Bestand

Württembergischer Kreditverein Stuttgart und Leibrentenbank (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
ARCHIVBESTAND
Das Archiv des Württembergischen Kreditvereins (WKV) umfaßt - bei einem Gesamtumfang von 6. 60 lfd. m - 4. 80 m Akten (1817 bis 1934) und 1. 80 m Bände, davon 36 Protokollbände des Verwaltungsausschusses bzw. Vorstandes (1826 bis 1941), sowie 20 Bände Mitgliederverzeichnisse (1827 bis 1927).
Den Verzeichnungsarbeiten lag ein ungeordneter Bestand ohne Repertorien vor; die vorhandenen Teilrepertorien umfassen die Registratur bis 1920: zwei Hefte (Repertorium mit Sachregister) wurden 1877 von Steeb angelegt, Nachträge sind bis 1897 erkennbar; ein Heft (Sachregister zum Repertorium) entstand 1900 durch Baudistel, hier reichen die Nachträge bis 1920. Hinzu kommt noch ein weiteres Heft, in dem die 1877 als "Alte Akten" ausgeschiedenen Registraturteile verzeichnet sind.
BESTANDSGESCHICHTE
Das im Zusammenhang mit dem Vorläufer des WKV, der Leibrentenbank, entstandene Registraturgut wurde nur zum Teil in die erste Registraturschicht des WKV eingegliedert, die seit etwa 1827 - wohl mit Aufnahme der Geschäftstätigkeit des Kreditvereins - von Nast angelegt wurde. Diese Vorgängerakten waren nach zwei Prinzipien geordnet, zum einen nach dem Korrespondentenprinzip, zum anderen nach dem Sachprinzip. Bei den Registraturordnungen von 1827, 1877 und 1900 fand eine ausschließliche Komposition von Sachakten statt; allerdings ist eine Sachsystematik in den jeweiligen Registraturschichten nicht erkennbar. Lediglich die Akten über die Gründung (bis 1826 einschließlich) und die Akten über die Generalversammlungen wurden bei den Ordnungsmaßnahmen von 1877 und 1900 jeweils an den Anfang des Repertoriums gestellt.
Durch die genannten drei Ordnungsmaßnahmen wurden indessen wesentliche Bestandteile des vorliegenden Archivkörpers in die Verzeichnung nicht mit einbezogen: sämtliche Sitzungsprotokolle des Ausschusses/Vorstandes, die Personalakten, die Mitgliederverzeichnisse und die Unterlagen über die jeweiligen Darlehen (Schuldner), die gesamte Buchführung einschließlich ihrer Belege.
Durch mehrere Aktenkassationen wurde das Registraturgut weitgehend dezimiert; unter anderem wurden nachweislich vernichtet:
1831, 1834 und 1838 eingelöste Obligationen und Kupons;
1859 Obligationen, Kupons, Unterlagen über abgelöste Darlehen (1827-1839), Kassenbücher (1826-1837) Briefkonzeptbücher, mehrere Jahrgänge des "Schwäbischen Merkur". (Der Kuriosität halber sei erwähnt: Ein in Samt gebundenes Lagerbuch über die Verhältnisse des Fürsten Thurn und Taxis wurde zur Vernichtung vorgeschlagen, ist möglicherweise aber in Staats- oder Privatbesitz gelangt);
1875 2 Hauptbücher, 4 Kassenbücher; die unzureichende Dokumentation läßt jedoch einen größeren Umfang des vernichteten Registraturgutes vermuten;
1878 Obligationen und Kupons;
1900 Aus Anlaß des Umzugs der Registratur fand in diesem Jahr die umfangreichste bekannte Aktenkassation (ca. 50 Zentner) statt: Unterlagen über Konversionen, Akten über abgelöste Darlehen (bis 1889), Beilagen zu den Vereinsrechnungen (1827-1889), Kassenbücher (1841-1888).
Über diese dokumentierten Aktenkassationen hinaus hat es noch weitere Aktenverluste gegeben, wie Vergleiche des vorliegenden Bestandes mit dem Verzeichnis der Alten Akten (1877) und den Repertorien von 1877 und 1900 ausweisen.
Inhalt und Bewertung
BEWERTUNG DES BESTANDES
