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Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschland, Landesverband Bayern e.V. (Bestand)

Vorwort: 1. Verbandsgeschichte:

Der Landesverband Bayern wurde - ebenso wie der bundesdeutsche Hauptverband - bei seiner Gründung als Generationenverband konzipiert. Damit sollten keine weiteren Heimkehrer als die des Zweiten Weltkrieges in den Verband aufgenommen werden, da sonst die Arbeit für Versöhnung und Frieden vergeblich wäre. Mit diesem Ziel war das Aussterben des Verbandes schon bei der Gründung vorgegeben. Der Landesverband Bayern des VdH beendete seine Arbeit am 31. Dezember 2007.

Zur Geschichte, zu den Zielen und zur Arbeit des Verbands der Heimkehrer wird im Folgenden ein geschichtlicher Abriss aus dem Jahr 2000 zitiert, der sich im Archivale "Heimkehrerverband Nr. 12" findet. Der kommissarische Landesgeschäftsführer Hans Jürgen Giebenhain bereitete damit eines der auf dem 26. Landesverbandstag in Amberg gehaltenen Grußworte vor:

"Am 18. März 1950 wurde der 'Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e. V. (VdH)' von heimgekehrten Kriegsgefangenen als eine Selbsthilfeorganisation und Solidargemeinschaft der bezeichneten Gruppe offiziell gegründet. Er ist ein bundesweit organisierter, parteipolitisch neutraler Generationsverband ohne Nachwuchswerbung, der mit Aussterben seiner Generation aufhören wird zu existieren.

Der VdH setzte sich zum Ziel, den Überlebenden der ursprünglich 11 Millionen Deutschen aus 10 Gewahrsamsländern bei der Wiedereingliederung in eine völlig veränderte Gesellschaft zu helfen. Seine Hilfestellungen konzentrierten sich zunächst auf Arbeitsvermittlung und Berufseingliederung, aber auch auf die Gewährung von Existenz- und Wohnraumdarlehen zur Schaffung von insgesamt 1460 Wohneinheiten in Form von Doppelhäusern (bei 50 % Eigenleistung), sowie auf Beratung und Unterstützung bei der Bearbeitung von Versorgungsfällen und bei der Feststellung von Spätschäden aus der Gefangenschaft z. B. durch darauf spezialisierte Heimkehrerärzte. Tausende von Betreuungspaketen wurden an die in ostwärtigen Gewahrsamsländern festgehaltenen Kriegsgefangenen gesandt, und bis 1955 wurden mehrere Millionen Unterschriften für deren Freilassung gesammelt.

Mit Nachlassen dieser Unterstützungsnotwendigkeiten widmete sich der Verband entsprechend seiner Satzung einer erweiterten Aufgabenpalette einerseits im sozialen Bereich (beispielsweise der Kriegsgefangenenentschädigung, Schicksalsaufklärung durch Heimkehrerbefragungen, Ferienverschickung von bedürftigen Kindern und Verbandsmitgliedern in verbandseigene Heime), andererseits wandte man sich aber auch dem Bereich der politischen Bildung zu mit der besonderen Zielrichtung einer friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands und der Gestaltung eines geeinten Europas - letzteres ist auch heute noch ein Schwerpunkt der Verbandsarbeit.

Im Rahmen der politischen Bildungsarbeit wurden vom VdH über 300 innerdeutsche Diskussionswochen, mehr als 40 internationale Diskussionswochen mit Vertretern der Jugend aus 33 Nationen, über 30 deutsch-französische und 4 deutsch-sowjetische Jugendwochen, sowie mehrere deutsch-russische Seminare durchgeführt.

Nachdem der Hauptverband - die Dachorganisation - vor geraumer Zeit den bislang unterstellten Landesverbänden empfohlen hat, sich eigenständig in das Vereinsregister eintragen zu lassen, hat der Landesverband Bayern e.V. sich unter Beibehaltung der in der Satzung festgelegten Ziele und einer engen Zusammenarbeit mit dem Hauptverband [im Jahr 1997, d. Verf.] als erster selbständig gemacht, um einen Fortbestand, aber auch um seine finanziellen und materiellen Vermögenswerte rechtlich abzusichern.

Der 'Landesverband Bayern e. V.' hat derzeit einen Bestand von etwa 7.350 ordentlichen Mitgliedern und ist in ca. 200 Orts- 80 Kreis- und 6 Bezirksverbände gegliedert. Er unterhält zahlreiche partnerschaftliche Patenschaften zu vergleichbaren Verbänden im Ausland:

Frankreich / Belgien 22
Österreich 16
Südtirol / Italien 7
Neue Bundesländer 4
Gesamt 49
Unter seiner Leitung wurden die im Folgenden aufgeführten Mahnmale errichtet:
Hof - Moschendorf 1
Kreis - München 2
Oberbayern 7
Niederbayern 5
Oberfranken 29
Mittelfranken 17
Unterfranken 5
Oberpfalz 12
Schwaben 15
Gesamt 93"

Als Stimme der Kriegsgeneration meldete sich der VdH bei allen grundlegenden Fragen aus Politik und Gesellschaft in seiner Verbandszeitung "Der Heimkehrer" zu Wort.

