Bestand
Sammlung zum Kriegsgefangenenwesen seit 1867 ("Elsa-Brändström-Gedächtnisarchiv") (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Die Geschichte des Kriegsgefangenenwesens ist vor allem eine
Geschichte des Zeitalters der Weltkriege. Seit den Napoleonischen
Kriegen hatten nur kurze, regional begrenzte kriegerische Konflikte
stattgefunden, ohne dass eine größere Zahl von kriegsgefangener
Soldaten von der gegnerischen Gewahrsamsmacht längere Zeit
festgehalten wurden. Erstmals im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71
wurde eine große Zahl französischer Soldaten längerfristig in
Kriegsgefangenenlagern untergebracht. Zugleich bedeutete die Haager
Landkriegsordnung von 1907 einen tiefen Wandel im bisherigen
Kriegsgefangenenwesen, verpflichtete es doch die Gewahrsamsmacht und
karitative Organisationen zu Fürsorge und Engagement gegenüber den
Kriegsgefangenen.
Im Verlauf des Ersten
Weltkrieges gerieten etwa 170.000 Reichsdeutsche sowie Hunderttausende
österreichischer Soldaten in russische Kriegsgefangenschaft, aus der
sie erst zu Beginn der 1920er Jahre zurückkehrten. Im Verlauf der
Jahre 1939 bis Anfang 1956 befanden sich insgesamt über 11 Millionen
deutsche Soldaten, praktisch jeder den Krieg überlebende
Wehrmachtsoldat, in Kriegsgefangenschaft (USA 3,09 Mio., Sowjetunion
3,06 Mio., Großbritannnien 3,63 Mio., Frankreich 0,94 Mio. sowie
mehrere Hunderttausend in tschechoslowakischem, polnischem,
jugoslawischem, luxemburgischem, belgischem und niederländischen
Gewahrsam).
Die Kriegsgefangenschaft war ein
zentraler Bestandteil des Kriegserlebnisses des Großteils der
wehrpflichtigen männlichen Bevölkerung Deutschlands und bedeutete
einen tiefen Einschnitt in den individuellen Biographien der
Betroffenen wie auch im kollektiven Selbstbewusstsein der jeweiligen
Betroffenengeneration.
In der Geschichte der
deutschen Kriegsgefangenen des Ersten Weltkrieges nimmt Elsa
Brändström (1888-1948), der "Engel von Sibirien", eine besondere
Stellung ein. Die schwedische Philantropin hatte als Delegierte des
schwedischen Roten Kreuzes maßgeblichen Anteil an der medizinischen
Grundversorgung der Kriegsgefangenen in russischem Gewahrsam beteiligt
war. In dem von ihr errichteten Hilfswerk wirkten insbesondere die
Rotkreuz-Angehörigen Anni Rothe, Alexandrine Gräfin Uexküll, Magdalene
von Walsleben, Annemartie Wenzel und Pastor Eduard Juhl mit. Zwischen
1920 und 1933 gründete Elsa Brändström Einrichtungen für
Kriegsheimkehrer und Kriegswaisen. 1933 emigrierte sie in die USA, von
wo aus sie bis zu ihrem Tode karitativ weiterwirkte.
Bestandsbeschreibung: Elsa
Brändström übergab ihren Nachlass über die Frühzeit des
Kriegsgefangenenwesens dem 1937 eingerichteten Heeresarchiv, wo die
Unterlagen infolge des Luftangriffs am 14. April 1945 vernichtet
wurden. Zu Ehren Elsa Brändströms erhielt der Bestand MSG 200 die
Zusatzbezeichnung "Elsa Brändström-Gedächtnisarchiv".
Inhaltliche Charakterisierung:
Im Wesentlichen fasst die Sammlung Selbstzeugnisse und Dokumente
verschiedenster Art aus der Hinterlassenschaft ehemaliger deutscher
Kriegsgefangenschaft beider Weltkriege zusammen.
Ein kleinerer Teil des Bestandes umfasst auch Unterlagen zur
Person der Namensgeberin und ihres Wirkens.
Der
Bestand wird kontinuierlich weiter ergänzt.
Zitierweise: BArch MSG
200/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch MSG 200
- Umfang
-
2504 Aufbewahrungseinheiten; 22,5 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Nachlässe und Sammlungen >> Sammlungen >> Militärgeschichtliche Sammlungen
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: N 878 Nachlass Brändström, Elsa
Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Ersten Weltkrieges: Bundesarchiv Berlin, Abteilung Reich: Bestand R 67 Archiv für deutsche Kriegsgefangene des Frankfurter Vereins vom Roten Kreuz und für Kriegsgefangenenforschung
Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges einschließlich ihrer Interessenvertretung in der Nachkriegszeit:
B 433 (Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V.)
