Bestand

Beumer-Everke; Sendenhorst (Bestand)

Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand N 195, Beumer-Everke; Sendenhorst
Familien- und Bestandsgeschichte
Das Haus Kirchstraße 22, Sendenhorst, gehörte zunächst der Familie Beumer/Bömer. Diese war jedoch entgegen früherer Annahmen erst seit 1717 im Besitz des Hauses und daß gehört daher nicht zu den alten Sendenhorster Familien.
Weder 1498 noch 1542 kommt der Familienname in Sendenhorst vor. Dagegen erscheint der Name in den Vormundschaftsakten der Stadt Münster allein 14mal; zuerst 1566: Elßke und Agnes Kinder des Schreiners Joh. Boemer. Die Bedeutung des Namens ist eindeutig. Der Beumer wohnte in der Nähe des Schlagbaums, der regelmäßig die Durchgänge der Landstraßen durch die Landwehren sicherte. In Sendenhorst kommt erstmals1665 Heinrich Boemer vor. Er zahlte 1/4 Rthlr. Steuern, gehörte also nicht zu den sehr begüterten Bürgern. Seine Wohnung lag in der Nähe des Westtores, denn von seinem Nachbarn Spiethöver heißt es "vor der Westpforte". Zur gleichen Zeit lebte ein Jürgen Boemer als mittelloser Mann in einem Gaden, d. h. einem kleinen Häuschen. Der Hutmacher Henrich Boymer, der fast 50 Jahre später genannt wird, scheint nicht unbemittelt zu sein. Möglicherweise hatte seine Frau Catharina Fye entsprechendes Kapital in die Ehe gebracht, denn 1716 kauften die Eheleute Boymer von dem Reiter im Nagelschen Regiment Henrich Reinke einen Garten vor dem Nordtor auf der Wellen (vgl. Nr. 1) und im folgenden Jahr das jetzige Haus Kirchstraße 22 (vgl. Nr. 2). Nach der Lagebeschreibung war die Straßenbezeichnung damals Osstraße. Als westlicher Nachbar wird der Radmacher Gerhard Hintzenbrock genannt im Osten lag das Haus an der vom Kirchhof ausgehenden Straße nach Bußmanns Garten (Bußmanns Garten wurde nach 1806 parzelliert und bebaut, daher der neue Name ”Neustraße“). Mit verkauft wurden alle zum Inventar gehörigen Gegenstände wie Bodde (Bottich), hölzerne Gotte (Gosse) Ofen, Bettstelle und Anrichte. Zu dem Haus gehörte ferner eine Frauens- und eine Männerstätte in der Kirche sowie eine Begräbnisstelle auf dem Friedhof. Außer den üblichen städtischen und staatlichen Lasten und Steuern gingen aus dem Grundstück 15 Schilling jährlich an das Pastorat in Enniger.
1743 kauften die Eheleute Anton Bäumer jun. und seine Frau Sophia Zinsiger ein Stück Ackerland (vgl. Nr. 4), gelegen ”auf dem Klümer" (nördlich der Stadt, heute in der Nähe des Hofes Keppler). Verkäufer waren die Eheleute Caspar Kössendorff und Catharina Schmeddes. Dieser Anton Bäumer ist ohne Zweifel ein Sohn des 1716/17 auftretenden Henrich Boymer. Der Name Zinsiger/Zinziger kommt sonst in Sendenhorst nicht vor. 1743 war ein Bernard Anton Zinziger Küster in Telgtei Maria Elisabeth Zinziger war im gleichen Jahr mit dem Schuhmacher Herman Diethrich Hamers zu Münster verheiratet. Johann Bernard Bömer, offensichtlich ein Sohn des Anton Bäumer (s. o.) heiratete eine Ludowina Pröbstinck (vgl. Nr. 7). Er starb vor 1787. In diesem Jahr stellte seine Witwe ein Schuldanerkenntnis über 588 Rthlr zugunsten des Krameramtsverwandten Franz Gerhard Eismann zu Münster aus (Nr. 5).
1801, bei einem Tauschvertrag über 2 Frauenkirchplätze wird die Witwe Beumer als Kaufhändlerin bezeichnet (Nr. 6).
