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Deutschnationale Volkspartei (DNVP) / Bayerische Mittelpartei (BMP) (Bestand)
Vorwort: Bayerische Mittelpartei / Deutschnationale Volkspartei (in Bayern
a) Geschichte der Partei
Am 14.11.1918 gründeten in Nürnberg Friedrich Beckh, der Vorsitzende des Bundes der Landwirte in Bayern, und der Gymnasiallehrer Dr. Hans Hilpert die Bayerische Mittelpartei (BMP) als neue national-konservative Partei. Neben dem gut organisierten Bund der Landwirte waren an der Gründung beteiligt der mittelfränkische Bauernverein, die Nürnberger Mittelstandsvereinigung, der Völkische Schutzbund, bayerische Konservative sowie Mitglieder der Reichspartei. Bäuerliche Schichten, gewerblicher Mittelstand (daher der Parteiname), Akademiker und ehemalige Offiziere bestimmten von Anfang an das Bild der neuen Partei. Die Gründung erfolgte in bewußter Abgrenzung zur demokratischen Deutschen Volkspartei in Bayern (=Deutsche Demokratische Partei im Reich), dem Auffangbecken der nationalliberalen Organisationen des Kaiserreiches, und zur katholischen Bayerischen Volkspartei mit ihren betont bayerisch-partikularistischen Bestrebungen. Das bei der endgültigen Konstituierung der Partei am 10.12.1918 in Nürnberg beschlossene Programm ließ bereits erkennen, dass die BMP nicht zu den systemtragenden Parteien der Weimarer Republik gehören würde. Für das Reich wurde eine Erneuerung des von den Hohenzollern aufgerichteten deutschen Kaisertums erstrebt. Gegen die schwarz-rot-goldne, angeblich "mechanisch-scheindemokratischwestliche Staatsauffassung" wurde eine schwarz-weiß-rote, "allein im deutschen Wesen begründete organische Staatsauffassung" (Hilpert) gegenübergestellt. Die ständige Betonung des Deutschnationalen implizierte bereits einen offen vertretenen Antisemitismus. Der Schlusssatz des Dezemberprogramms lautet: "So wollen wir als aufrechte deutsche Männer ungebrochenen Muts in die Zukunft schreiten und in Treue zum ehrlich schaffenden Volke stehen, um unter Ablehnung fremden Geistes und undeutschen Wesen das gesamte deutsche Kultur- und Wirtschaftsleben zu neuer Entfaltung zu bringen und unser deutsches Volk der verdienten besseren Zukunft entgegen zu führen." Die MMP (jetzt mit dem Zusatz "Deutschchristliche Volkspartei") brachte bei den Landtagswahlen vom 12.1.1919 nur fünf Abgeordnete durch, war allerdings zu diesem Zeitpunkt organisatorisch noch auf Nordbayern beschränkt. Erst am 19.7.1919 schuf der Münchner Universitätsprofessor Dr. Walter Otto den Deutschen Volksverein, aus dem sich vier Monate später die Ortsgruppe München der BMP entwickelte, deren Vorsitz General Konrad Krafft von Delmensingen übernahm (bis 1920, dann Oberst Rudolf von Xylander). Prof. Otto organisierte auch den Ausbau der Partei in Südbayern und wurde Vorsitzender dieses Kreisverbandes (bis 1920; er blieb 2. Landesvorsitzender bis 1930). Eine Verbesserung der finanziellen Lage und damit einen größeren politischen Einfluß (z.B. Erwerb der München-Augsburger Abendzeitung zusammen mit dem Hugenberg-Konzern und der DVP; Chefredakteur wurde Anfang 1921 das DNVP-Mitglied Pfarrer Gottfried Traub) brachte der am 13.3.1920 beschlossene Anschluß an die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), der größten rechtsstehenden Organisation der frühen Weimarer Republik. Unter dem Namen Bayerische Mittelpartei (jetzt mit der Ergänzung Deutschnationale Volkspartei in Bayern), der bis 