Malerei

Die Granitschale im Berliner Lustgarten

1832 präsentierte Johann Erdmann Hummel auf der Berliner Kunstausstellung einen dreiteiligen Gemäldezyklus. Er war einer damals herausragenden ingenieurtechnischen Leistung gewidmet: dem Schleifen und Wenden der großen Granitschale sowie ihrer Aufstellung im Lustgarten vor dem Alten Museum. Seit den 1820er Jahren hatte man in Berlin aus Granitblöcken, die infolge der Eiszeit in der Umgebung zu finden waren, Sockel, Schalen und dergleichen hergestellt. Der Hofsteinmetz und Baurat Christian Gottlob Cantian, der sich auf die Bearbeitung von Granit spezialisiert hatte, fertigte auf Bestellung des englischen Gesandten Herzog von Devonshire eine große Granitschale. König Friedrich Wilhelm III. verlangte daraufhin auch für Preußen eine solche Schale, die jene für England übertreffen sollte. Cantian versprach ein Stück, das größer und herrlicher sein werde als die antike Porphyrschale aus dem goldenen Haus Neros (P. O. Rave, Die Granitschale im Lustgarten, in: Karl Friedrich Schinkel, Lebenswerk, Bd. 1, Berlin 1848, S. 124). In Abstimmung mit Karl Friedrich Schinkel war die Schale ursprünglich für die Rotunde des im Bau befindlichen Alten Museums gedacht. Die aus dem Findling in den Rauenschen Bergen bei Fürstenwalde gewonnene Schale erwies sich dafür jedoch als zu groß. Auf Stämmen wurde der achtzig Tonnen wiegende Schalen-Rohling zur Spree transportiert und mit einem Kahn nach Berlin gebracht. In den nachfolgenden zwei Jahren wurde die Schale mittels modernster Dampfmaschinen-Technik in einer Werkstatt nahe dem Museum am Lustgarten geschliffen und poliert. Hummel hielt die Schleifarbeiten, die großes öffentliches Interesse fanden, in einem Gemälde fest (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 884). Es zeigt sein Verständnis für technische Zusammenhänge und optische Erscheinungen. Zahlreiche Reflexionen auf der lebhaft gemusterten, glattpolierten Oberfläche des Granits ergeben raffinierte Spiegelbilder. Nach Abschluß der Schleifarbeiten wurde die Schale mit einer großen Winde umgedreht. Auch diesen Vorgang stellte Hummel in einem Gemälde dar (ehemals Stiftung Stadtmuseum Berlin, Kriegsverlust). Schließlich wurde 1834 die monumentale Schale mit einem Durchmesser von fast sieben Metern provisorisch auf drei Granitblöcken vor dem Alten Museum aufgestellt. Als »Biedermeierweltwunder« (P. O. Rave, Kunst in Berlin, Berlin 1965, S. 106) erhielt die Granitschale in Berlin große Aufmerksamkeit und Hummel ließ sich erneut zu einer Darstellung inspirieren (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 843). Sein Interesse an optischen Phänomenen demonstrierte er auch in dieser, den Zyklus abschließenden Komposition. In der polierten Außenwand der Schale spiegelt sich die städtische Umgebung, die Lustgartenbesucher sind, auf dem Kopf stehend, in einem panoramaartigen Rundbild am Schalenboden wiedergegeben. Im Vordergrund, neben einem Soldaten, ist ein elegant gekleideter Herr mit Zylinder zu sehen, bei dem es sich wohl um den damals 62-jährigen Archäologen und Mitbegründer der Berliner Museen Aloys Hirt handelt und nicht, wie früher angenommen, um den Baurat Cantian. Rechts bestaunen die beiden Söhne Hummels in Begleitung ihrer Cousine die Schale. Bewundernswert ist die täuschende Wiedergabe der Körnung des Gesteins. Hummels Blickwinkel monumentalisiert die aus der Nahsicht riesenhaft wirkende Schale, die die benachbarten Gebäude, Dom und Schloss, zu überragen scheint. | Birgit Verwiebe

Vorderseite | Fotograf*in: Jörg P. Anders

Public Domain Mark 1.0 Universal

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Location
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventory number
A I 843
Measurements
Höhe x Breite: 66 x 89 cm
Rahmenmaß: 85,5 x 104 x 9 cm
Material/Technique
Öl auf Leinwand

Event
Erwerb
(description)
1905 Geschenk von Kommerzienrat Richard Bialon, Berlin
Event
Herstellung
(when)
1831

Last update
08.08.2023, 11:02 AM CEST

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Object type

  • Malerei

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Time of origin

  • 1831

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