedschaft im Nationalkommitee Freies Deutschland (NKFD) und
im Bund Deutscher Offiziere (BDO)
Zitierweise: BArch N
55/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch N 55
- Umfang
-
133 Aufbewahrungseinheiten; 1,1 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Nachlässe und Sammlungen >> Nachlässe >> S
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: PERS 6/328 und PERS 6/300629: Personalakten
B 205/143: Korrespondenz mit der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte
Bundesarchiv Koblenz, Akte: B 305/36320
Literatur: Warth, Julia: Verräter oder Widerstandskämpfer? Wehrmachtsgeneral Walter von Seydlitz-Kurzbach. Oldenbourg Verlag, 2006.
- Provenienz
-
Seydlitz-Kurzbach, Walther von, 1888-1976
- Bestandslaufzeit
-
1914-1973
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Zugangsbeschränkungen
-
Besondere Benutzungsbedingungen: Die Akten N 55/1-61 sind unter Beachtung von Urheberrechten und personenbezogenen Schutzfristen frei benutzbar. Es bestehen keine Besonderen Benutzungsbedingungen.
Die Akten N 55/65-145 liegen nur als Mikrofilme vor. Die Originale befinden sich noch beim Eigentümer. Für die Benutzung der Mikrofilme muss die vorherige Zustimmung des Eigentümers eingeholt werden.
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
Bundesarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Seydlitz-Kurzbach, Walther von, 1888-1976
Entstanden
- 1914-1973