Bestand
Deutsche Friedens-Union (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Organisationsgeschichte der DFU
Aufgrund
ausbleibender Erfolge bei Bundes- und Landtagswahlen gehörte die
‚Deutsche Friedens-Union' (DFU) zu den zahlreichen Parteien in der
Bundesrepublik, die ihr Dasein „im Schatten der Macht" fristeten. Dass
sie dennoch eine der umstrittensten westdeutschen Kleinparteien gewesen
ist, und häufig Gegenstand von Berichterstattungen und Diskussionen war,
die auch nach Auflösung ihrer Bundesorganisation im Jahre 1990 nicht
abebbten, hängt mit ihrer besonderen Rolle im ‚doppelten Deutschland'
zusammen. Als ‚Anerkennungspartei', die für das Existenzrecht der DDR
eintrat, war sie im bundesdeutschen Parteienwettbewerb weitgehend
isoliert, zumal ihre politischen Vorstellungen und Lösungsansätze in der
Regel eine kritische Distanz zu den Positionen Ost-Berlins vermissen
ließen. Seit ihrer Gründung wurde sie daher vom politischen Gegner
entsprechend attackiert und aufgrund ihrer Initialen „Die Freunde
Ulbrichts" genannt.
Auch wenn dies keineswegs
allen aktiven Mitgliedern bewusst gewesen sein mag, spielte die DFU in
den deutschland- und westpolitischen Konzeptionen der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands (SED) tatsächlich eine wichtige Rolle.
In ihrem Anfang Dezember 1960 veröffentlichten
Gründungsaufruf zeigten sich die Unterzeichner „entschlossen, eine neue
politische Kraft zu schaffen", um der „sinnlosen und gefährlichen
Rüstungspolitik den Kampf" anzusagen. Die politischen Entscheidungen der
Bundesregierung hätten weder die versprochene Sicherheit noch die
Wiedervereinigung gebracht, so dass eine Politik notwendig sei, „die
entschlossen auf den Frieden" hinarbeite.
Im Laufe
des Jahres 1960 hatten sich verschiedene in Gegnerschaft zur Bonner
Regierungspolitik stehende Gruppierungen und Persönlichkeiten Gedanken um
eine Wahlalternative für die im Herbst 1961 anstehenden Bundestagswahlen
gemacht, da in diesen Kreisen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands
als größte Oppositionspartei nicht mehr wählbar erschien. Der Grund lag
zum einen im Ende 1959 auf dem Bad Godesberger Sonderparteitag
beschlossenen Grundsatzprogramm, in welchem sich die SPD zum Unwillen von
Teilen ihres linken Parteiflügels von marxistischen Positionen gelöst
hatte. Zum anderen zog sich die SPD spürbar aus der von ihr
mitinitiierten Anti-Atom-Bewegung zurück, was in pazifistischen Kreisen
einen erheblichen Ansehensverlust mit sich brachte. Zudem vollzog die
Führung der deutschen Sozialdemokratie im Sommer 1960 einen
programmatischen Kurswechsel ihrer außenpolitischen Vorstellungen und
bekannte sich ausdrücklich zur Verankerung der Bundesrepublik im
atlantischen Bündnis. Die SPD hatte somit ihren Frieden mit der von ihr
jahrelang bekämpften Westintegrationspolitik Adenauers gemacht.
Dieser Schritt der SPD wirkte nach Ansicht des
DFU-Mitbegründers und damaligen Funktionärs der sozialdemokratischen
Jugendorganisation ‚Die Falken', Lorenz Knorr, „desorientierend" auf die
vielen SPD-Mitglieder, die „aktiv am Kampf gegen Remilitarisierung,
NATO-Beitritt, atomare Aufrüstung und die ‚falsche Gesamtpolitik
Adenauers' beteiligt waren."
Bereits zu Beginn des
Jahres 1960 hatten sich abtrünnige SPD-Politiker im ‚Zentralausschuss der
ausgeschlossenen und ausgetretenen Sozialdemokraten' zusammengefunden,
auf dessen Anregung zahlreiche Linkssozialisten Anfang November 1960 die
‚Vereinigung Unabhängiger Sozialisten' (VUS) ins Leben riefen. Die
VUS-Aktivisten lehnten mehrheitlich die Gründung einer neuen
sozialistischen Partei ab und favorisierten die Etablierung einer sich
auf breite oppositionelle Kräfte stützende sozial orientierte
‚Friedenspartei'. Im Sommer 1960 hatten daher Mitglieder des
‚Zentralausschusses der ausgeschlossenen und ausgetretenen
Sozialdemokraten' Kontakt zu Vertretern anderer regierungskritischer
Kreise aufgenommen, um im Hinblick auf die im Folgejahr anstehenden
Bundestagswahlen ein geschlossenes und wirksames Auftreten der Opposition
zu forcieren.
Zu diesen Kreisen zählte der
nationalneutralistische „Deutsche Klub 1954" unter Vorsitz von Karl Graf
von Westphalen, der Mitherausgeber der 1956 erstmals erschienenen
‚Blätter für deutsche und internationale Politik' war, in dessen
Autorenpool es zahlreiche Sympathisanten der DFU gab. Vertreter dieses
eher linksbürgerlichen Spektrums veröffentlichten Mitte Oktober 1960
einen Aufruf, in dem sie an die Pflicht aller Befürworter der
deutsch-deutschen Verständigung und Gegner der atomaren Aufrüstung
appellierten, „sich über parteipolitische und ideologische Schranken
hinweg zusammenzuschließen." Inhaltlich deckungsgleich war ein Aufruf von
Vertretern der kirchlichen Bruderschaften der Evangelischen Kirche, in
dem alle politischen Kräfte, die bereit seien, sich für Abrüstung und
Ost-West- Verständigung einzusetzen, ersucht wurden, im Hinblick auf die
anstehenden Bundestagswahlen „miteinander Fühlung aufzunehmen." Darüber
hinaus sprach sich der ‚Bund der Deutschen' (BdD), eine im Frühjahr 1953
unter Vorsitz des ehemaligen Reichskanzlers Joseph Wirth und des ersten
Mönchengladbacher Nachkriegsoberbürgermeisters Wilhelm Elfes gegründete
Partei, für eine Zusammenfassung regierungskritischer Kreise aus. Am 29.