1924 beibehalten wurde, konnte sich die Partei (bzw. jetzt Landesverband) in bayerischen Landesangelegenheiten politisch volle Selbständigkeit bewahren. Bei den Landtagswahlen vom 6.6.1920, die insgesamt ein kräftiges Erstarken der bürgerlichen Rechten brachte, hatte auch die BMP erhebliche Gewinne zu verzeichnen, wurde zusammen mit der Deutschen Volkspartei (in der Rheinpfalz) drittstärkste Partei und zog mit 20 Abgeordneten in den Landtag ein (im gleichzeitig gewählten Reichstag war die BMP mit 4 Abgeordneten vertreten). Mit dem Dachauer Bezirksamtmann Dr. Christian Roth als Justizminister stellte die BMP erstmals einen Vertreter in dem am 16.7.1920 gewählten Kabinett des Ministerpräsidenten Gustav von Kahr (BVP), was nicht ohne Auswirkungen bleiben sollte auf das politische Klima in der sogenannten "Ordnungszelle Bayern". So wurden auch nach der Auflösung der Einwohnerwehren militante und rechtsradikale Verbände durch Ausnahmeregelungen der bayerischen Justiz geschützt, was Kahr, der stark unter dem Einfluß der Deutschnationalen und auch bereits der Nationalsozialisten stand, in Gegensatz zur Reichsregierung und schließlich auch zur eigenen Partei brachte. Nach seinem Rücktritt am 12.9.1921 folgte ein eher bürgerlich-liberales Kabinett unter Graf Hugo von Lerchenfeld (ohne Beteiligung der BMP), das dieser aber infolge der wieder ausgebrochenen Auseinandersetzung Bayerns mit der Reichsgewalt (über die Notverordnungen nach der Ermordung des deutschen Außenministers Walter Rathenau) am 4.8.1922 wieder umbilden musste und als Exponenten der BMP Franz Gürtner als Justizminister aufnahm (Gürtner behielt dieses Amt auch in den folgenden Kabinetten bis zu seiner Berufung als Reichsjustizminister am 6.6.1932 durch Reichskanzler Franz von Papen).
Diese Regierungsbeteiligungen mussten aber für eine Partei mit solch radikalen Maximalforderungen zu innerparteilichen Flügelkämpfen führen. Innerhalb der BMP konnte sich die gemäßigt-gouvernementale Richtung unter Prof. Otto durchsetzen und das Ausscheiden der Radikalen, die zugleich auch Angehörige des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes waren, erreichen. Im November 1922 trennte sich die Ortsgruppe München unter Oberst Rudolf von Xylander und Rudolf Buttmann von der Partei und nannte sich Völkischer Rechtsblock in Bayern. Die Parteispaltung blieb nicht ohne Auswirkung bei der Landtagswahl am 6.4.1924: die DNVP, die sich zusammen mit der Nationalliberalen Landespartei und der DVP der Pfalz zur Vereinigten Nationalen Rechte zusammengeschlossen hatte, erreichte nur noch 12 Mandate. Sieger der Wahl war die erstmals angetretene Nationalsozialistische Freiheitsbewegung (Völkischer Block) mit 23 Abgeordneten, darunter das ehemalige BMP-Mitglied Christian Roth. Dagegen erzielte die DNVP mit dem prominenten Spitzenkandidaten General Alfred von Tirpitz (für den Wahlkreis Oberbayern-Schwaben) bei der Reichstagswahl vom 6.5.1924 überdurchschnittliche Gewinne (insgesamt 106 Mandate, damit stärkste Partei in der II. Wählperiode), die bei der Reichstagswahl am 7.12.1924 noch ausgebaut werden konnten (111 Sitze). Die DNVP wurde damit in den verschiedenen Kabinetten der Reichskanzler Wilhelm Marx und Hans Luther zu unentbehrlichen Koalitionspartnern, was aber von ständiger parteiinterner Kritik begleitet war, besonders unter dem wachsamen Einfluß von Alfred Hugenberg, der für eine fundamentale Oppositionspolitik im Reich eintrat.
