Altarbild

Christus am Ölberg

Christus am Ölberg - Die Flügel des Wurzacher Altars gehören zu den bedeutendsten Werken deutscher Malerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ihre Provenienz reicht ins späte 18. Jahrhundert zurück. Damals befanden sie sich im Kloster der Franziskanerinnen zu Wurzach, von wo sie 1785 in die Galerie des Truchsessen Joseph Franz Anton Graf von Waldburg-Zeil auf Schloß Wurzach gelangt waren. Davon leitet sich der Beiname Wurzacher Altar ab. Erhalten sind acht Gemälde. Diese bildeten die Innen- und Außenseiten zweier Altarflügel, auf denen je zwei übereinander angeordnete Szenen aus der Passion Christi und dem Marienleben zu sehen waren. Die Anordnung der in späterer Zeit getrennten Tafeln ergibt sich aus der übergreifenden Bildarchitektur der Marienszenen sowie holztechnischen Untersuchungen. Danach waren die Ereignisse des Heilsgeschehens in chronologischer Folge zeilenweise von links nach rechts zu lesen. Es ist allerdings umstritten, welche der Szenen die Innen- bzw. Außenseiten der Flügel gebildet haben. Die Szenen der Passion Christi werden eröffnet mit Christi Gebet am Ölberg. Rechts kniet Christus im Gebet vor den Felsen des Berges, das Gesicht von blutigem Schweiß überströmt, bereit, Kreuz und Kelch auf sich zu nehmen, die der Engel hält. Links kauern schlafend die Jünger, die Christus beim einsamen Wachen allein ließen. Hinten rückt die Schar bewaffneter Häscher heran, angeführt von Judas, der den geflochtenen Gartenzaun übersteigt und auf Christus deutet. Die sich anschließende Szene Christus vor Pilatus wird beherrscht von der tobenden Menschenmasse, die sich von rechts ins Bild drängt. An ihrer Spitze wird Christus in Fesseln von einem Henker vor Pilatus gezerrt. Der römische Statthalter sitzt unter einem Baldachin und wäscht seine Hände zum Zeichen, daß er unschuldig am Tod dieses Gerechten sei. Es folgt die Kreuztragung Christi. Gebeugt unter der Last des Kreuzes wird Christus von einem Henkersknecht am Strick vorangezerrt. Simon von Kyrene, zur Mithilfe gezwungen, müht sich, den Kreuzbalken zu heben. Starr und hilflos stehen Maria, Johannes und die Frauen daneben, geschmäht und verhöhnt von Zuschauern und Soldaten. Spottende und Steine werfende Kinder begleiten den Herrn. Den äußersten Kontrast hierzu bildet die stille Szene der Auferstehung. Christus entsteigt dem versiegelten Sarkophag, der in einer Felshöhle liegt. Er ist bekleidet mit einem roten Mantel, hat die Rechte segnend erhoben und hält in der Linken die Kreuzesfahne zum Zeichen des Sieges. Um das Grab herum liegen die schlafenden Wächter. Die Marienszenen beginnen mit der Geburt Christi. Unter dem Vordach des Stalles knien Maria und Joseph in Betrachtung und Anbetung des Kindes, das nahe dem rechten Bildrand in einem Futterkorb liegt. Daußen auf dem Feld verkündet der Engel den Hirten die Geburt des Herrn. Links hinter dem Bretterzaun drängen sich Männer und Frauen, deren Gesichter Freude, Verehrung, Neugier oder dumpfes Staunen ausdrücken. In der Anbetung der Könige sind alle Figuren einer mächtigen Raumschräge zugeordnet, die sie mit der vorangehenden Geburtsszene verbindet. Der Ort der Handlung ist derselbe, nur der Standort des Betrachters ist leicht versetzt. Links sitzt Maria mit dem Kind auf dem Schoß. Von rechts nahen die Könige aus dem Morgenland mit Gold, Weihrauch und Myrrhe in kostbaren Gefäßen. Ganz links kniet Joseph, die Pfanne mit dem Kinderbrei in der Hand. Das Pfingstfest beeindruckt durch die Geschlossenheit des polygonalen, kapellenartigen Raumes, der sich nach vorn in Säulen und Bögen öffnet. Auf steinernen Bänken sind Maria und die zwölf Apostel im Kreis versammelt. Über ihnen schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes, der über die Gläubigen ausgegossen wird. Den Abschluß der Marienszenen bildet der Tod Mariae. Der Blick ins Sterbezimmer fällt durch eine Arkade. Maria liegt tot auf dem Bett, um das die Apostel versammelt sind. Einer steht mit der Kerze am Kopfende und liest wie zwei andere die Sterbegebete. Petrus besprengt die Tote mit dem Weihwasserwedel. Neben ihm ist Christus erschienen. Er segnet seine Mutter und trägt ihre Seele in Gestalt