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Hermann Schmitz (Bestand)

Vorwort

Zu Hermann Schmitz (22.7.1902-14.10.1965)
Mundarttheaterschriftsteller (Höhscheider Bühnenspiele)

Hermann Schmitz wurde am 22.07.1902 in Neuenhaus 15 als drittes Kind geboren. Von seinen drei Brüdern starben zwei früh. Hermann war im Gegensatz zu seinen Geschwistern ein überaus lebhaftes Kind, das sich mit seinen Altersgenossen allerlei Streiche ausdachte und die Hofschaft unsicher machte. Nach dem Schulabschluss musste er - wie sein Vater und sein Bruder - als Taschenmesserausmacher mit in den Kotten, obwohl sein Lehrer ihn damals in dem Wunsch bestärkte, weiter zur Schule zu gehen. Der Kotten gehörte nebst einem schönen Baumhof und einem Garten oben im Feld zum Haus Nr. 15.
Der Erste Weltkrieg überschattete seine Jugend. Sein Vater war als Infanterist und der älteste Bruder Walter als Sanitäter im Krieg. Ein Erlebnis am Bahnhof Ohligs, wo er als 14- oder 15jähriger einen Transport mit Schwerverletzten beobachtete, hat ihn sein Leben lang verfolgt. Er wurde Kriegsgegner und Kommunist.
Nach seiner Heirat versuchte er sich mit seiner Frau Helene eine neue Existenz in der Grünewalder Straße aufzubauen. Dort betrieben sie von 1929 bis 1936 ein Lebensmittelgeschäft, wo sie auch Obst, Gemüse und Fisch verkauften. Mit Pferd und Wagen wurde die Höhscheider Kundschaft beliefert. Doch die Zeiten waren nicht günstig.
Die Einkäufer der damals noch jungen Siedlung Weeger Hof - sie hieß im Volksmund "Klein-Däne-Mark" mussten im großen Schwarzen Buch anschreiben lassen, und Helene Schmitz, der kaufmännisches Denken stets fremd war, gab, solange es irgend möglich war.
Nach 1933 lebte die Familie politisch gefährdet. Denn abends traf man sich mit Gleichgesinnten, es wurden Flugblätter sortiert und verpackt. Dass die Angst, bespitzelt zu werden, nicht unbegründet war, zeigt folgende Begebenheit: Ein im selben Hause wohnender Polizeibeamter, ein Hitleranhänger, schickte abends kurz nach Ladenschluss ein Kind zum Einkaufen, das natürlich die gewünschte Ware erhielt. Doch das war eine Falle: eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Ladenschlussgesetz war die Folge.
Der labile Gesundheitszustand von Helene Schmitz machte es unmöglich, den Laden in bisheriger Form fortzuführen. Die Großeltern rückten zusammen, und die Familie zog wieder zum Neuenhaus. Ein Platz im Kotten war noch frei, und einige Jahre wurde auch das Geschäft in kleinem Umfang erhalten.
Die folgenden Jahre waren bestimmt von regen nachbarschaftlichen Aktivitäten in der Hofschaft. Schlammige Abwassergräben wurden mit Ziegelsteinen zu einer Gosse ausgemauert. Es gab eine Tanzgruppe, eine Kegelbahn und sogar einen Chor, der einmal die Woche in Schmitz's enger Wohnstube probte. Irgendjemand hatte dem Theaterverein ein altes Klavier geschenkt, welches bei ihnen abgestellt wurde.
Fast alle damaligen Bekannten und Verwandten waren politisch gleichgesinnt. Bei abendlichen Gesprächen ging es um politisch Verfolgte und später um den Krieg. Befreundet waren meine Eltern auch mit der Familie Heinen. Hanns Heinen war damals Chefredakteur des "Solinger Tageblatts" und somit gut informiert. Es wurden Schriften und Bücher ausgetauscht. Hermann Schmitz hatte ein für damalige Verhältnisse großes Radio, und es verging kein Abend, an welchem er nicht versuchte, die "Stimme Amerikas" oder andere deutschsprachige ausländische Sender zu hören. Natürlich war das alles gefährlich, und auch jetzt wieder lebte Helene Schmitz in ständiger Angst, dass einer der wenigen Nazis, welche im Hof lebten, etwas merkte. Es war schon verdächtig, anstatt eines Volksempfängers ein großes Radio zu haben. Allerdings war es auch dazu geeignet, Theater- und Musiksendungen zu empfangen.
In den letzten Kriegsjahren wurde Hermann Schmitz - wie fast alle noch halbwegs Gesunden - kriegsverpflichtet. Er musste bei der Firma Eickhorn auf der Brühler Straße Maschinengewehre kontrollieren. Als dann die Produktion - wahrscheinlich nach den Luftangriffen auf Solingen - zum Dültgenstal verlegt wurde, ging er jeden Morgen dorthin zu Fuß zur Arbeit und natürlich auch zurück. Inzwischen hatte er dort eine Vertrauensstellung, indem er mit einem Pferdefuhrwerk Materialien aus der ausgebombten Firma und auch privates Eigentum des Chefs zu sicheren Orten brachte. Das war eine Tätigkeit, bei der er sich recht wohl gefühlt haben wird. Hier konnte er sein organisatorisches Talent einsetzen und auch manchem ausgebombten Kollegen in der Stadt behilflich sein.
In den allerletzten Tagen des Krieges, als man den Geschützdonner schon hören konnte, wurde er noch zum Volkssturm eingezogen. In dem kleinen Haus Nr. 15 lebten damals 7 Personen, Hermann Schmitz mit Frau und zwei Kindern, seine Eltern und eine junge Frau, welche nach Solingen dienstverpflichtet war. Dazu kamen bis zu 6 einquartierte Soldaten. Die Offiziere trugen unter ihrer Uniform Zivilkleidung und entgingen so größtenteils der Gefangenschaft.
Nach dem Krieg nahm Hermann Schmitz zusammen mit seinem Bruder die Tätigkeit im Kotten wieder auf. Er hatte viel zu tun, und für den Garten, seine zweite große Leidenschaft, blieb meist nur der Sonntag. Wahrscheinlich waren diese Jahre eine Zeit ohne ernsthafte Sorgen. Hermann Schmitz war einer der ersten im Hof, der den Kfz-Führerschein machte und sich bald darauf ein gebrauchtes Auto kaufte. Damit wurden erst kleinere Ausflüge zum Rhein, später auch einige Reisen in die Alpen unternommen. Das Haus Nr. 15, das die Familie jetzt allein bewohnte, wurde nach und nach in Eigenarbeit so gut wie möglich instand gesetzt.
In den 60er Jahren wurde er zunehmend leidend und mußte mit 60 Jahren aufhören zu arbeiten. Trotz gesundheitlicher Probleme wandte er sich nun verstärkt seinem Theaterhobby und Stückeschreiben zu.

