Lithografie

Männlicher Akt (Selbstbildnis) I

Ein junger Mann, vollkommen entblößt, als Dreiviertelfigur gezeigt, blickt uns mit leicht nach links gedrehtem Kopf an. Die linke Schulter hat er hochgezogen. Es handelt sich um Egon Schiele im Alter von 22 Jahren. Mit der Darstellung des Aktes – mehr noch, mit der des Selbstbildnisses – beschäftigte sich Schiele Zeit seines Lebens und behandelte es in „fast manischer Weise“. Um 1910 wandte er sich vom Wiener Jugendstil und seinem Vorbild Gustav Klimt ab und revolutionierte mit seinen radikalen Aktdarstellungen alle bis dahin bekannten Bildformen. - Die hier gezeigte Lithographie entwarf er für die Mappe der Münchner Künstlervereinigung „Sema“, in der sie 1912 als Zwölfte von insgesamt fünfzehn „Original-Steinzeichnungen“ im Delphin-Verlag erschien. Mit Pinsel und Feder umriss er die Konturen des eigenen Körpers zunächst als Zeichnung auf Umdruck-Papier. Diese ließ er später auf Stein übertragen und als Lithographie veröffentlichen. Besonders charakteristisch sind der magere, ausgezehrte Körper und die enorme Plastizität der Darstellung, die durch den mit Pinsel in schwarzer Farbe entstandenen Hintergrund an ausgewählten Stellen, wie beispielsweise hinter dem Nacken auf der rechten Seite, unter den Armen oder um die Hüfte herum, evoziert werden. Dadurch gewinnt der Betrachter den Eindruck, es handle sich um den Torso einer Skulptur. Die Darstellung mag auch deshalb so provokant erscheinen, weil man bei der Darstellung an einen gekreuzigten Christus denken könnte, den Schiele hier in Form seines Selbstbildnisses als Akt neu interpretiert. - Ursprünglich hatte der Künstler eine zweite Zeichnung als Vorlage für eine Umdruck-Lithographie angefertigt (Kallir 1990, G 2), nachdem er von der Künstlervereinigung „Sema“ um einen Beitrag gebeten worden war. Er entschied sich allerdings dazu, die hier gezeigte Arbeit in der Mappe zu veröffentlichen, da er sie wohl für künstlerisch virtuoser und in der Ausführung gelungener befand. - Ikonographisch betrachtet, steht Schiele bei der Darstellung des Selbstbildnisses als Akt mit Albrecht Dürer in einer Tradition. Hier ließe sich vor allem das um 1509 geschaffene Selbstbildnis aus Weimar als Referenzwerk nennen (Albrecht Dürer, Selbstbildnis als Akt, undatiert, um 1509, Pinsel in Schwarz, Grau und Weiß, auf grün grundiertem Papier, 294 x 155 mm, Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlungen, Inv. Nr. KK 106). Dürer nutzte für die Wirkung seines eigenen Bildnisses den grünen Untergrund des Papiers und färbte einige Partien des Hintergrundes mit schwarzer Farbe, um die Plastizität des eigenen Selbst stärker herauszuarbeiten. Im Gegensatz zu der Lithographie Schieles ist die Muskulatur allerdings stärker herausgearbeitet und zusätzlich mit weißer Kreide gehöht.
Urheber / Quelle: Lars Berg

Urheber*in: Egon Schiele / Rechtewahrnehmung: Städtisches Museum Braunschweig | Digitalisierung: Dirk Scherer

Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International

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Standort
Städtisches Museum Braunschweig
Inventarnummer
1967/175
Maße
Höhe: 420 mm (Platte)
Breite: 306 mm (Platte)
Höhe: 448 mm (Blatt)
Breite: 399 mm (Blatt)
Material/Technik
Papier; Lithographie
Inschrift/Beschriftung
Gravur: Signiert, unten links, mit Bleistift: „EGON / SCHIELE / 1912“;
Aufschrift: Bezeichnet, im Stein, unten rechts: "EGON / SCHIELE / 1912"; unten links: Signet der Münchner Künstlervereinigung „SEMA“

Verwandtes Objekt und Literatur

Klassifikation
Grafik (Objektgattung)
Bezug (was)
erwachsener Mann

Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
1912

Geliefert über
Letzte Aktualisierung
25.04.2025, 13:06 MESZ

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Objekttyp

  • Lithografie

Beteiligte

Entstanden

  • 1912

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