Hugenbergs Politik führte auch zu neuerlichen Auseinandersetzungen im bayerischen Landesverband der DNVP, da Hugenbergs Ziel einer strafferen Zentralisation der Gesamtpartei die traditionelle Selbständigkeit anzutasten drohte. Am 20.10.1928 wurde Hugenberg zum alleinigen Parteiführer gewählt, wofür nicht zuletzt das Verhalten des bayerischen Landesvorsitzenden Hilpert den Ausschlag gab (zum radikalen Hugenberg-Flügel in Bayern, einer einflussreichen Minderheit, gehörten auch Max von Dziembowski und Luitpold Weilnböck). Dieser Rechtsruck der Partei trieb die gemäßigten Kräfte zur Abwanderung und schwächte die die DNVP auch in Bayern erheblich. Die am 23.7.1930 gegründete Konservative Volkspartei wurde für viele zur neuen politischen Heimat (so für Prof. Walter Otto und auch für den Reichstagspitzenkandidaten Paul von Lettow-Vorbeck). Hilpert konnte zwar die DNVP in Bayern zusammenhalten, bei der Reichstagswahl am 14.9.1930 erfuhr die DNVP aber insgesamt eine vernichtende Niederlage. Auch bei der Landtagswahl vom 24.4.1932 erhielt die DNVP nurmehr 3,3% (3 Sitze). Hilpert musste nach der Reichstagswahl vom 6.11.1932, bei der er nicht mehr kandidiert hatte (danach kamen nur noch zwei der 52 DNVP-Abgeordneten aus Bayern), auch den Parteivorsitz (am 11.11.1932) an den jüngeren Dr. Wilhelm Hausmann abgegeben. Im Reich läutete der eigenmächtig Beitritt Hugenbergs zu Hitlers "Kabinett der nationalen Konzentration" am 30.1.1933 auch das Ende der DNVP ein. Zwar brachten die Neuwahlen vom 5.3.1933 noch eine Bestätigung dieses Kabinetts (NSDAP 43%; Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, zu der sich DNVP und Stahlhelm zusammengeschlossen hatten, 8%), doch nach dem unter Mitwirkung der DNVP erreichten Verbot der KPD und dem Ermächtigungsgesetz vom 24.3.1933 war Hitler auf seine "Steigbügelhalter" nicht mehr angewiesen. Nach wochenlanger systematischer Hetze gegen Hugenburg erzwang Hitler dessen Rücktritt und schließlich im "Freundschaftsabkommen" vom 27.6.1933 die Selbstauflösung der Partei. Die bereits von den Nationalsozialisten kontrollierten Münchner Neuesten Nachrichten kommentierten zwei Tage später treffend, der Sinn der DNVP sei mit der Machtergreifung erfüllt gewesen: "Was parteimäßig hernach geschah, war nur das vergebliche Bemühen, eine Ideenwelt zu galvanisieren, die keinen Rückhalt hatte."
Literatur:
- Hans Fenske, Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg v.d.H. 1969 (zur BMP S. 68-73)
- Friedrich Frhr. Hiller von Gaertringen, Die Deutschnationale Volkspartei, in: Erich Matthias und Rudolf Morsey (Hrsg.), Das Ende der Parteien 1933, Düsseldorf 1960, S. 543-652
- Paul Hoser, Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Münchner Tagespresse zwischen 1914 und 1934. Methoden der Pressebeeinflussung (=Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Band 447), Frankfurt/Main 1990, S. 629-690 (Die Deutschnationalen in Bayern und ihr Einfluß auf die Presse)
- Werner Liebe, Die Deutschnationale Volkspartei 1918-1924, Düsseldorf 1956 (zur BMP S. 39-42)
- Jan Striesow, Die Deutschnationale Volkspartei und die Völkisch-Radikalen 1918-1922, Frankfurt/Main 1981 (zur BMP S. 213-232; zur Parteispaltung im Herbst 1922 S. 451-476)
- Max Weiß (Hauptgeschäftsführer der DNVP) (Hrsg.), Der nationale Wille. Werden und Wirkender Deutschnationalen Volkspartei 1918-1928, Berlin/Essen 1928 [Sammelband mit Aufsätzen von Ministern, Reistags- und Landtagsabgeordneten sowie sonstigen Funktionären der DNVP]
b) Überlieferung und inhaltliche Bewertung