Der weitaus umfangreichste Teil der Registratur zwischen 1817 und 1941 ist durch Kassationen und anderweitige Verluste vernichtet worden. Zwei wichtige Quellen indessen erlauben noch eingehende Untersuchungen, deren Ergebnisse über die vorhandene Literatur hinausführen werden. An erster Stelle ist die stattliche, vollständige Reihe der Protokollbände des Ausschusses und des Vorstandes (1826 bis 1941) zu nennen, die bisher überhaupt noch nicht verwertet werden konnten. Wenn auch im wesentlichen Beschlußprotokolle, so enthalten sie dennoch - von der Funktion des Ausschusses/Vorstands als Geschäftsführung des WKV bestimmt - umfangreiche Daten zur Geschichte des WKV selbst und seiner Geschäftspolitik sowie zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Württembergs und Bayerns im 19. und dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Diese Protokolle werden ergänzt durch die seit 1832 (bis 1921) vorliegenden Akten zu den Generalversammlungen sowie durch die überwiegend noch vorhandenen, im dreijährigen Turnus vorgelegten Geschäftsberichte des Vorstands (1827 bis 1934).
Als zweite - ebenfalls noch unausgeschöpfte - Quelle sind die vollständig vorliegenden Mitgliederverzeichnisse zu nennen, die von 1827 bis 1927 reichen (Mitglied des WKV war jeder, der von ihm ein Darlehen erhalten hatte). Dadurch kann die völlige Vernichtung aller Einzelakten über die einzelnen Darlehen zum Teil wieder ausgeglichen werden.
Unter Einbeziehung der genannten Protokolle des Vorstands, in denen alle von ihm behandelten Darlehensgesuche - auch die abgelehnten - verzeichnet sind, lassen sich dezidierte Angaben zur Sozialstruktur der Darlehensnehmer und ihrer regionalen Verteilung gewinnen. Daraus können dann wichtige Ergebnisse z. B. zur Frühindustrialisierung Württembergs abgeleitet werden.
Die ebenfalls überwiegend noch vorhandenen Bilanzen und Kassenberichte sind in ihrem Quellenwert insofern eingeschränkt, als bei Hiltenkamp (s. u. ) bereits Bilanzauszüge von 1828 bis 1904 abgedruckt sind.
Erwähnenswert sind fernerhin die Kassenberichte der Münchener Filiale des WKV, da hieraus auf den Umfang des bayerischen Anlehengeschäftes geschlossen werden kann. Im Gegensatz zu den genannten Mitgliederverzeichnissen, die ja die Reihe der Darlehennehmer vollständig enthalten, kann über die Kapitalgeber des WKV nur bedingt etwas ausgesagt werden: die vorhandenen Nachweise (vgl. Nr. 345ff) lassen wegen ihrer Lückenhaftigkeit nur vorsichtige Analysen zu.
WEITERE ÜBERLIEFERUNGSORTE
Neben den im Hauptstaatsarchiv nachgewiesenen Archivalien über den WKV (Bestand E 14, 1201, Nr. 1 und E 130 F 11/9, vermutlich auch in anderen Beständen) ist weitere Überlieferung zu erwarten:
1. im Fürstl. Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen;
2. in den Familienarchiven der an der Gründung der Leibrentenbank und des WKV beteiligten Adelsgeschlechter;
3. im Stadtarchiv Stuttgart (C I 3 Bd. 3);
4. in der Registratur des Handelsgerichts Stuttgart;
5. in den Familienarchiven derjenigen Standesherrn, die vom WKV ein Darlehen erhalten hatten;
6. in den Gemeindearchiven derjenigen Gemeinden,
a) die selbst ein Darlehen aufgenommen haben,
b) in denen die Schuldner des WKV wohnhaft waren. GESCHICHTE DES WKV
Der Württembergische Kreditverein fand als das erste Bodenkreditinstitut Württembergs (die seit 1822 eingerichteten Oberamtssparkassen hatten nur nebenbei hypothekarische Geschäfte wahrgenommen) wiederholt Darstellungen; seine Entstehungsgeschichte ist jedoch bisher weitgehend unbekannt.
Im Jahr 1816 entwarf der bayerische Rat Hans Caspar von Brunner einen Tilgungsplan zur Entschuldung der gräflich Fugger'schen Besitzung Blumenthal, Krs. Aichach, hatte aber in Bayern keinen Erfolg mit seinen Vorschlägen. Daraufhin wandte er sich 1817 an die württembergische Regierung und erhielt noch im gleichen Jahr das königliche Privileg für die Errichtung von Leibrentenbanken. Nach längeren Vorbereitungen unter starker Beteiligung württembergischer Standesherren - u. a. auch des Fürsten Karl Egon von Fürstenberg, dessen Biograph Alexander von Platen diese Tätigkeit nicht nennt - wurde 1822 das Statut einer Leibrentenbank veröffentlicht; diese scheint aber - im WKV-Archiv sind darüber weiter keine Unterlagen erhalten - ihre Geschäftstätigkeit garnicht erst eröffnet zu haben. Jedenfalls erhielt der gleiche Personenkreis, der sich um die