Oktober 1960 beschlossen 36 Vertreter dieser unterschiedlichen
Vereinigungen und Zirkel bei einem Treffen in Frankfurt, „eine Union zu
gründen, die alle umfassen soll, die aus Gewissen und Verantwortung die
bisherige Politik für ein Verderben halten und in letzter Stunde dazu
bereits sind, sich auf ein politisches Notprogramm zu einigen." Auf
dieses ‚Notprogramm' sollten sich auch Mitglieder der seit 1956
verbotenen KPD verpflichten.
Trotz späterer
Modifikationen der gesamtdeutschen Arbeit, die sich an den jeweiligen
Handlungsspielräumen der DDR orientierten, sah die deutschlandpolitische
Position der DDR vor, dass eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten
ausschließlich unter sozialistischen Vorzeichen realisiert werden könne.
Zum einen sollte eine politisch und ökonomisch gefestigte DDR als
‚Kernstaat' auf den westdeutschen Teilstaat ausstrahlen, zum anderen der
Umwandlungsprozess in der Bundesrepublik durch eine operative „Arbeit
nach Westdeutschland" - auch „Westarbeit" genannt - gefördert werden. Der
Begriff „Westarbeit" umschreibt die allgemeine Agitation und Propaganda
in der Bundesrepublik, dessen Ziel es war, politisch-ideologisch auf
Persönlichkeiten in Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft
einzuwirken, die im Sinne der DDR auf die Meinungsbildung in
Westdeutschland Einfluss nehmen sollten. Diese verdeckte Einflussnahme
sollte u.a. durch die Etablierung befreundeter westdeutscher
Bündnispartner erfolgen, deren enge Verbindungen zur KPD bzw. SED nicht
für jedermann sofort sichtbar waren.
Nachdem
wahlpolitische Erfolge des ‚Bundes der Deutschen' (BdD) ausgeblieben
waren, formulierte die KPD-Führung bereits Ende 1958 das Ziel, „aus allen
Parteien und Schichten der Bevölkerung (…) einflussreiche Kräfte zu
gewinnen und zu einer nationalen Sammlungsbewegung zusammenzuschließen
(…), die mit ihrem konstruktiven nationalen Programm an den Wahlen zum
Bundestag im Jahre 1961 teilnehmen" könne.
Die SED
registrierte sorgsam die Tendenzen der sich herauskristallisierenden
oppositionellen Zirkel und Vereinigungen in der Bundesrepublik und
formulierte als Ziel ihres taktischen Vorgehens bei den Bundestagswahlen,
„die Sammlung aller nationalen und friedliebenden Kräfte in
Westdeutschland bis in die Reihen der Bourgeoisie voranzutreiben" und sie
„soweit zu beeinflussen, dass sie offen (…) gegen die Politik der
Adenauer und Strauß kämpfen."
Die
Gründungsversammlung der Deutschen Friedens-Union fand am 17. Dezember
1960 im Stuttgarter ‚Höhenrestaurant Schönblick' statt. Nach Auskunft der
DFU-Mitbegründerin Renate Riemeck sollte der Parteiname „den Zusammenhalt
von Bürgern der Bundesrepublik und der DDR" signalisieren (‚Deutsche'),
aufgrund der potentiellen Kriegsgefahr „der Einsatz für den ‚Frieden'
betont werden" und im Namen ‚Union' „die weltanschauliche Breite ihrer
Trägerschaft zum Ausdruck kommen." Die Stuttgarter Gründungskonferenz
machte jedoch deutlich, dass sich diese gewünschte Breite des politischen
Spektrums innerhalb der Partei nicht wiederfand. Gegenüber den an einer
Unionsgründung interessierten Vereinigungen hatte sich der Kreis der an
der Parteikonstituierung beteiligten Personen erheblich verengt. Die
Gründung der neuen Partei reduzierte sich auf die Etablierung eines
politischen Bündnisses von Kommunisten und Sozialisten, linken Christen
aus Kreisen der kirchlichen Bruderschaften sowie verschiedenen
pazifistischen Organisationen und einigen bürgerlich-konservativen
Persönlichkeiten.
Entsprechend der
bündnispolitischen Ausrichtung der Partei lag der Schwerpunkt des ersten
Programms auf der Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik. Um ihre
politischen Ziele ‚Frieden', ‚Sicherheit' und ‚Wiedervereinigung' zu
erreichen, forderte die DFU ein Atomwaffenverzicht, die Schaffung einer
kernwaffenfreien Zone in Europa, eine militärische Neutralisierung
Deutschlands sowie ernsthafte Ost-West- Verhandlungen. Sozial- und
wirtschaftspolitische Forderungen beschränkten sich weitgehend auf den
Ausbau staatlicher Sozialleistungen, für den nach der gewünschten Abkehr
von der Rüstungspolitik auch finanzielle Mittel zur Verfügung stünden.
Die innenpolitischen Aussagen fokussierten sich weitgehend auf ein
Eintreten für die Erhaltung der staatsbürgerlichen Grundrechte. Die
Beschränkung auf den kleinsten gemeinsamen politischen Nenner sollte die
Einbindung möglichst Vieler unabhängig von sonstigen sozialen, religiösen
und ideologischen Bindungen garantieren.
In den
Monaten Februar und März 1961 konstituierten sich die Landesverbände der
Deutschen Friedens-Union. Entsprechend der Wahlkreiseinteilung für die
Bundestagswahlen erfolgte im Frühjahr 1961 die Gründung der
DFU-Bezirksverbände in den einzelnen Bundesländern.