Maria Anna Beumer heiratete 1803 den Kaufmann Caspar Everke aus Beckum. Unter genau festlegten Bedingungen übertrug die Witwe Beumer dem Ehepaar Everke 1805 die Immobilien, nämlich das Haupthaus mit 11 Gefach, ferner ein Brauhaus einschließlich Braupfanne und sonstigen Braugerätschaften; außerdem zwei Holzhäuser. Ländereien waren zu diesem Zeitpunkt so gut wie gar nicht vorhanden. Lediglich das Stück auf dem Klümer (s. o.) und ein Stück Gartenland auf der Welle werden mit insgesamt 120 Rthlr taxiert. Das Ehepaar Everke mußte sich zur Zahlung von jeweils 500 Rthlr Abfindung an die übrigen 5 Kinder der Witwe Beumer verpflichten. Außer freier Wohnung und Kost verlangte die Erblasserin täglich eine halbe Flasche Wein und jährlich 12 Rthlr Taschengeld. Außerdem sollten ihr weitere 600 Rthlr, bzw. die Verzinsung dieses Kapitals, zur Verfügung stehen. Die Ehe zwischen Caspar Everke und der Maria Anna Beumer währte nur gut zwei Jahre. 1805 erklärten sie, daß ihr einziger Sohn gestorben sei und sie keine Hoffnung auf weitere Kinder hätten. Deshalb setzten sich beide Eheleute gegenseitig als Erben ein, wobei Caspar Everke sich ein Pflichtteil zugunsten seiner Mutter Margarete Klebolte vorbehielt. (vgl. Nr. 7).
Bereits im Juli 1806 ist Caspar Everke wiederverheiratet mit Clara Anna Marmett, Tochter des Sendenhorster Notars Bernt Henrich Marmet wohnhaft Kirchstraße 9 (später Frisörsalon Heiringhoff). Die neue Frau war gewiß nicht unbemittelt.
Der Sendenhorster Stadtbrand 1806 traf auch die Familie Everke hart. Jedochg erhielt Caspar Everke Aufbauhilfe durch seine Beckumer Verwandten, die ihm vorgefertigte Fachwerkelemente nach Sendenhorst brachten und seinen Neubau ermöglichten (vgl. Petzmeyer 1993, S. 223).
Caspar Everke vermehrte den Grundbesitz seines Hauses erheblich. 1805 kaufte er vom Grafen von Merveld einen Garten unmittelbar vor dem Nordtor, mit einer Hecke umgeben (Nr. 8). Nach der Lagebeschreibung (westlich auf die Landstraße) scheint es der Garten zu sein, der noch 1978 im Besitz der Familie Everke war. Der ungewöhnlich hohe Kaufpreis von 300 Rthlr läßt sich nur damit erklären, daß die von Merfeldschen Grundstücke ”adlich-frey", d. h. steuerfrei waren.
Aus dem Nachlaß des Holzhändlers Johann Henrich Spithöver erwarb Caspar Everke 1816 meistbietend ein Stück Gartenland auf dem Gänsegarten nördlich an die Schluse grenzend (Nr. 9). 1818 erwarb er aus dem Nachlaß des Pfennigmeisters von Bueren ein Stück Ackerland auf der Hardt, Flurbezeichnung ”auf dem Schlieck" zwischen Linnemann und Große Dueveler (Nr. 10). 1822 wurden verschiedene Grundstücke des bischöflichen Seminarfonds für vier Jahre verpachtet (Nr. 11). Aus den Flurbezeichnungen (die Galle, auf der Geist) geht hervor, daß auch diese Stücke später in den Besitz der Familie Everke gekommen sind. Nach 1815 hatte die preußische Regierung in und um Sendenhorst zahlreiche Grundstücke aus ehemaligen kirchlichen Besitz zu veräußern. Die Geisterholzhove des Domkapitels war mit 5940 Rthlr taxiert. Es fand sich aber kein Käufer, der den gesamten Komplex erworben hätte. So wurden die Grundstücke einzeln veräußert und Caspar Everke erwarb für 165 Rthlr den Peterskamp in einer Größe von über 6 Morgen.
Zu dieser Zeit war die Stelle des festen Hauses Geisterholt noch durch eine breite Gräfte zu erkennen. Die Eigentümer der Geisterholzweide, u.a. auch Heinrich Beumer, benutzten die Gräfte als Viehtränke. Vor dem Landgericht Ahlen klagten sie erfolgreich 1835 gegen den Steinhauer Neuhaus, der durch Flachseindeichen das Wasser des Grabens verdorben hatte (Nr. 17).
Bereits 1826 hatte Caspar Everke von der Hauptverwaltung der preußischen Staatsschulden für 602 Rthlr Grundstücke des ehemaligen Hofes Rüschey des Klosters Liesborn gekauft Der Hof hat eine lange Geschichte; er wurde 1175 von einem Ministerialen des Grafen von Arnsberg an Liesborn geschenkt und war bis in die neueste Zeit an Sendenhorster Bürger verpachtet; im 16. Jahrhundert an die Familie Bonse (vgl. Nr. 12).
