Bestand

B Rep. 061 Zellengefängnis Lehrter Straße (Bestand)

Vorwort: Zellengefängnis Lehrter Straße B Rep. 061

1. Behördengeschichte

Das Zellengefängnis Lehrter Straße wurde 1842 bis 1849 auf dem Gelände einer ehemaligen Pulvermühle in Moabit erbaut. Die "Neue Strafanstalt" hatte das Gefängnis von Pentonville in London als Vorbild und diente der Preußischen Gefängnisverwaltung als sogenannte Musteranstalt. Die vier Flügelgebäude mit etwa 500 Einzelzellen waren sternförmig angeordnet und konnten von einem Zentralbau panoptisch überwacht werden.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Preußen eine Reform des Strafvollzugswesens diskutiert. Der preußische König Friedrich-Wilhelm IV. überließ dem Begründer der Inneren Mission, Johann Hinrich Wichern und dessen Glaubensbrüdern der Hamburger Erziehungsanstalt "Rauhes Haus" die Reformierung des Zellengefängnisses. Moabit war als Ausbildungsstätte für die missionarischen Gefängniswärter vorgesehen.
Kommunikationsverbote unter den Gefangenen, drakonische Strafen wie Essensentzug und zwei Todesfälle im Zellengefängnis ließen die Kritik an Wicherns Reformversuchen von liberalen Politikern und Juristen zunehmen. 1862 lehnte das preußische Abgeordnetenhaus die weitere Ausbildung von Brüdern des Rauhen Hauses als Gefangenenaufseher ab.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Zellengefängnis auch Untersuchungsgefangene, die auf ihre Prozesse vor dem Volksgerichtshof warten mussten, untergebracht. Zwei Flügel des Gebäudes nutzte die Gestapo zur Inhaftierung von Personen, die am Attentat des 20. Juli 1944 beteiligt waren.
Zu den prominenten Insassen des Zellengefängnisses zählten Wilhelm Voigt ("Hauptmann von Köpenick"), der USPD-Politiker Georg Ledebour, das KPD-Mitglied Karl Radek, der Schauspieler Ernst Busch, der Zentrums-Abgeordnete Andreas Hermes, der Dichter Albrecht Haushofer und Paul Yorck von Wartenburg.
Das Zellengefängnis war nach Ende des Krieges teilweise zerstört, doch wurden dort noch 1945 Hinrichtungen von Personen durchgeführt, die von den alliierten Gerichten zum Tode verurteilt worden waren. Die veralteten und durch den Krieg zerstörten Gebäude wurden nach 1945 nicht mehr lange genutzt. Aufgrund steigender Gefangenenzahlen in den Jahren 1948 und 1949 wurden Außenstellen, sogenannte Hilfsgefängnisse, in Zehlendorf und Spandau eingerichtet. Im Mai 1955 wurde die Anstalt endgültig geschlossen. Fortan galt die JVA Tegel als Abwicklungsstelle für das Zellengefängnis. 1957/58 wurde das Gebäude gesprengt.

2. Bestandsgeschichte

Das Schriftgut gilt als komplett durch Kriegseinwirkung vernichtet. Im Jahr 2000 übernahm das Landesarchiv Akteneinheiten aus der JVA Tegel. Dort fand man Akten der Arbeitsverwaltung des Zellengefängnisses vor. Die 121 Akteneinheiten wurden nach dem Generalaktenplan der Justiz gegliedert. Die Anstalt unterstand dem Strafvollzugsamt Berlin.

3. Korrespondierende Bestände

GStA Rep. 84a Preußisches Justizministerium
LAB Pr. Br. Rep. 030 Polizeipräsidium Berlin
LAB B Rep. 005 Senatsverwaltung für Justiz
LAB B Rep. 059 Strafvollzugsamt/Justizvollzugsamt Berlin
LAB B Rep. 070 Justizvollzugsanstalt Tegel
LAB B Rep. 035 Britische Militärregierung-Legal Branch.

4. Literatur

Andreas Hoffmann: Zellengefängnis Lehrter Straße 1-5, in: Tiergarten, Teil 2 Moabit, Berlin 1987 (Geschichtslandschaft Berlin. Orte und Ereignisse, Band 2, herausgegeben von der Historischen Kommission zu Berlin)


Berlin, 15. Februar 2005 Carolin Pilgermann

Reference number of holding
B Rep. 061

Context
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> B Bestände (West-) Berliner Behörden bis 1990 >> B 5 Justizbehörden >> B 5.2 Justizeinrichtungen

Date of creation of holding
1946 - 1954

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28.02.2025, 2:13 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1946 - 1954

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