Im Wahlkampf hatte die neue Partei einen schweren Stand. Bereits im
Februar 1961 warnte Bundesinnenminister Gerhard Schröder im Deutschen
Bundestag ausdrücklich vor der DFU, „mit deren Hilfe der Kommunismus sich
eine Plattform verschaffen möchte, um in den Parlamenten (…) wieder Fuß
zu fassen und von dort aus Einfluss auf das politische Leben in der
Bundesrepublik zu gewinnen." Auch die SPD vertrat die Ansicht, „dass
diese Union ein wesentlicher Bestandteil des strategischen Planes der
Kommunisten" sei, der helfen solle, „die Bundesrepublik zu unterhöhlen
und von innen heraus sturmreif zu machen" Ein von den Sozialdemokraten
gefordertes Verbot der DFU wurde von der CDU und FDP mit dem Hinweis
abgelehnt, der SPD gehe es dabei lediglich um parteitaktische
Überlegungen. Allerdings war diese Entscheidung der beiden
Regierungsparteien ebenfalls wahltaktisch motiviert, da die DFU vor allem
für die SPD eine potentielle Konkurrentin darstellte. Der
nordrhein-westfälische Innenminister Josef Hermann Dufhues erklärte im
August 1961 vor dem CDU-Bundesvorstand, man solle „gegen die DFU nichts
tun" sondern „sie in Ruhe arbeiten lassen." Schließlich ziehe sie „einen
großen Teil der unzufriedenen SPD-Wähler ab", was „durchaus in unserem
Interesse" liege.
Vom politischen Gegner als
„Parteigänger Moskaus" oder „Pankows neue Friedensengel" bezeichnet,
gelang es der für einen Ausgleich mit dem Osten werbenden DFU nicht, in
breitere Wählerschichten einzudringen, zumal offizielle Verlautbarungen
in der DDR sie als einzig wählbare Alternative in der BRD präsentierten
und der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 die ohnehin geringen
Wahlchancen auf ein Minimum schwinden ließ. Der von der SED als
Werbeleiter für den DFU-Wahlkampf eingesetzte illegale KPD-Aktivist und
langjährige Chefredakteur der Zeitschrift ‚konkret', Klaus Rainer Röhl,
erklärt rückblickend, der Mauerbau habe „der DFU das Rückgrat gebrochen."
In einer ersten Stellungnahme der DFU-Bundesgeschäftsstelle hieß es, die
„neuen Kontrollmaßnahmen in Berlin" hätten „die verantwortlichen
Politiker der Bundesrepublik (…) durch ihre eigene verhandlungsfeindliche
Deutschlandpolitik verschuldet." Diese eindeutig auf SED-Linie liegende
Position fand in der DFU keineswegs ungeteilte Zustimmung und führte zu
ersten Parteiaustritten von führenden Parteivertretern.
Das Unbehagen zahlreicher DFU-Aktivisten nahm nach dem
enttäuschenden Ausgang der Bundestagswahlen am 17. September 1961, bei
dem die Deutsche Friedens-Union lediglich 1,9 % der Stimmen erhielt, zu.
Nicht wenige vertraten im Hinblick auf die seitens der Parteiführung
stets mit Wohlwollen bedachte DDR-Politik die Ansicht, das Ziel der DFU
sei weder „eine staatlich gelenkte Meinung zu organisieren" noch „eine
politische Vormundschaft über politisch Andersdenkende." Die
verantwortlichen Stellen in Ost-Berlin registrierten mit Sorge, dass
„wachsende Meinungsverschiedenheiten und antikommunistische Positionen"
innerhalb der Partei an Boden gewännen. Das unterkühlte Verhältnis
zwischen Kommunisten und Nicht-Kommunisten in der DFU bestand vor allem
in den 1960er Jahren weiter fort und führte etwa im Frühjahr 1963 zum
Parteiausschluss einer Gruppe um den niedersächsischen
DFU-Landesvorsitzenden Gerhard Bednarski. Zwar wurde die Mitarbeit von
Kommunisten innerhalb der DFU grundsätzlich befürwortet, über das Ausmaß
ihres Einflusses gab es jedoch unterschiedliche Auffassungen. Nach ihrem
enttäuschendem Abschneiden bei den Bundestagswahlen im Jahre 1965, bei
der die Partei lediglich 1,3% der Wählerstimmen bekam, plädierten
einzelne Landesverbände, sich deutlicher von kommunistischen Positionen
abzugrenzen.
Die Mitarbeit von KPD-Kadern und
deren Einfluss innerhalb der DFU blieb jedoch bestehen. Für die im Jahr
1967 anstehenden Landtagswahlen erging etwa an die westdeutschen
Kommunisten die Direktive, die DFU „wirksam zu unterstützen und ihr
aktive Hilfe im Wahlkampf" zukommen zu lassen. Allein schon aus
finanziellen Gründen war die DFU auf die offiziell stets geleugneten und
nicht allen Unions-Aktivisten bekannten Zuwendungen aus Ost-Berlin
angewiesen. Über die selbst SED-intern sorgsam abgeschirmte ‚Abteilung
Verkehr' des Zentralkomitees der Einheitspartei wurde mit verdeckten
Zahlungen neben anderen Organisationen auch die DFU alimentiert. Zu
Beginn der 1970er Jahre erhielt sie z.B. monatlich 277 000 DM.
Neben ihren wenig erfolgreichen Wahlbeteiligungen -
abgesehen von lokalen Erfolgen erzielte sie ihr bestes Ergebnis auf
Landesebene mit 4,2% bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft im Jahre 1967
‧- beteiligte sich die DFU an zahlreichen außerparlamentarischen Aktionen
und Bewegungen.
Aufgrund der aktiven Beteiligung
von zahlreichen ihrer Mitglieder warb die Deutsche Friedens-Union
gelegentlich offen für die Ostermarschmarsch-Bewegung so dass deren
Sprecher - wie etwa im Wahljahr 1965 - die DFU-Führung an die „strikte
Beachtung der parteipolitischen Neutralität" erinnern musste und zudem
betonte, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, als wäre die
Ostermarsch-Kampagne „eine außerparlamentarische Hilfsaktion der DFU."
Auch die pazifistischen Organisationen in der Bundesrepublik pochten nach
Gründung der in ihren Reihen zum Teil befürworteten DFU auf
parteipolitische Neutralität, zumal ein offenes Werben für die schlecht
beleumundete Union negative Auswirkungen auf das Erscheinungsbild ihrer
eigenen Organisationen gehabt hätte.