Mit 18 Jahren hatte er bereits zusammen mit anderen jungen Leuten aus dem Höhscheider Arbeitersport einen Theater-Verein, die späteren Höhscheider Bühnenspiele, gegründet. Dem Theater galt seine Leidenschaft. Von Anfang an bis 1963 war Hermann Schmitz Spielleiter der Truppe, die vor allem Lustspiele und Operetten aufführte, wobei allerdings allzu seichte Unterhaltung vermieden wurde. Am liebsten war es Hermann Schmitz, wenn die Leute sich gut unterhielten, aber auch etwas nachdenklich wurden. Er leitete nicht nur die Aufführungen, sondern stand meist - ebenso wie Helene Schmitz - mit auf der Bühne. Junge Menschen begeisterte er für die Theaterarbeit, obwohl er viel von ihnen verlangte. Zu Hause gab es manches Mal Differenzen, wenn seine Frau keine Zeit fand, ihre Rollen zu lernen, so dass bei den Aufführungen ihre Auftritte oft eine Zitterpartie waren. Mit ihrem Sinn für Komik und der ihr eigenen schauspielerischen Begabung hat sie dann so manche Szene nach ihrem "Geschmack" umgewandelt. In Widdert soll es bei einer Aufführung (etwa 1933/34) zu einer kritischen Situation gekommen sein, als sie von der Bühne aus anwesende uniformierte Mitglieder der SA provozierte.
Den Anstoß, selber Theaterstücke zu schreiben, erhielt Hermann Schmitz, dessen Lieblingslektüre die deutschen Klassiker, Brecht und Tucholsky waren, wahrscheinlich von dem Mundartstück Die Nachbarn von Max Kayser. Kayser war Chef einer Stahlwarenfabrik auf der Friedrichstraße, für die Hermann Schmitz arbeitete, und die Bühnenspiele haben das Stück mehrmals aufgeführt.
Das früheste erhaltene Theaterstück von Hermann Schmitz dürfte das Lustspiel En Weit ut denn Bergen sein, das in einer Handschrift von 1940 vorliegt. Ob er auch Die andere Seite, ein hochdeutsches Stück, in dem er das Kriegsgeschehen aus der Sicht der englischen Feinde darstellt, noch vor Kriegsende verfasst hat, ist nicht sicher. Die meisten Theaterstücke sind jedenfalls nach dem Krieg entstanden und bis auf wenige Ausnahmen Mundartspiele.
Seine schriftstellerische Tätigkeit machte ihn so bekannt, daß 1958 eine Postkarte "an den Verfasser des Lustspiels Ferdinand Graf von Pilghausen, Herrn Hermann Schmidt, Solingen", den Adressaten erreichte. Nach dem Krieg hatte sich die Einstellung zur Mundart allmählich geändert. Man hielt es nun für einen Verlust, wenn die Heimatsprache immer seltener gesprochen wurde, und sah im Plattsprechen nicht mehr gleich ein Zeichen mangelnder Bildung. Sein Wunsch, nicht nur auf den kleinen Bühnen im Höhscheid-Widderter Raum, sondern vor einem größeren Publikum zu spielen, ging in Erfüllung: Einige seiner Stücke konnte er im damaligen Monopol-Theater und später auch im städtischen Theater inszenieren. Auch überregional war er tätig, und zwar als Verbandjugendwart der Volksbühnenvereinigung. Am 12. Januar 1963 ernannten ihn die Bühnenspiele Höhscheid zu ihrem Ehrenspielleiter, zu seinem 63. Geburtstag am 22. Juli 1963 überreichten ihm im Namen der Bühnenspiele Werner Everts, der Vereinsvorsitzende, und F. Otto Hoppe sein von letzterem gestaltetes bronzenes Konterfei. Es schmückt jetzt nach seinem Tod am 14.10.1965 seinen Grabstein auf dem evangelischen Friedhof in Höhscheid.