B 205 (Wissenschaftliche Kommission für die Dokumentation des Schicksals der deutschen Gefangenen des Zweiten Weltkriegs, sog. Maschke-Kommission)
MSG 194 Evangelisches Hilfswerk für Internierte und Kriegsgefangene e.V.
Darüber hinaus wird die Kriegsgefangenschaft deutscher Soldaten in zahlreichen Ego-Zeugnissen im Bestand MSG 2 (Selbstzeugnisse deutscher Militärangehöriger) sowie in Nachlässen thematisiert
Literatur: Rainer Pöppinghege: Im Lager unbesiegt. Deutsch, englische und französische Kriegsgefangenen-Zeitung im 1.Weltkrieg, Essen 2005.
Rainer Pöppinhege: "Kriegsteilnehmer zweiter Klasse"? Die Reichsvereinigung ehemaliger Kriegsgefangener 1919-1933, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 64 (2005), S. 391-423.
Rainer Pöppinhege: Nabelschau hinter Stacheldraht? Zum Quellenwert von Kriegsgefangenenzeitschriften, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 59 (2000), S. 183-193.
Frank Biess: Homecomings. Returning POWs and the Legacies of Defeat in Postwar Germany, Princeton 2006.
Georg Wurzer: Die Kriegsgefangenen der Mittelmächte in Russland im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2005.
Annette Kaminsky (Hrsg.): Heimkehr 1948. Geschichte und Schicksale deutscher Kriegsgefangener, München 1998.
Reinhard Nachtigal: Kriegsgefangenschaft an der Ostfront 1914 bis 1918, Frankfurt a. M. 2005.
Alon Rachamimov: POWs and the Great War. Captivity on the Eastern Front, Oxford 2002.
Uta Hinz: Gefangen im Großen Krieg. Kriegsgefangenschaft in Deutschland 1914-1921, Essen 2005.
Arthur L. Smith: Die vermisste Million. Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1992 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; 65).
In Feindeshand. Die Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg in Einzeldarstellungen. Hrsg. von der Bundesvereinigung der ehemaligen Österreichischen Kriegsgefangenen, bearb. Von Hans Weiland, 2 Bde., Wien 1931 [Kurzbeiträge von 300 Autoren zu allen Aspekten der Kriegsgefangenschaft deutscher Soldaten im Ersten Weltkrieg, illustriert mit 550 Abbildungen].
Renate Held: Kriegsgefangenschaft in Großbritannien. Deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs in britischem Gewahrsam, München 2008.
Andreas Hilger: Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, 1941-1956: Kriegsgefangenenpolitik, Lageralltag und Erinnerung, Essen 2000 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, Neue Folge; 11).
Arnold Krammer: Deutsche Kriegsgefangene in Amerika 1942-1946, 3. erw. Ausg., Tübingen 1995.
Kurt W. Böhme und Erich Maschke (Hrsg.): "Die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand", München, 1973
Rüdiger Overmans: Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs, in: Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945. Zweiter Halbband: Die Folgen des Zweiten Weltkrieges, Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.), München: Deutsche Verlagsanstalt 2008, S. 379-507.
Günter Bischof / Rüdiger Overmans (Hrsg.) Kriegsgefangenschaft im Zweiten Weltkrieg. Eine vergleichende Perspektive, Ternitz-Pottschach 1999.
Jochen Oltmer (Hrsg.): Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2006.
Klaus Sasse: Bilder aus russischer Kriegsgefangenschaft. Erinnerungen und Fotos aus Jelabuga und anderen sowjetischen Lagern 1945-1949. Mit Beitr. v. Ernst H. Segschneider, Friedrich Korte u. Hubert E. Heckmann, 1999.
Orte des Gewahrsams von deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion (1941-1956). Findbuch. Hrsg. Föderale Archivagentur des Russischen Förderation, Staatliches Russisches Militärarchiv (RGVA), Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und Volksbund Deustche Kriegsgräber Fürsorge e.V., Dresden u.a. 2010.
- Provenienz
-
Brändström, Elsa, 1888-1948
- Bestandslaufzeit
-
ab 1914
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Brändström, Elsa, 1888-1948
Entstanden
- ab 1914