Sehr aktiv
beteiligte sich die DFU an Aktionen gegen die Verabschiedung der
Notstandsgesetze, welche die alliierten Sicherheitsvorbehalte aus dem
1955 in Kraft getretenen Deutschlandvertrag ablösen sollten. Die DFU sah
seit ihrer Gründung in der Notstandsgesetzgebung „die innenpolitische
Ergänzung der sinnlosen Rüstungs- und Militärpolitik" mit der das Ziel
verfolgt werden solle, „die Rechte der verfassungsgemäß gewählten,
gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft
zu setzen und der Bundesregierung (…) autoritäre Vollmachten zu
übertragen." Erst nach Bildung der Großen Koalition, die nach Ansicht der
DFU „die gefährliche Politik der Unionsparteien" rette und weiterführe,
passierten die Notstandsgesetze im Mai 1968 die parlamentarischen
Hürden.
Wenige Wochen später beschloss ein
außerordentlicher Parteitag der DFU die Beteiligung der DFU an einem
Aktions- und Wahlbündnis zur Bundestagswahl 1969. Bereits unmittelbar
nach Bildung der Großen Koalition hatte DFU-Direktoriumsmitglied Arno
Berhrisch dafür geworben, dass sich alle demokratisch-oppositionellen
Kräfte „von einer geläuterten FDP bis hin zu den linken Sozialisten (…)
ohne Preisgabe ihrer organisatorischen Eigenständigkeit (…) bis 1969 zu
einer Wahlunion zusammenschließen" sollten. Nach langwierigen
Diskussionen innerhalb der links von der SPD stehenden politischen Zirkel
und Parteien schlossen sich verschiedene Kreise am 7. Dezember 1968 in
Frankfurt am Main zur Partei „Aktion Demokratischer Fortschritt" (ADF)
zusammen.
Die Tatsache, dass sich die erst wenige
Wochen zuvor neu gegründete „Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) am
Bündnis beteiligte, ließ das ADF-Spektrum von Beginn an erheblich
schrumpfen. Vor allem die rückhaltlose Zustimmung der westdeutschen
Kommunisten zur Niederschlagung des ‚Prager Frühlings' durch die Truppen
des Warschauer Paktes, hatte die DKP in den regierungskritischen Kreisen
der Bundesrepublik weitgehend diskreditiert - und somit auch das neu
geschmiedete Wahlbündnis.
Neben der DKP waren
innerhalb der ADF vor allem jene Organisationen vertreten, die in den
Jahren zuvor bereits im Rahmen der DFU versucht hatten, parlamentarische
Erfolge zu erzielen. Das Ergebnis der Aktion Demokratischer Fortschritt
bei den Bundestagswahlen im September 1969 war mit einem Stimmenanteil
von lediglich 0,6% ernüchternd; sie trat in der Folgezeit als
Aktionsbündnis nur noch kurzzeitig, als Wahlpartei überhaupt nicht mehr
in Erscheinung.
Die DFU begrüßte den
‚Machtwechsel' in Bonn, beabsichtigte aber die neue sozial-liberale
Regierungskoalition „ständig mit konstruktiver Kritik und weiterführenden
Alternativen zu konfrontieren." Zudem kündigte sie an, „wieder viel
stärker mit eigenen Vorschlägen und Aktionen in die praktische Politik
eingreifen" zu wollen.
Als selbständige Wahlpartei
trat die DFU in der Folge allerdings nicht mehr in Erscheinung und
kandidierte lediglich in einigen Wahlkreisen bei verschiedenen Wahlen auf
Kommunal- und Landesebene, um ihren Parteienstatus nicht zu verlieren.
DFU-Bundesgeschäftsführer Heinrich Werner erklärte entsprechend auf dem
5. Unionstag im November 1970, die von der Partei angestrebte
„demokratische Bündnispolitik" erfordere „neue (…) flexible Arbeits- und
Organisationsformen." Mit Hilfe der Bildung von fachspezifischen
‚Kommissionen' und ‚Arbeitskreisen' - etwa der ‚Bildungspolitischen
Kommission' und dem ‚Arbeitskreis für Mittelstandsfragen'- versuchte die
DFU, in verschiedenen Personengruppen für ihre politischen Vorstellungen
zu werben.
Durch die Ostpolitik der Regierung
Brandt/Scheel war nach eigenem Bekunden der DFU „ein Teil [ihrer]
außenpolitischen Vorstellungen realisiert worden", so dass sie sich in
den 1970er Jahren „stärker als zuvor auch innenpolitischen Themen
zugewandt" habe. Sie setzte sich für grundlegende Reformen in der
Bildungspolitik ein und forderte in diesem Bereich eine „Überwindung des
Antikommunismus", eine „Erziehung im Sinne der friedlichen Koexistenz"
sowie die „Einübung antiimperialistischer Solidarität".
Besonders engagierte sich die DFU gegen die mit dem
‚Extremismusbeschluss' einhergehenden Berufsverbote. Dieser von den
Innenministern des Bundes und der Länder im Januar 1972 gefasste
Beschluss legte fest, dass Mitgliedern einer als verfassungsfeindlich
eingestuften Organisation Berufe im öffentlichen Dienst verwehrt blieben.
Die DFU-Führung sah in den Berufsverboten einen Verstoß gegen
grundlegende Verfassungsrechte und die Fortsetzung „einer ungebrochenen
antikommunistischen Tradition" in Deutschland. Horst Bethge und Erich
Roßmann - Mitglieder des DFU-Bundesvorstandes - zählten zu den
Initiatoren der im Juni 1973 gegründeten bundesweiten ‚Initiative „Weg
mit den Berufsverboten!"', die mit verschiedenen Kampagnen auf die
Problematik aufmerksam zu machen versuchte.