eines Mädchens auf dem Arm. Vorn am Boden stehen zwei Krüge, gefüllt mit Lilien, Maiglöckchen und Akelei, die sich, wie die Aufschrift »got hilf«, auf Maria beziehen. Das Selbstbewußtsein, das aus den zweifach signierten Altarflügeln spricht, erinnert an die stolze Inschrift auf dem Steinretabel für Konrad Karg im Ulmer Münster, das Multscher 1433 geschaffen hat. Es scheint so, als habe der Meister die Eigenhändigkeit und schöpferische Leistung des von ihm geschaffenen Werkes unmißverständlich dokumentieren wollen. Vielleicht geschah dies deshalb, weil er fürchten mochte, daß man sonst seine Befähigung zu einer so außerordentlichen Leistung auf dem Gebiet der Malerei hätte in Zweifel ziehen können. Die Forschung hat dies lange Zeit hindurch getan, nicht zuletzt deshalb, weil der von 1427 bis 1467 in Ulm tätige Meister in den Urkunden stets als Bildhauer, nie jedoch als Maler bezeichnet wird. Angesichts der außerordentlichen Bedeutung des Wurzacher Altars ist die Frage nach seiner ursprünglichen Herkunft lebhaft diskutiert worden. Das von einem Affen gehaltene Wappen mit Patriarchenkreuz auf der Darstellung des Marientodes ist als Spitalwappen gedeutet und mit Memmingen bzw. Landsberg in Verbindung gebracht worden. Ein endgültiger Beweis konnte jedoch nicht erbracht werden, so daß die einstige Bestimmung des Altars ungewiß bleibt. Umstritten ist auch, ob es sich um einen Marien- oder einen Passionsaltar gehandelt hat und der verlorene Altarschrein eine Kreuzigung oder ein mariologisches Thema enthielt. Die kompositionelle Verzahnung der Marienszenen wurde als Beleg dafür gewertet, daß der Künstler eine monumentale Bilderwand hat schaffen wollen, die ihre volle Wirkung nur im engen Nebeneinander der Außenseiten des geschlossenen Altares entfalten konnte. Tatsächlich sind die reliefhaft dichten Passionsszenen kompositionell vielleicht noch enger aufeinander bezogen. Groß sind die formalen Analogien zum Sterzinger Marienaltar und dessen Passionsszenen auf den Außenseiten der Altarflügel. Die mit Hilfe der Infrarotreflektographie sichtbar gemachte Unterzeichnung hat Einblicke in den komplexen Entstehungsprozeß des Wurzacher Altars eröffnet. Dabei zeigte sich, daß Entwurf und Ausführung der Malerei in einer Hand lagen, was zu Unrecht bezweifelt wurde. Als weiteres Argument für die Rekonstruktion eines Passionsaltars galt das inzwischen weitgehend geschwundene Rankenmuster im Goldgrund der Passionsszenen, die so als die festlicheren Innenseiten ausgewiesen seien. Dies trifft nicht zu. Eine neuerliche Untersuchung hat vielmehr ergeben, daß der Goldgrund der Marienszenen dasselbe Rankenmuster aufwies. Nach kirchlichem Brauch standen Leuchter mit brennenden Kerzen bei der Messe auf der Mensa des Altars. Durch Unachtsamkeit konnten die darüber befindlichen Teile des Altarretabels, also Mittelschrein oder Außenseiten der Flügel, leicht beschädigt werden. Die durch Übermalung getilgte Brandspur einer Kerzenflamme im unteren Bereich der Auferstehungsszene, die im Zuge der jüngst erfolgten Restaurierung freigelegt wurde, ist ein zusätzliches Indiz dafür, daß die Passionsszenen einst die Außenseite des Altares bildeten. Damit dürfte der Wurzacher Altar weitgehend dem zwanzig Jahre später entstandenen Altar in Sterzing entsprochen haben, der ebenfalls der Muttergottes geweiht war und den so vieles mit dem großen Vorgängerwerk verbindet.| Rainald Grosshans

Gesamtansicht, nach Restaurierung, freigestellt | Fotograf*in: Jörg P. Anders

Public Domain Mark 1.0 Universell

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Material/Technik
Tannenholz
Maße
Bildmaß: 151 x 141,3 cm
Rahmenaußenmaß: 317,7 x 153,5 cm zusammen mit 1621F
Standort
Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
1621D

Verwandtes Objekt und Literatur

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
1900 Schenkung von Sir Julius Wernher, London
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wo)
Deutschland
(wann)
1437

Letzte Aktualisierung
02.05.2023, 11:25 MESZ

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Objekttyp

  • Altarbild

Beteiligte

Entstanden

  • 1437

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