Bestand
Zentrale Moorkommission (Bestand)
Findmittel: Datenbank; Findbuch, 1 Bd.
Zur Behörde:
Die preußischen Moorgebiete gehörten zu den letzten ursprünglichen Lebensräumen, die für die landwirtschaftliche Kolonisation und Siedlung gewonnen werden konnten. Frühere Versuche, diese Räume wirtschaftlich zu nutzen, beschränkten sich vor allem auf die Torfgewinnung und die Viehweide. Ackerbau war nur in kurzlebigen Kulturen (Buchweizen) nach Abbrennen der oberen Moorschichten möglich. Eine ausgeprägte Moorkultur, wie die holländische Fehnkultur, gab es in Preußen nur an einigen Stellen. Bei ersten Kolonisierungsversuchen im 18. Jahrhundert während der Zugehörigkeit Ostfrieslands zu Preußen wurden zwar einige Moorsiedlungen begründet, zu einem umfassenden Ausbau bzw. einer umfassenden Moorkultivierung kam es jedoch noch nicht. Nach der Angliederung des Königreiches Hannover an Preußen als preußische Provinz 1866 wurden die Kultivierungsanstrengungen verstärkt wieder aufgenommen. Der Anschub zur Verstärkung der Kolonisierungstätigkeit kam aus zwei Richtungen: Zum einen aus dem Kampf gegen das schädliche "Moorbrennen" sowie zum anderen aus den stark wachsenden Bevölkerungszahlen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Moorbrennen war eine althergebrachte und weit verbreitete Nutzungsmethode, die allerdings nur kurzfristige Kultur ermöglichte und zudem unangenehme bis schädliche Auswirkungen hatten. Beim Moorbrennen wird die obere Vegetationsschicht abgebrannt und dann für einige, i.d.R. drei Jahre in Kultur genommen. Der dabei entstehende Rauch konnte Hunderte von Kilometern weit ziehen und in weit entfernten Gebieten niedergehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Vereine, die sich gegen das Moorbrennen engagierten, andere Kultivierungsmethoden fördern wollten und dabei die Zusammenarbeit mit den Behörden suchten. Zudem nahmen sich auch die zahlreichen landwirtschaftlichen Zentral- und Provinzialvereine der Problematik an. Steigende Bevölkerungszahlen führten nicht nur zu einem direkten Siedlungsdruck in den ländlichen Gebieten, sondern insbesondere auch zu einem erheblichen Bedarfszuwachs an landwirtschaftlichen Produkten, v.a. Getreide, aber auch Grünfutter für die tierische Produktion. Die landwirtschaftliche Produktion konnte zu einem Teil durch verbesserte Düngungs- und Anbaumethoden gesteigert werden, zum anderen aber traten nun auch die bislang weitgehend unkultivierten Moor- und Ödlandgebiete in den Blickpunkt. Zudem war im Zuge der Zeit seit einigen Jahrzehnten die Verwissenschaftlichung der Landwirtschaft weiter fortgeschritten. So zeigte das landwirtschaftliche Versuchswesen mit Blick auf bestimmte Spezialgebiete wie Obst- und Weinbau, Zuckerrübenanbau, Tierzucht schon länger bedeutende Erfolge. Daher lag die Ausdehnung des Versuchswesens auf die Moorkultur nahe. Da die nordwestdeutschen Moorgebiete zu den ausgedehntesten im Deutschen Reich zählten, bemühte sich Preußen von Anfang an um eine Kooperation mit der Freien Hansestadt Bremen und dem Großherzogtum Oldenburg. Im April 1876 trat auf preußische Initiative eine Vorbereitende Konferenz mit Behördenvertretern aller drei Staaten sowie Vertretern aus Landwirtschaft und Wissenschaft in Berlin zusammen. Preußisches Mitglieder waren der Generalsekretär des Landesökonomiekollegiums und spätere Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Dr. Hugo Thiel (1839-1918) und als Leiter der Konferenz der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat und spätere Unterstaatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Dr. Eduard Marcard (1826-1892). Die Konferenz fasste den Beschluss, eine ständige Zentrale Moorkommission mit Sitz in Berlin zu begründen, der drei Vertreter Preußens sowie je ein Vertreter Bremens und Oldenburgs angehören sollen. Oldenburg allerdings zog nach der ersten Sitzung im August 1876, vor allem aus finanziellen Gründen, seinen Vertreter zurück und trat der Kommission erst 1895 wieder bei. In der Geschäftsordnung von 17.2.1893 wurde der Zuständigkeitsbereich der Kommission auf die Kulturverbesserung auch der leichten Sandböden ausgedehnt. Die Kommission sollte ihre Aufgaben "in freier Vereinstätigkeit" lösen und "zu diesem Zwecke sich vorzugsweise auf die Mitwirkung der landwirtschaftlichen Vereine" stützen. Daher gehörten der Kommission Vertreter von landwirtschaftlichen Organisationen bzw. bekannte Moorkultivatoren wie Rimpau oder Graf Landsberg an. Die Zentrale Moorkommission tagte zweimal jährlich, wobei die eine Tagung im Sommer als mehrtägige wissenschaftliche Besichtigungsreise zu verschiedenen Moorgebieten durchgeführt wurde, die andere Tagung im Winter zur Auswertung der Reiseerfahrungen und zur Vorstellung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse bzw. Tätigkeitsberichte der