Als
Kernaufgabe betrachtete die DFU jedoch nach wie vor den ‚Kampf um den
Frieden'. Nachdem die im Jahre 1977 einsetzenden Diskussionen über die
Stationierung von Neutronenbomben als Antwort auf die sowjetische
Aufrüstung mit atomaren Mittelstreckenraketen bereits zu einer starken
Sensibilisierung des Rüstungsthemas in der Bevölkerung geführt hatte, kam
es nach der Verabschiedung des NATO-Doppelbeschlusses im Dezember 1979 zu
einer erheblichen Massenmobilisierung der Friedensbewegung. Mit dem
maßgeblich von Bundeskanzler Helmut Schmidt initiierten Doppelbeschluss
forderte der Westen die Sowjetunion zu Verhandlungen über die Reduzierung
ihrer atomaren Mittelstreckenraketen auf, kündigte aber zeitgleich an,
bei einem Scheitern der auf einen Zeitraum von vier Jahren angelegten
Gesprächsrunden ebenfalls neue Raketen in Westeuropa zu stationieren, um
das sicherheitspolitische Gleichgewicht wiederherzustellen. In einer
Erklärung des DFU-Direktorium zur Entscheidung des NATO-Ministerrates
heißt es, „was schönfärberisch mit ‚Nachrüstung' ausgegeben" und mit „der
Lüge von der ‚roten Gefahr' als unumgänglich ausgewiesen" werde, sei „in
Wahrheit die Absicht, das strategische Gleichgewicht zugunsten des
Westens zu verändern." Die DFU-Führung zeigte sich bereit, „diesen
Beschluss nicht widerstandslos hinzunehmen."
Gleichwohl die Ansicht, die bundesdeutsche Friedens- und
Protestbewegung sei ‚von Moskau initiiert und gesteuert worden', die
Rolle des DKP-nahen Spektrums bei weitem überschätzt, steht außer Frage,
dass es in dieser heterogenen Bewegung Kräfte gab, die die politische
Ausrichtung des Protestes nach Vorstellungen der SED voranzutreiben
versuchten. Für die DKP und ihr bündnispolitisches Umfeld kam es darauf
an, auf der Basis einer breiten Sammlung Massenaktionen ins Leben zu
rufen, die prominente ‚bürgerliche' Nichtkommunisten mit einschloss, um
die Überparteilichkeit ihrer ‚Friedensaktivitäten' zu unterstreichen. Ein
Erfolg dieser kooperativen Linie zeigte sich bei dem hauptsächlich von
der DFU initiierten ‚Krefelder Appell', einer Ende 1980 gestarteten
Unterschriftenkampagne, die lediglich die Stationierung neuer
amerikanischer Mittelstreckenraketen verurteilte.
An der Zusammenkunft im Krefelder Seidenweberhaus am 15./16.
November 1980, nahmen etwa 1000 geladene Gäste teil, unter ihnen Petra
Kelly von der erst zu Jahresbeginn gegründeten Partei ‚Die Grünen' sowie
der kurz zuvor aus der Bundeswehr ausgeschiedene General Gert
Bastian.
DFU-Direktoriumsmitglied Josef Weber
wurde Sprecher der nach dem Forum gegründeten ‚Krefelder Initiative'
(KI), die in der Folgezeit um weitere Zustimmung für den Appell „Der
Atomtod bedroht uns alle - Keine Atomraketen in Europa!" warb. Nach
eigenem Selbstverständnis oblag der DFU die Aufgabe, als „bewährte
Bündniskraft mit vielfältigen Erfahrungen und organisatorischem
Leistungsvermögen" mit dafür zu sorgen, „aus dem gegenwärtigen
Nebeneinander vielfältiger Gruppen für den Frieden (…) immer mehr
Gemeinsamkeit und Miteinander in der Aktion (…) realisieren zu helfen."
Nach Angaben der Krefelder Initiative hatten im November 1983, an dem der
Bundestag die Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen
beschloss, bereits mehr als fünf Millionen Menschen den Krefelder Appell
unterschrieben. Unabhängig von den tatsächlich geleisteten Unterschriften
steht außer Frage, dass die (Mit)Initiierung des Krefelder Appells der
größte Mobilisierungserfolg der DFU gewesen ist.
Die Verantwortlichen des ‚Friedensrates der DDR', der als nationale
Sektion des sowjetisch dominierten Weltfriedensrates bereits seit Mitte
der 1960er Jahre zum ersten Ansprechpartner der Deutschen Friedens-Union
im zweiten deutschen Staat zählte, registrierten Mitte der 1980er Jahre
mit Sorge, dass der Beginn der Raketenstationierung in der Bundesrepublik
„die Phase der Resignation, der Ratlosigkeit über die weiteren Aufgaben
[der Friedensbewegung] stärker als erwartet begünstigt" habe. Auch
innerhalb der DFU, die unmittelbar nach dem Bundestagsbeschluss zur
Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen noch selbstsicher
verkündete, es sei nun „nicht die Zeit, an der Kraft dieser Bewegung zu
zweifeln und die Chancen des schließlichen Sieges der Vernunft in Abrede
zu stellen" konstatierte man im Frühjahr 1984, man sei nun gefordert, die
„Wirkungsmöglichkeiten für die nächsten Jahre zu prüfen."
Ein Außerordentlicher Unionstag der DFU beschloss am 31.
Mai 1984 in Essen die Aufgabe des Partei-Status und legte fest, dass die
Deutsche Friedens-Union fortan als ‚politische Vereinigung' innerhalb der
demokratischen Bewegung für „ihre Grundpositionen, wie das Eintreten für
friedliche Koexistenz und den Kampf gegen den Antikommunismus" werben
werde. Bei den folgenden Wahlen zum Europaparlament im Jahre 1984 und zur
Bundestagswahl 1987 unterstützte die DFU die DKP-dominierte
‚Friedensliste', die jedoch wahlpolitisch keinerlei Erfolge
zeitigte.
Die Zuspitzung der
gesamtgesellschaftlichen Krisensymptome in Osteuropa in der zweiten
Hälfte der 1980er Jahre und die durch Michael Gorbatschow unter den
Schlagwörtern ‚Glasnost' und ‚Perestroika' in der Sowjetunion
einsetzenden Reformen, führten innerhalb der kommunistischen Parteien zu
Überprüfungen ihrer politischen Strategie. Die SED-Führung lehnte die
Reformvorstöße der Moskauer Führung ebenso ab, wie die sich der
Ost-Berliner Linie verpflichtete Parteiführung der DKP um Herbert
Mies.