Zu dem Heimkehrer-Deutschlandtreffen im Jahr 1955 in Hannover hatten Angehörige von Vermissten Bilder eingereicht, die in den Messehallen ausgestellt wurden, damit die teilnehmenden Heimkehrer an der Klärung der Schicksale mitwirken konnten. Auf Grund von 45.000 Bildern wurden vor Ort 1400 Vermisstenschicksale geklärt. Die eingereichten Bilder wurden am 22. Juli 1955, nach Abschluss des Treffens, im Rathaus von München an den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in München weitergegeben. Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs schuf mit dem Heimkehrergesetz die rechtliche Grundlage für eine Entschädigung der Betroffenen. Das Heimkehrergesetz vom 19. Juni 1950 sah bei Rückkehr nach dem 8. Mai 1946 Ausbildungsbeihilfen vor. Wer nach dem 31. Dezember 1947 zurückkehrte, hatte Anspruch auf bevorzugte Arbeitsvermittlung oder bevorzugte Einstellung in den öffentlichen Dienst. Für den Anspruch auf Entlassungsgeld und Übergangsbeihilfe galt der 30. Oktober 1951 als Stichtag. Für die über den 31. Dezember 1946 hinaus in Gefangenschaft verbrachte Zeit wurde eine Entschädigung gewährt (Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz in der Fassung vom 4. Februar 1987). Bei Heimkehr nach dem 30. September 1948 wurden besondere Steuerfreibeträge anerkannt. Während in der Bundesrepublik Deutschland Entschädigungen bis zu 12.000 DM gezahlt wurden, erhielten diese Personen in der DDR keine Entschädigung. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde 2007 das Heimkehrer-Entschädigungsgesetz beschlossen, am 1. Juli 2008 trat es in Kraft. Seinerzeit Lebende erhielten maximal 1500 Euro. Unterstützung fand der Verband im damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Hartmut Büttner und dem Staßfurter (Sachsen-Anhalt) Bürgermeister Martin Kriesel.
[Quellen (Stand April 2016):
https://de.wikipedia.org/wiki/Verband_der_Heimkehrer,_Kriegsgefangenen_und_Vermisstenangeh%C3%B6rigen_Deutschlands
https://web.archive.org/web/20101204141821/http://www.bagso.de/heimkehrer.html)]


2. Bestandsgeschichte:

Archivdirektor Dr. Joachim Lauchs führte im Sommer 2007 erfolgreiche Verhandlungen mit dem Landesverband des VdH, die dann auch zu der Abgabe des Registraturguts führten.

Nachträglich der Kassation unterzogen wurden die Mitgliederbestandslisten (2003) und die Rechnungskopien (1999 - 2007) des Landesverbands Bayern. Im Bestand belassen wurden die vielen Meldungen zu den im Verband organisierten Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen über deren Wohnortwechsel und auch deren Tod. Die handschriftlichen Briefe und Karten, denen oft die amtliche Sterbeurkunde und gelegentlich Sterbebildchen beigefügt sind, haben einen besonderen Charakter. Sie sind als Abschiedsgruß der Kriegsgeneration anzusehen, die als Soldaten den Zweiten Weltkrieg und die Kriegsgefangenschaft danach unmittelbar miterlebte. Rein optisch begegnen sich hier der Anfang und das Ende des 20. Jahrhunderts: Der althergebrachten deutschen Handschrift der am Ende über 80jährigen stehen die nüchternen Mitgliedsdatenblätter aus dem Computerzeitalter gegenüber.

Aus den sieben in der Abgabe befindlichen Schriftguteinheiten mit Rechnungsunterlagen und Zahlungsbelegen wurde nur eine marginale Auswahl zum Archivgut übernommen. Diese stichprobenartige Auswahl dient der Veranschaulichung laufender Posten, die von ihrer Höhe und von ihrem Zweck her interessant sind. Maßgeblich für den Nachweis des Finanzgebarens sind jedoch die Geschäftsberichte. Im Gegensatz zu den gedruckten Weihnachtsbriefen, die der Landesverband über seine nachgeordneten Verbände an die einzelnen Mitglieder verschicken ließ, wurden die auf farbigen Faltkarten geschriebenen Weihnachtsgrüße an den Landesverband der Kassation unterworfen.


