Zeichnung & Studie
Studie zweier Männer mit klassisch drapierten Gewändern
In ihrer Kombination gehören der Metallstift, der eines grundierten Papiers bedarf, um Farbe abzugeben, und die mit dem Pinsel aufgetragenen Weißhöhungen zu den gebräuchlichsten Mitteln der florentinischen Zeichenpraxis des 15. Jahrhunderts. Filippino Lippi war über seine Ausbildung in der Werkstatt Sandro Botticellis, in die er 1472 eintrat, eng mit dieser Tradition verbunden. Aber durch ständige Beobachtung und Übung angetrieben, sprengte er den Rahmen, den seine Zeitgenossen mit jener fein zeichnenden Technik vorgaben, indem er dem Metallstift eine Wirkung abgewann, die ansonsten der Federskizze und der breit zeichnenden Kreide vorbehalten blieb. Das vorliegende Blatt diente dem speziellen Studium der Faltenbildung schwerer, klassisch drapierter Gewänder bei kontrapostischer Bewegung ihrer Träger. Es zeigt in hervorragender Qualität die Variationsbreite der Hand Lippis, von frei verteilten, winkelförmigen Haken über verschieden ausgerichtete Verbände von Zickzack-, Parallel- und Kreuzschraffen bis hin zu mehrfach überstrichenen, dunklen Flecken in den Faltenbrüchen. Die Weißhöhungen erfassen ebenso schnell wie präzise die Reflexlichter auf den dicken Stoffen. Giorgio Vasari, der eine Gruppe ähnlicher Studien in seinem »Libro de' Disegni« montiert hatte (Oxford, Christ Church; lnv.1339), schrieb 1568 zu Recht, daß Filippino der erste Künstler war, »der den modernen Malern den neuen Weg wies, die Bekleidung abwechslungsreicher zu gestalten und die Figuren durch antik geschürzte Gewänder auf dekorative Weise zu verschönern« (Vasari [Ed. Schorn/Förster, neu hg. v. J. Kliemann 1988] Bd. 3, S.303f.). Obwohl die Gesten und Haltungen der beiden Männer eine Begrüßungsszene andeuten, wie sie - jeweils einzeln - beispielsweise bei der »Verkündigung an Maria« oder der »Anbetung des Kindes« auftaucht, ist die Zeichnung als eine sich selbst genügende Studie anzusprechen, die sich keinem bekannten Gemälde Filippino Lippis zuordnen läßt. Das Blatt wird einhellig in die Zeit seiner ersten großen Aufträge in Florenz datiert, zu denen die Vollendung der Fresken Masaccios in der Brancacci-Kapelle (1485) und das Bild mit dem »Hl. Bernhard vor der Madonna« (1486) zählen. Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 249-250, Kat. V.7 (mit weiterer Literatur)
- Material/Technik
-
Metallstift, weiß gehöht, auf graublau grundiertem Papier
- Maße
-
Blattmaß: 21,4 x 24,3 cm
- Standort
-
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
- Inventarnummer
-
KdZ 5043
- Klassifikation
-
Zeichenkunst
- Ereignis
-
Herstellung
- (wo)
-
Entstehungsort stilistisch: Florenz
- (wann)
-
um 1485
- Rechteinformation
-
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
- Letzte Aktualisierung
-
03.03.2023, 08:33 MEZ
Datenpartner
Kupferstichkabinett. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Zeichnung & Studie
Beteiligte
Entstanden
- um 1485