Die DFU ging in ihrer nach einem fast
zweijährigen Diskussionsprozess im Juni 1989 verabschiedeten
‚Programmatischen Erklärung' nicht konkret auf die rasanten Veränderungen
in Osteuropa ein und unterstrich lediglich, man sei „überzeugt, dass in
einer Periode des Umbruchs die politische Vereinigung DFU große Aufgaben
und Möglichkeiten" habe, „an der Durchsetzung eines neuen Denkens und
einer neuen Politik mitzuwirken." Nachdem die DFU-Führung noch im Februar
1989 die „schon traditionelle Friedenspolitik der DDR" lobte, mehrten
sich im Sommer kritische Stimmen. Die blutige Niederschlagung der
Protestbewegung auf dem Tiananmen-Platz in Peking durch die
kommunistische Staats- und Parteiführung Chinas, die
SED-Politbüro-Mitglied Egon Krenz als notwendige Maßnahme zur Abwehr
eines „konterrevolutionären Umsturzes" bezeichnete, wurde seitens der
DFU-Führung heftig kritisiert. In einem Telegramm an die Chinesische
Botschaft in Bonn protestierte man „gegen das gewaltsame Vorgehen der
Armee in Peking" und betonte, dass „mit Panzern (…) ein Prozess der
Demokratisierung nicht aufzuhalten" sei. Die vom bayerischen
DFU-Landesvorsitzende Gerhard Bitterwolf Ende Juni 1989 diagnostizierten
„Merkmale einer tiefen politischen, ökonomischen und moralischen Krise,
in der sich der Sozialismus nicht nur in der Sowjetunion" befinde,
führten in der DDR im Herbst 1989 zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft,
der ein abruptes Ende der finanziellen Unterstützung für die DKP und ihr
‚Bündnisumfeld' zur Folge hatte.
Am 20. November
1989 kam der Arbeitsausschuss der DFU zu dem Schluss, dass das Ziel, die
Deutsche Friedens-Union „zu erhalten, nur zu erreichen sei, wenn
drastische Einsparungen, die Schließung von Büros und die Entlassung von
Mitarbeitern sofort eingeleitet würden." Bundesgeschäftsführer Willi van
Ooyen erklärte in einem Interview, durch „die Entwicklung in der DDR" sei
„eine entscheidende Finanzquelle überraschend versiegt." Der
geschäftsführende Vorstand des DFU-Landesverbandes Bremen bemerkte in
einem Rundschreiben an die Mitglieder, nun sei „an den Tag gekommen, dass
die DFU zu rund 80 Prozent von Geldern aus der DDR abhängig" gewesen sei.
„Unsere offensichtliche Gutgläubigkeit, die uns nie" habe „nachfragen
lassen, wie die finanzielle Basis der DFU" aussehe, räche „sich bitter."
Die Organisation, „die sich der Demokratie und dem Frieden radikal
verpflichtet" wisse, sei „durch konspirative Fremdfinanzierung
diskreditiert worden."
Die Bundesgeschäftsstelle
der DFU wurde Ende März 1990 geschlossen, die Abwicklung der
Landesgeschäftsstellen erfolgte ebenfalls zwischen Dezember 1989 und März
1990. Die Bremer DFU beschloss auf einer Mitgliederversammlung am 17.
Januar 1990 als einziger Landesverband die „sofortige Auflösung (…) und
den damit verbundenen Austritt aus dem Bundesverband der Deutschen
Friedens-Union." Um die positiven Seiten der Arbeit der DFU nicht weiter
zu diskreditieren, sei es „notwendig, jetzt einen eindeutigen Bruch zu
vollziehen."
Am 9. Juni 1990 beschlossen die
Teilnehmer des letzten Unionstages im Gemeindesaal der Wiesbadener
Ringkirche, „die DFU als Bundes-Organisation aufzulösen" und gaben für
die Mitglieder die Empfehlung aus, „in Ländern, Regionen und Bezirken
über die geeignete Form der Weiterarbeit zu beschließen."
Die Landesverbände bemühten sich mit unterschiedlichem
Erfolg, die politische Arbeit fortzuführen. Am 30. Juni 1990
konstituierte sich im Frankfurter DGB-Haus der Regionalverband
‚DFU-Rhein/Main', welcher in der Folge auch zentrale
Koordinationsfunktionen übernahm, etwa in der Ostermarsch-Bewegung, in
der sich weiterhin viele DFU-Mitglieder engagierten bzw.
engagieren.
Aufbau und Organisation der DFU
Laut dem ersten, auf der Gründungsversammlung am 17.
Dezember 1960 verabschiedeten Organisationsstatut war der Bundesparteitag
- später ‚Unionstag' genannt - das oberste Organ der DFU. Dieser wählte
den Bundesvorstand, dem im Rahmen der Beschlüsse des Bundesparteitags und
der Satzung die politische und organisatorische Leitung der Partei
oblag.
Aus seiner Mitte wählte der Bundesvorstand
den geschäftsführenden Vorstand sowie das Direktorium, welches die
‚kollektive Parteiführung' bildete. Die Mitgliederzahl des Direktoriums
schwankte in den Jahren von 1961 bis 1985 zwischen drei und sieben
Personen. Die Bundesgeschäftsstelle der DFU befand sich in Köln.
Die nachgeordneten Gliederungen der DFU bestanden aus
zehn Landesverbänden, deren Geschäftsstellen in den jeweiligen
Landeshauptstädten beheimatet waren. In West-Berlin besaß die DFU
aufgrund des besonderen Status der Stadt keinen Landesverband. Weiter
existierten Bezirksverbände, die nach politischer und wirtschaftlicher
Zweckmäßigkeit die Bildung von Ortsverbänden genehmigen konnten.
Eine Besonderheit waren die sogenannten ‚Beiräte',
welche bei den einzelnen Verbandsgliederungen mit beratender Funktion
eingerichtet werden konnten. In diese Beiräte, mit denen die DFU ihrem
bündnispolitischen Sammlungscharakter Rechnung trug, konnten
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Einzelpersonen oder
Vertreter von Organisationen berufen werden, wobei eine
DFU-Mitgliedschaft nicht erforderlich war.
Nach
Aufgabe des Partei-Status durch Beschluss des Außerordentlichen
Unionstages am 31. Mai 1984 in Essen blieben die Organe und Gliederungen
weiterhin bestehen.