3. Bestandsgehalt

In den Korrespondenzen des Landesverbands mit den Kreisverbänden und vereinzelt auch mit den Ortsverbänden werden neben allgemeinen Verwaltungsangelegenheiten wie Aktualisierung der jeweiligen personellen Zusammensetzung und Bestellung von Ehrenzeichen und anderem auch einzelne personenbezogene Unterstützungsgesuche behandelt. Dokumentiert sind Ehrungen von langjährigen Mitgliedern und anderen verdienstvollen Verbandsmitgliedern. Rundschreiben und sporadische Niederschriften zu Verbandstagungen auf Kreis- und Ortsebene verhelfen zu einem Einblick in das innere Geschehen des Verbands. Aufgelockert wird die Überlieferung durch Zeitungsausschnitte, Kopien von Zeitungsausschnitten und einige wenigen Fotografien. Nicht zu vergessen sind die vielen persönlichen Schreiben von Heimkehrern, Kriegsgefangenen und Vermissten bzw. von deren Angehörigen. Der Inhalt dieser Briefe kann Aufschluss über Erlebtes, Gedachtes und Erwartetes, über aufrichtige Dankbarkeit und große Enttäuschung geben. Über vier Jahre erstreckt sich ein Akt über die Gewährung von Beihilfe aus der Erbschaft von Hannelore Rückert aus Gröbenzell (Lkr. Fürstenfeldbruck). Im Zuge der Antragstellung wird der Grund angegeben (meistens körperliche Gebrechen) und zumeist die Kopie des Nachweises der russischen Gefangenschaft zugeschickt. Ein interessantes, zeitlich begrenztes Schlaglicht auf Stand, Lebensverhältnisse und Vergangenheit einzelner Heimkehrer und ehemaliger Kriegsgefangener. Sehr umfangreich überliefert sind die Anstrengungen zur Errichtung von Heimkehrersiedlungen und Bauverhoben von Spätheimkehrern. Diese erfolgten in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts und waren eng verbunden mit einem konkreten Projekt: " 'Hilf dir selbst ... so hilft dir Gott', so lautete das Motto des Bauvereins 'Glaube und Tat' des Verbandes der Heimkehrer (.). Das Ziel des Bauvereins war es, im Wege der Selbsthilfe und unter sachkundiger Leitung Siedlungshäuser für arbeitslose Spätheimkehrer zu bauen. Die Grundvoraussetzung des Vereins, Muskelkraft und handwerkliche Fähigkeiten statt Geld als Kapital bei der Kostenberechnung einzubringen, deutet auf die Wohnungsnot der Nachkriegszeit hin und auf die Bereitschaft der Betroffenen, ungewöhnliche Wege zur Beseitigung dieser Notlage einzuschlagen."
[Zitat aus Quelle (Stand: April 2016): www.geesthacht.de/showobject.phtml?object=tx|25.1609.1|&ModID=7&FID=25.1806.1]

Einen eigenständigen Block bilden Versorgungsangelegenheiten. Einige Dutzend Akten behandeln generelle Regelungen und vor allem einzelfallbezogene Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht. Die konkrete Dienstleistung des VdH für seine Mitglieder besteht aus der Beratung in Versorgungsfragen und aus deren Vertretung vor Gerichten und Behörden. Diese in der Satzung verankerten Leistungen des VdH sind freiwillig und begründen keinen Rechtsanspruch. Dies hat in einigen Fällen zu Unzufriedenheit, harscher Reaktion und Streitigkeit geführt. Durch die gefühlte Ungerechtigkeit wurden Erinnerungen an Krieg, Gefangenschaft und Folgeschäden heraufbeschworen und zu Papier gebracht. Eine gewisse Brisanz beinhalten beigefügte ärztliche Gutachten und Befunde.

Die abgegebenen und nach Prüfung der Archivwürdigkeit im Bestand belassenen analogen Audio-, Video- und Bildmedien (Magnettonbänder, Super-8- und 16-mm-Filme, Negative und Diapositive) verhelfen dem Bestand zu einer besonderen Vielfalt. Diese Medien sind nach Abschluss der Verzeichnungsarbeit zur Wandlung in digitale Dateienformate in Auftrag gegeben worden. Aus den ebenfalls in den Archivbestand übernommenen Gegenständen ragen eine originale schwarze Winterjacke aus russischer Gefangenschaft und große Stoffbanner mit dem Emblem des VdH und den Schriftzügen "Gebt unsere Gefangenen frei" und "Gebt sie endlich frei!" heraus.

Zu bestellen ist der Bestand unter

Heimkehrerverband & Bestellnummer

11. April 2016
Heinz-Jürgen Weber

Reference number of holding
Verband der Heimkehrer Heimkehrerverband
Extent
256
Language of the material
deutsch

Context
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Archivtektonik) >> Beständetektonik des Bayerischen Hauptstaatsarchivs >> 5 Abteilung V: Nachlässe und Sammlungen >> 5.2 Verbandsschriftgut >> 5.2.5 Jugend und Freizeit, Frauen, Soziales, Gesundheit, Sport, Opfer- und Betroffenenverbände

Date of creation of holding
1905-2012

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Last update
03.04.2025, 11:05 AM CEST

Data provider

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Object type

  • Bestand
  • Akten

Time of origin

  • 1905-2012

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