Helga Schumacher, geb. Schmitz

Theaterstücke von Hermann Schmitz
Die nicht in Mundart geschriebenen Stücke sind durch * gekennzeichnet.

En Weit uht den Bergen. Eine ergötzliche Begebenheit in einem Aufzug (1940; neubearb. 1964)
Der arme Heinrich. Ein bergisches Lustspiel in 1 Aufzug (ca. 1940/41)
Die andere Seite, in 3 Akten*
Die Köttelsbieren. Ein heiteres Heimatspiel in 2 Aufzügen (1949/1951)
En Hahneköpper Kirmes. Ein Volksstück aus dem Bergischen in 3 Aufzügen (ca. 1949)
Lieselotte: Ein Lustspiel in 1 Aufzug, (1950)*
Arme Magdalene. Dramatisches Zeitbild in 4 Aufzügen (1950)*
Unter der roten Laterne von St. Pauli (1952)
Zwei, die das Christkind suchen gingen. Ein kleines Weihnachtsspiel*
Der Fremde. Schelmenspiel in 1 Aufzug*
Die Welt geit onger (1955/1956)
Ferdinand Graf von Pilghausen . Ein heiteres bergisches Volksstück in 6 Aufzügen (1958)
Unsen Ühm Kaal. Ein heiteres bergisches Heimatspiel in 4 Akten
Die Stefkenger. Ein bergisches Volksstück in 4 Aufzügen (1962)
Lütt ut den Höwen. Ein Volksstück aus dem Bergischen in 3 Aufzügen
Fröinde enn der Nuht. Bergisches Volksstück in 1 Aufzug
Die Goldgräber. Ein Märchenspiel für große und kleine Kinder (1963)*
Die Hammersteins, in 4 Aufzügen (1964)
Et letzte Gedrag (Fragment um 1964)

Zwei Stücke (Die Welt geit onger / Ferdinand Graf von Pilghausen) wurden 1995 mit einer ausführlichen Einleitung und Bibliographie vom Stadtarchiv Solingen herausgegeben, (STAS Bibliothek KA 7790)

ZUGANG
Der Nachlass wurde am 31.10.1990 von der Tochter Helga Schumacher dem Stadtarchiv übergeben.


Eingrenzung und Inhalt: * 22.7.1902 in Höhscheid † 14.10.1965.
Mundarttheaterschriftsteller (1920-1963 Spielleiter der Höhscheider Bühnenspiele).
Der Nachlaß enthält neben wenigen persönlichen Unterlagen v.a. maschinen- und handschriftliche Manuskripte seiner Bühnenstücke.

Bestandssignatur
Na 016
Umfang
Findbuch: 20 AE

Kontext
Stadtarchiv Solingen (Archivtektonik) >> Bestände nichtstädtischer Provenienz >> Nachlässe und Sammlungen

Bestandslaufzeit
1919 - 1965

Weitere Objektseiten
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Letzte Aktualisierung
16.11.2024, 20:44 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1919 - 1965

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