Die ein Jahr später auf dem
11. Ordentlichen Unionstag am 21. April 1985 in Bremen beschlossene neue
Satzung der DFU sah erstmalig die Wahl eines Arbeitsausschusses aus der
Mitte des Bundesvorstandes vor, der als eine Art geschäftsführendes
Gremium tätig werden sollte. Die DFU-Kommission für Organisationfragen
kam auf ihrer Beratung zu Beginn des Jahres 1988 zu dem Schluss, „dass
sich das Direktorium als Leitungsgremium überholt" und sich mittlerweile
vielmehr „der Arbeitsausschuss zu einem operativ-aktuellen Gremium
entwickelt" habe. Aus der vom 12. Ordentlichen Unionstag am 23./24. April
1988 beschlossenen Satzung wurde die Funktion des ‚Direktoriums'
entfernt. Der vom Bundesvorstand gewählte Arbeitsausschuss war fortan das
Leitungsgremium der DFU. Gleichwohl die DFU seit 1962 einen
Bundesgeschäftsführer besaß, wurde erstmals 1988 satzungsmäßig
festgelegt, dass der Arbeitsausschuss die Bundesgeschäftsführung ernennt.
Entscheidenden Einfluss auf die Parteiarbeit hatte während der Existenz
des Direktoriums der ebenfalls im Organisationsstatut der Partei bzw. der
‚politischen Vereinigung' nicht erwähnte ‚Sekretär' dieses
Gremiums.
Bundesparteitage (Unionstage) der
DFU
17.12.1960 Gründungsversammlung in
Stuttgart
28.2.1962 2. Ordentlicher Unionskongress
in Frankfurt/Main
5./6.6.1964 Außerordentlicher
Unionstag in Frankfurt/Main
13.3.1965 3.
Ordentlicher Unionstag in Duisburg
5.6.1968 4.
Ordentlicher Unionstag in Dortmund
13.10.1968
Außerordentlicher Unionstag in Hanau
31.10./1.11.1970 5. Ordentlicher Unionstag in Köln
3.6.1973 6. Ordentlicher Unionstag in Mainz
29./30.11.1975 7. Ordentlicher Unionstag in Dortmund
15./16.4.1978 8. Ordentlicher Unionstag in Köln
15.11.1980 9. Ordentlicher Unionstag in Duisburg
17.4.1983 10. Ordentlicher Unionstag in Köln
21.4.1985 11. Ordentlicher Unionstag in Bremen
23./24.4.1988 12. Ordentlicher Unionstag in
Frankfurt/Main
9.6.1990 13. Ordentlicher Unionstag
in Wiesbaden
Direktorium der DFU
1961: Lorenz Knorr 1962: Lorenz Knorr
Renate
Riemeck Renate Riemeck
Karl Graf von Westphalen
Karl Graf von Westphalen
1965: Lorenz Knorr 1968:
Lorenz Knorr
Karl Graf von Westphalen Karl Graf
von Westphalen
Arno Behrisch Arno Behrisch
Mira von Kühlmann Mira von Kühlmann
Heinrich Werner Heinrich Werner
Heinz-Joachim
Nagel
Josef Weber
1970:
Lorenz Knorr 1973: Lorenz Knorr
Arno Behrisch Arno
Behrisch
Heinrich Werner Heinrich Werner
Josef Weber Josef Weber
Hilde
Westphal Hilde Westphal
1975: Lorenz Knorr 1978:
Lorenz Knorr
Arno Behrisch Arno Behrisch
Heinrich Werner Josef Weber
Josef
Weber Hilde Westphal
Hilde Westphal Simon-Peter
Gerlach
Simon-Peter Gerlach Ingrid Kurz
Ingrid Kurz Michael Höhn
1980:
Lorenz Knorr 1983: Lorenz Knorr
Arno Behrisch Arno
Behrisch
Josef Weber Josef Weber
Hilde Westphal Hilde Westphal
Simon-Peter
Gerlach Ingrid Kurz
Ingrid Kurz Michael Höhn
Michael Höhn Horst Bethge
1985:
Lorenz Knorr
Arno Behrisch
Josef Weber
Hilde Westphal
Ingrid Kurz
Michael Höhn
Horst Bethge
Arbeitsausschuss der DFU
1988: Heinz Dreibrodt
Helga
Ebel
Ulrich Foltz
Ingrid
Kurz
Willi van Ooyen
Meike
Plesch
Dorlies Pollmann-Wallraff
Horst Trapp
Johannes Voigtländer
Wolf-Rüdiger Wilms
aus:
Einleitung zum Findbuch von: Christoph Stamm, Berlin 2011
Bearbeitungshinweis: Im 2008
veröffentlichten Tätigkeitsbericht des Bundesarchivs wurde vermerkt, dass
es gelungen sei, „die Überlieferung der Deutschen Friedens-Union (DFU)"
zu übernehmen. Da das Bundesarchiv es als zentrale Aufgabe begreift,
„Dokumentationszentrum für die wissenschaftliche Erforschung und
publizistische Darstellung deutscher Geschichte in ihren
gesamtstaatlichen Bezügen zu sein", wurde bereits frühzeitig u.a. Wert
darauf gelegt, „systematisch den Niederschlag öffentlicher politischer
Betätigung außerhalb des amtlichen Dokumentationsbereichs zu erwerben, wo
immer dies möglich und nötig war." Der Historiker Hans Ulrich Thamer
bekräftigt, dass „Unterlagen aus privater Trägerschaft, die den Prozess
der Entstaatlichung und der Entstehung immer neuer sozialer Bewegungen
dokumentieren" für die gegenwärtige und zukünftige Forschung „von größter
Bedeutung" seien. Im Bundesarchiv wird vor allem in den
‚Zeitgeschichtlichen Sammlungen' durch das Zusammentragen
tagespolitischer Erzeugnisse politischer Gruppierungen und Parteien deren
Versuch dokumentiert, auf die jeweiligen politischen Entscheidungsträger
öffentlich Einfluss zu nehmen. Hans Booms bemerkte bereits Mitte der
1960er Jahre, der „unabdingbare Kern" einer solchen Zeitgeschichtlichen
Sammlung sei eine Parteien- und Verbandsdrucksachensammlung, „die
pflichtgemäß einzurichten sich zwangsläufig aus der Aufgabe staatlicher
Archive" ergebe. Erst eine Zusammenführung „aller öffentlichen Äußerungen
einer politischen Partei" lasse „in ihrer Gesamtheit deren politisches
Streben und politische Taktik zuverlässig erkennen." In noch stärkerem
Maße ist dies natürlich durch die Auswertung von parteiinternem
Schriftgut möglich.