Moorversuchsstation in Berlin stattfand. Vorsitzender und preußische Mitglieder der Zentralen Moorkommission wurden vom Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten ernannt. Der Leiter der Vorbereitenden Konferenz, Marcard, hatte den Vorsitz bis 1895 inne. Auf ihn geht die Namensgebung Marcardsmoor für eine Moorfläche und -siedlung beim Wiesmoor in Ostfriesland zurück. Im Jahr 1895 übernahm der Ministerialdirektor im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat v. Sterneberg, die Leitung der Zentralen Moorkommission. Er wurde ebenfalls mit einer Namensgebung geehrt: Der Gutsbezirk Hochmoor im Regierungsbezirk Stade erhielt den Namen Groß-Sterneberg. Sternebergs Nachfolger wurde 1904 Hugo Thiel, der schon bei der Begründung der Kommission maßgeblich beteiligt war. Auf Thiel folgte 1912 der Ministerialdirektor, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Wesener; diesen löste 1922 Dr. Ramm, Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten ab, dem 1930 Dr. Krüger, ebenfalls Staatssekretär, folgte. Die praktisch-wissenschaftliche Tätigkeit und Untersuchung der Kulturbedingungen wurde in der Moorversuchstation in Bremen geleistet, deren Begründung bereits auf der Vorbereitenden Konferenz beschlossen wurde. Ein weiteres wesentliches Aufgabengebiet bildete die Kartierung der Moorgebiete unter Klassifizierung nach Bodenbeschaffenheit. Die Moorversuchsstation in Bremen erhielt ihre Geschäftsgrundlage gemäß dem Vertrag zwischen der Zentral-Moorkommission und dem naturwissenschaftlichen Verein in Bremen über die lokale Leitung und finanzielle Geschäftsführung der Moor-Versuchsstation in Bremen vom 17.2.1877. Die Freie Stadt Bremen stellte Gelände und Gebäude. Als Leiter der Moorversuchsstation wurde der Chemiker und Leiter der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Bonn, Dr. Moritz Fleischer (1843-1927) berufen. Er legte einen wissenschaftlichen Arbeitsplan vor. Die Moorversuchsstation sollte demnach zum einen landwirtschaftliche Versuchsanlagen aufbauen und betreuen, zum anderen eigene Grundlagenforschung im Bereich der chemischen Bodenanalyse und der Botanik betreiben. Dr. Fleischer wird 1891 zum Professor für Chemie an die Landwirtschaftliche Hochschule Berlin berufen. 1898 trat er als Vortragender Rat im Rang eines Wirklichen Geheimen Oberregierungsrates in das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und 3Forsten ein. Sein Nachfolger in Bremen wurde der bisherige Laborvorsteher Dr. Bruno Tacke, wobei Prof. Fleischer weiterhin die wissenschaftliche Oberleitung von Berlin aus oblag. Die Moorversuchsstation gründete und betrieb eine landwirtschaftliche Versuchabteilung in Lingen und später auch in Aurich. Stationsleiter in Lingen wurde bisherige landwirtschaftliche Leiter der Bremer Moorversuchsstation, Dr. Salfeld, der bereits 1905 verstarb. Dessen Nachfolger wurde der bisherige Winterschuldirektor Dr. Müller aus Stade. Die Kultivierung v.a. der nordwestdeutschen Moore ging Hand in Hand mit dem Ausbau der Wasserwege. Besonders bedeutend wurde der 1880-1888 errichtete Ems-Jade-Kanal. In ihn entwässerten eine Reihe von Moorkanälen. Auf diese Weise wurde die für die deutsche Hochmoorkultur typische Entwässerung ohne die für die Fehnkultur übliche Abtorfung erreicht. Anschließend erfolgte eine Kalkung und der Einsatz von Kunstdünger. Dieses Verfahren erlaubte eine größerflächige Kultivierung. Maßgeblich war dabei aber die Verwendung von Kunstdünger. Die Düngemittel- wie überhaupt die chemische Industrie erlebte ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einen rasanten Aufschwung. Es kann wohl vermutet werden, dass die sehr große Fluktuation in der Besetzung der chemischen Assistentenstelle der Moorversuchsstation durch den Wechsel der jungen Assistenten nach kurzer praktischer Tätigkeit in lukrative Stellungen in der aufblühenden chemischen Industrie verursacht war. Eine dauerhafte Umwandlung in Ackerland konnte aber auch mit diesen wissenschaftlich fundierten Methoden nicht erreicht werden. Die größte Teil der kultivierten Moorflächen wurde nach und nach als Grünlandweide genutzt. Diese Nutzung herrscht bis heute vor, wenn nicht sogar heutzutage im Zuge des Umwelt- und Naturschutzes aktiv die Rekultivierung der Moore betrieben wird. Die Zentrale Moorkommission bestand, zuletzt nur noch formell, bis zum Jahr 1938. Im Handbuch über den preußischen Staat (Staatskalender) ist sie bis 1931 mit Nennung des Vorsitzenden (Krüger) und der Mitglieder aufgeführt. Von 1934 (in den Jahrgängen 1932 und 1933 ist der Staatskalender nicht erschienen) bis 1938 wird die Kommission in den Staatskalendern mit dem Zusatz Mitglieder z.Zt. nicht ernannt gelistet, ab 1939 fehlt sie ganz. Die Moorversuchsstation in Bremen dagegen hat unter dem Stationsleiter Dr. Brüne weiter Bestand.