Das Schriftgut der Bayerischen Mittelpartei bzw. Deutschnationalen Volkspartei in Bayern stammt aus der sogenannten "Sammlung Ritthaler", die die Abt. V (Nachlässe und Sammlungen) des Bayerischen Hauptstaatsarchivs im Jahr 1991 erwerben konnte. Der Historiker Dr. Anton Ritthaler (1904-1982) war selbst aktives Mitglied der DNVP (z.B. 1927 Vorsitzender des Stundentenausschlusses der DNVP in Bayern) und hat in diesem Zusammenhang eine Unmenge von Periodika und Einzeldruckschriften v. a. der Weimarer Zeit gesammelt. Neben diesem reinen zeitgeschichtlichen Sammlungsgut verwahrte Dr. Ritthaler bis zu seinem Tod einige Registratursplitter und Publikationen der eigenen Partei. Mit diesem Material ist die Geschichte der BMP bzw. DNVP in Bayern allerdings recht unterschiedlich dokumentiert. Zur Parteiorganisation sind aus der Frühzeit nur einige Satzungen und programmatische Schriften überliefert, während man für die Jahre 1927-1933 über Mitgliederstärke und soziale Struktur durch die erhaltene Mitgliederkartei recht präzise Informationen erhält. Einen guten Überblick über die politische Öffentlichkeitsarbeit und die Auseinandersetzung der Partei mit den verschiedenen Fragestellungen der Weimarer Zeit bieten die verschiedenen Serien der Parteipublikationen.
In der "Sammlung Ritthaler" fanden sich auch die Restnachlässe von Dr. Hans Hilpert (1878-1946), Gründungsmitglied, 1. Landesvorsitzender (1918-1932) und Landtagsabgeordneter, sowie von Prof. Dr. Walter Otto (1878-1941), Gründer der Ortsgruppe München, Vorsitzender des Kreisverbandes Südbayern und 2. Landesvorsitzender. In diesen Nachlässen ist weiteres Parteischriftgut enthalten: DNVP (1928-1932) und im Nachlaß Otto dessen Parteikorrespondenz (1920-1922).
c) Querverweise auf andere Bestände
Weitere Nachlässe von Vorstandsmitgliedern der Bayerischen Mittelpartei bzw. Deutschnationalen Volkspartei in Bayern befinden sich an folgenden Lagerorten:
- Rudolf von Xylander (1872-1946), Vorsitzender der Ortsgruppe München: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. IV
- Rudolf Buttmann, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. V
- Luitpold Weilnböck MdR (1865-1944); 2. stellvertretender Vorsitzender: Bundesarchiv (seit 1985)
- Gottfried Traub MdR (1869-1950), Pressevertreter: Bundesarchiv (seit 1958)
- Max von Dziembowski (1884-1973), stellvertretender Schatzmeister: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. V
- Franz Gürtner (1881-1941), Kabinettvertreter: Privatbesitz (Erwerbsverhandlungen im Akt 125-1).
In der Abt. V befindet sich weites Sammlungsgut über die BMP, die DNVP und den Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband (DHV), der viele Funktionäre der DNVP stellte, im Bestand "Sammlung Varia" (Nr. 55, 12 und 200), das aus der ehemaligen "Sammlung Rehse" stammt sowie in der Flugblattsammlung (Nr. 66, DNVP).
München 1992
Dr. Michael Stephan
Aktualisierung 2011
Lisa Schneider, Dr. Laura Scherr
- Reference number of holding
-
DNVP / BMP DNVP
- Extent
-
33
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Archivtektonik) >> Beständetektonik des Bayerischen Hauptstaatsarchivs >> 5 Abteilung V: Nachlässe und Sammlungen >> 5.2 Verbandsschriftgut >> 5.2.1 Parteien, politische Bewegungen, Bürgerinitiativen
- Date of creation of holding
-
1919-1933
- Other object pages
- Last update
-
11.03.20252025, 11:23 AM CET
Data provider
Bayerisches Hauptstaatsarchiv. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
- Akten
Time of origin
- 1919-1933