Den Mühlenkamp kaufte Caspar Everke 1827 gemeinsam mit dem Kaufmann Johann Heinrich Bücker von der königlichen Domäne. Nach einer Vermessung wurde er zwischen den Käufern geteilt, wobei Everke etwas mehr als 2 Morgen erhielt (Nr. 13). Im September 1843 verstarb Caspar Everke 72jährig. Seine Witwe führt verschiedene Verkäufe in der Feldmark von Beckum durch, u. a. an ihren Verwandten, den Kaufmann Franz Everke zu Beckum (Nr. 20). Aus dem Jahre 1859 liegt ein Übertragungsvertrag der Witwe Clara Everke an ihren Sohn, den Kaufmann Heinrich Everke vor. Form und Formulierung ähneln dem Vertrag von 1805 (Witwe Beumer-Caspar Everke). Die zur Verhandlung stehenden Summen haben sich allerdings beträchtlich erhöht. Statt 12 verlangt die Erblasserin 80 Thlr Taschengeld. Gleich blieb die Forderung nach einer halben Flasche Rheinwein täglich. Die Geschwister des Heinrich Everke waren mit durchschnittlich 1300 Rthlr abzufinden. Die im Übertragungsvertrag genannte landwirtschaftliche Fläche lag bei ca. 30 Morgen (Nr. 23). In die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fallen noch verschiedene Grundstückskäufe Johann Heinrich Everkes, u.a. der Moorbrede, eines Grundstück auf der Ostheide und von insgesamt 6 Grundstücken (Hölscherskamp an der Geist, Geist, Meerbree, Nienkamp) sowie später des Weitankamps, die alle von der gräflich Merfeldrschen Rentei erworben werden (Nr. 25, 27, 29, 30).
Um 1860 begründete Heinrich Everke an der nördlichen Kirchstraße seine Branntweinbrennerei (”Münsterländer Doppelkorn vom alten Faß“). Bald kaufte die Familie zwei Nachbarhäuser dazu, da der Brennereibetrieb sich ausdehnen mußte.
1890 wird der Kaufmann Heinrich Everke als Eigentümer des Ackers Geisterholzwiese eingetragen. Der Erwerb muß also kurz vorher erfolgt sein. Bereits 1863 hatte der Steinhauer Bernhard Bücker sein Haus Nr. 21 verkauft (Nr. 24). Das Haus Nr. 22 (zuletzt Weber Heinrich Beumer gt. Bohnenkamp und Anna Maria Schmitz, verwitwet gewesene Linnenlücke und Kinder Anna Maria und Anna) wird 1902 nach einem Vermerk im Kataster gelöscht, wird also abgerissen und der Besitzung Everke zugeschlagen worden sein (Nr. 33).
Weitere Dokumente im Bestand betreffen besitzrechtliche oder landwirtschaftliche Belange, so die detaillierte Übersicht über Ernteerträge, Fruchtfolgen und Einsaat der Everkeschen Grundstücke aus der Zeit 1841-1850 (Nr. 19). Aus dem 20. Jahrhundert sind nur wenige Unterlagen überliefert (vgl. Nr. 34).
Zur Überlieferung und Bearbeitung des Bestands
Die Unterlagen wurden dem Kreisarchiv 2022 als Schenkung der Familie, die sie an den Heimatverein Sendenhorst abgegeben hatte, von diesem überreicht. Dabei lagen z.T. inhaltliche Zusammenfassungen der Dokumente bei, die wahrscheinlich auf Heinrich Petzmeyer zurückgehen. Die Zusammenfassung der Familiengeschichte stammt nachweislich von Petzmeyer, der 1993 eine umfassende Geschichte der Stadt vorlegte (vgl. Literatur). Vermutlich hatte Petzmeyer bei seinen Recherchen für sein Buch Zugriff auf die Dokumente, die seinerzeit jedoch in Privatbesitz blieben und nicht in das Sendenhorster Stadtarchiv gelangten. Die Archivalien wurden 2022 neu verzeichnet und chronologisch sortiert.
Literatur
Heinrich Petzmeyer: Sendenhorst - Geschichte einer Kleinstadt im Münsterland, Sendenhorst 1993.
Ulrike Frede/Hans-Joachim Brüning (Hrsg.): Schlote, Schnaps und Schlempe. Die Kornbrenner von Sendenhorst, Sendenhorst 2007.
Benutzung
Der Bestand kann zu den Öffnungszeiten des Kreisarchivs im Lesesaal eingesehen werden. Der Bestand ist folgendermaßen zu zitieren:
Kreisarchiv Warendorf, N 195 Beumer-Everke; Sendenhorst, Nr.
Sendenhorst, 28. 2. 1978 / Warendorf, 9. 2. 2022
Heinrich Petzmeyer / Dr. Knut Langewand

Reference number of holding
N 195 N 195 Beumer-Everke; Sendenhorst

Context
Kreisarchiv Warendorf (Archivtektonik)

Date of creation of holding
1716-1977

Other object pages
Delivered via
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Last update
06.03.2025, 6:28 PM CET

Data provider

This object is provided by:
Kreis Warendorf. Kreisarchiv, Kreisverwaltung. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1716-1977

Other Objects (12)