Zum Bestand:
Aufgrund der Lückenhaftigkeit der Überlieferung der Dienstregistratur des Geheimen Staatsarchivs vor 1945 konnte nicht ermittelt werden, wann und in welchem Zusammenhang der Bestand in das Geheime Staatsarchiv gelangt ist. Möglicherweise erfolgte eine Abgabe im Zusammenhang mit der Auflösung der Behörde. Die Akten des Bestandes GStA PK, I. HA Rep. 87 Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zur Zentralen Moorkommission reichen nur bis zum Jahr 1916, die zur Moorversuchsstation Bremen bis 1923 und geben keine Auskunft über die Einstellung der Tätigkeit. Infolge der 1934 erfolgten Zusammenlegung des preußischen Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten mit dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft könnte eine diesbezügliche Überlieferung in den Beständen des Bundesarchivs zu vermuten sein. Nach der im Zentralen Staatsarchiv Merseburg erfolgten Verzeichnung wurde die Überlieferung als weitere Unterrepositur der Rep. 164 angegliedert, für die bereits laut Beständeübersicht von 1934 die Belegung mit dem Bestand Landesökonomiekollegium vorgesehen war. Durch die Angliederung weiterer Unterreposituren erhielt der Bestand Landesökonomiekollegium den Zusatz A, für die Zentrale Moorkommission wurde der Zusatz G vergeben. Weitere Unterreposituren sind: GStA PK, I. HA Rep. 164 B Preußische Hauptlandwirtschaftskammer, GStA PK, I. HA Rep. 164 C Landesschätzungsamt, GStA PK, I. HA Rep. 164 E Technische Deputation für das Veterinärwesen und GStA PK, I. HA Rep. 164 K Landesanstalt für Gewässerkunde und Hauptnivellements. Die Überlieferungen weiterer Spezialbehörden im Ressort des Landwirtschaftsministeriums, der Siedlungsvermittlungsstelle und der Ödlandkulturstelle wurden aber dem Ministerialbestand als Rep. 87 F I und Rep. 87 F II zugeordnet. Angesichts der Tatsache, dass die Zentrale Moorkommission eine zwar ressortgebundene aber eigenständige Institution mit durchaus behördlichem Charakter darstellte und als solche auch im Staatskalender geführt wurde, wird die Aufstellung als Unterrepositur GStA PK, I. HA Rep. 164 G Zentrale Moorkommission weiterhin beibehalten.
Der Bestand umfasst 36 Verzeichnungseinheiten und belegt 2,5 m Magazinfläche. Er lagert im Außenmagazin. Für die Zitierweise gilt: GStA PK, I. HA Rep. 164 G Zentrale Moorkommission, Nr. . Für Anforderungen aus dem Magazin (gelbe Bestellzettel) genügt: I. HA Rep. 164 G, Nr. Weitere Akten zur Moorkultivierung befinden sich in der Aktengruppe Moorkultur der Abt. F im Bestand GStA PK, I. HA Rep. 87 Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, darunter: Zentrale Moorkommission in Berlin, Bd. 1-2, 1876-1916 und Moorversuchsstation in Bremen, Bd. 1-11, 875-1923 (GStA PK, I. HA Rep. 87 Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, F Nr. 4813-4814 und Nr. 4802-4812).
Berlin, im November 2006
Christiane Brandt-Salloum, AAR
Zitierweise: GStA PK, I. HA Rep. 164 G
- Bestandssignatur
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Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 164 G
- Umfang
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Umfang: 2 lfm (36 VE); Angaben zum Umfang: 2 lfm (36 VE)
Vollständig in Datenbank erfasst
- Sprache der Unterlagen
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deutsch
- Kontext
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Tektonik >> STAATSOBERHAUPT UND OBERSTE STAATSBEHÖRDEN, MINISTERIEN UND ANDERE ZENTRALBEHÖRDEN PREUSSENS AB 1808 >> Wirtschaft und Verkehr >> Landwirtschaft und Forsten
- Bestandslaufzeit
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Laufzeit: 1779 - 1925
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
28.03.2023, 08:52 MESZ
Datenpartner
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- Laufzeit: 1779 - 1925