Errichtung der Leibrentenbank bemüht hatte, am 25-. September 1825 die landesherrliche Genehmigung für die Statuten eines "Württembergischen Creditvereins". Der amtierende "Provisorische Ausschuß" forderte am 1. August 1826 unter gleichzeitiger kurzer Andeutung der Geschäftsprinzipien des WKV zu Anmeldungen von Darlehen auf, die bei endgültiger Aufnahme der Geschäftstätigkeit des WKV am 1. Januar 1827 eine Summe von fast 10 Mio Gulden erreicht hatten.Die Aufgabe des WKV wird durch das Motto zu den Revidierten Verwaltungsgrundsätzen 1845 umschrieben: "Der WKV ist eine Verbindung von Grundeigentümern zu Kapitalaufnahmen auf gemeinschaftliche Rechnung mit der Bestimmung: die aufgenommenen Kapitalien zu Anleihen an seine Mitglieder zu verwenden, und mittelst der von diesen zu zahlenden Renten zu tilgen. "
Das benötigte Kapital wurde durch Ausgabe und Vertrieb von Obligationen über auswärtige Banken beschafft (in Württemberg gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Geschäftsbanken); die Rückzahlung der Obligationen wurde durch Verlosung bestimmt.
Darlehen wurden nur gegen die erste Hypothek ausgegeben, sie waren rückzahlbar zwischen 10 und 50 Jahren.
Die mehrfach belegten Statutenänderungen brachten keine Änderung der Geschäftsprinzipien mit sich.
Alle drei Jahre fand eine Generalversammlung aller Mitglieder statt, auf denen unter anderem auch die fünf Angehörigen des Vorstands sowie deren Stellvertreter gewählt wurden (Vorstandsmitglieder mußten nicht dem WKV angehören). Dieser wiederum bestimmte aus seiner Mitte den Direktor (s. u. ).
Der WKV unterstand der Staatsaufsicht, die das Ministerium des Innern durch einen Staatskommissar wahrnehmen ließ.
Die Geschäftsentwicklung des WKV läßt sich kurzgefaßt in folgender Weise charakterisieren: Bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871 stieg der Geschäftsumfang im ganzen gesehen stets leicht an, danach bis 1875 auf fast das Doppelte, um dann bis 1883 kontinuierlich zurückzugehen. Nach 1883 erlebt der WKV erhebliche Umsatzsteigerungen, wobei diese letzte Entwicklung auf den Wechsel in der Direktorenstelle 1883 zurückzuführen sein wird. Inwieweit diese Entwicklung den allgemeinen Konjunkturentwicklungen entgegenläuft, bedarf noch einer genaueren Prüfung.
Anfang April 1914 war der WKV Gegenstand einer Beratung der Württ. Zweiten Kammer der Abgeordneten über seine Bedeutung für das Kreditbedürfnis des Mittelstandes. Die Tätigkeit des alten WKV endete schließlich in der Inflation, als die Darlehensnehmer versuchten, die Inflationsrate zur Abzahlung ihrer Darlehen auszunutzen. Im Anschluß an den Beschluß über die Liquidation des WKV wurde auf der Generalversammlung vom 15. Oktober 1923 die Gründung der WKV-AG beraten, Gründungszeichner waren der Württembergische Sparkassen-Giroverband und die Zentralkasse Württembergischer Kreditgenossenschaften. Aufgrund des Aufwertungsgesetzes vom 29. November 1925 kündigte der WKV allen seinen Darlehensnehmern mit dem letzten Rückzahlungstermin auf 1. Januar 1938; die Liquidation selbst wurde erst am 22. Dezember 1927 vom württembergischen Wirtschaftsministerium genehmigt. Der alte WKV endete am 31. Oktober 1941 durch Schließung seiner Bücher und durch Vorstandsbeschluß vom 12. November 1941.
DIREKTOREN DES WKV
von Reischach 27. 2. 1827 - 19. 12. 1827
Günzler 19.12. 1827 - 30.12. 1834
von Bück 15. 1. 1835 - 25.11. 1835
Walz 25.11.1835 - 28.10.1842
Wagner, Wilhelm 28. 10.1842 - 16.10.1883
Tafel 16.10.1883 - 31.12.1906
von Seitz 11. 3.1907 - 1. 4. 1919
von Schmidt 2. 6.1919 - 27. 4.1928
Lindenmayer 1. 7.1928 - 12-11.1941

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, P 11

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Deposita

Weitere Objektseiten
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Landesarchiv Baden-Württemberg. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Bestand

Ähnliche Objekte (12)