Unmittelbar nach ihrer
Gründung im Dezember 1960 stellte die DFU dem Bundesarchiv Partei- und
Verbandsdrucksachen für dessen ‚Zeitgeschichtliche Sammlung' zur
Verfügung. Im März 1961 bedankte sich der damalige Archivrat Hans Booms,
dass die Bundesgeschäftsstelle der Deutschen Friedens-Union „um die
Vollständigkeit des hier neu angelegten Bestandes ‚DFU' zu gewährleisten,
das Bundesarchiv ihrer Presseliste angefügt" habe. Bereits zu diesem
Zeitpunkt sprach Booms die Hoffnung aus, dass auch parteiinterne
Drucksachen und Unterlagen „wenn sie einmal ohne aktuellen Bezug geworden
seien sollten, dem Bundesarchiv übereignet werden" könnten.
Abgesehen von den umfangreichen in der ‚Stiftung Archiv
der Parteien und Massenorganisationen der DDR' (SAPMO) verwahrten
Beständen, hat das Bundesarchiv bislang „in recht geringem Umfang"
Schriftgutreste nicht mehr bestehender Parteien erwerben und für die
historische Forschung sichern können. Der Bestand ‚Deutsche
Friedens-Union' (B 442) ist nun nach dem von der SAPMO gesicherten
Bestand der ‚Kommunistischen Partei Deutschlands' (BY 1) die
umfangreichste schriftliche Überlieferung einer bundesdeutschen Partei im
Bundesarchiv.
Der Bestand „Deutsche
Friedens-Union" (B 442) besteht aus zwei unterschiedlichen
Provenienzteilen, die zu einem Gesamtbestand zusammengefügt wurden.
Der erste Teil mit einem Umfang von 200
Archivalieneinheiten besteht aus den Restakten der ehemaligen in Köln
ansässigen Bundesgeschäftsstelle der DFU. Nach einer ersten
Kontaktaufnahme mit dem letzten DFU-Bundesgeschäftsführer Willi van Ooyen
im Jahre 2002, erfolgte die Aktenübernahme durch das Bundesarchiv im
Frühjahr 2007. Nach Auflösung der Bundesgeschäftsstelle im Sommer 1990
befanden sich die Akten zunächst bei dem ehemaligen Mitglied des
DFU-Arbeitsausschusses, Helga Ebel, in Aachen und anschließend über
mehrere Jahre im Elternhaus von Willi van Ooyen in Weeze am Niederrhein.
Bei Sichtung der Unterlagen wurde ein lagerungsbedingter Schimmelbefall
bei einem Drittel der 200 Aktenordner festgestellt, die in der Folge
einer Gamma-Bestrahlung zur Abtötung aller am Objekt vorhandenen
Mikroorganismen unterzogen wurden.
Die Übernahme
des zweiten Bestandteils erfolgte Ende Oktober 2008 auf Vermittlung von
Willi van Ooyen, der im Februar desselben Jahres zum
Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Hessischen Landtag gewählt
worden war. Die Unterlagen wurden in Wiesbaden vom Bundesarchiv
übernommen. Bei den 93 Aktenordnern mit einem Gesamtumfang von sieben lfm
Schriftgut handelt es sich um eine Materialsammlung des DFU-Politikers
Heinz-Joachim Nagel. Er war Partei-Mitbegründer, langjähriger
Vorsitzender des hessischen DFU-Landesverbandes (1962-1986) sowie
langjähriges Mitglied des Bundesvorstandes. Zudem gehörte er zwei Jahre
(1968-1970) dem ‚Direktorium', dem ‚kollektiven Führungsgremium' der
Deutschen Friedens-Union an. Neben Unterlagen mit starken hessischen,
teilweise auch lokalen Bezügen - Nagel lebte lange Zeit in Gießen -
befindet sich in den Akten umfangreiches Material mit bundespolitischem
Bezug.
Im April 2014 sind weitere 22 AE des
Hamburger Landesverbandes in das Bundesarchiv gelangt. Es handelt sich um
die Handakten des Mitbegründers der DFU und langjährigem
Landesvorsitzenden, Horst Bethge (1935-2011). Die Signaturen lauten B
442/294-315.
aus: Einleitung zum Findbuch von:
Christoph Stamm, Berlin 2011
Bestandsbeschreibung: Die
Ausarbeitung der Klassifikation erfolgte nach
sachthematisch-strukturellen Gesichtspunkten. Da ein Aktenplan der
Bundesgeschäftsstelle nicht ermittelt werden konnte und wahrscheinlich
auch nicht existierte, wurden die Unterlagen entsprechend ihrem Inhalt in
die erstellten Klassifikationsgruppen eingeteilt.
Die personenbezogenen Unterlagen von führenden Vertretern der DFU
wurden in einer Klassifikationsuntergruppe „Handakten der DFU-Führung"
vereinigt. Es sind dies vor allem programmatische Konzepte, Rede- und
Artikelmanuskripte sowie vereinzelter Schriftverkehr. Die Laufzeit dieser
Unterlagen erstreckt sich weitgehend auf die 1960er Jahre. Eine Ausnahme
bilden die Unterlagen von Heinz-Joachim Nagel aus dem zweiten
Ablieferungsteil des Gesamtbestandes, deren Laufzeit vom Dezember 1960
bis 1986 reicht. Diese Unterlagen wurden aufgrund der Personenbezogenheit
trotz ihres Umfangs diesem Gliederungspunkt zugeordnet. Lediglich
Unterlagen über das für die 1969 stattfindenden Bundestagswahlen
gegründete Wahlbündnis „Aktion Demokratischer Fortschritt" (ADF) wurden
aus diesem zweiten Ablieferungsteil entnommen und der
Klassifikationsgruppe „Befreundete Parteien und Organisationen" angefügt.
Bei diesen Akten war zudem eine chronologische Bandfolge möglich.
Die Akten des Bestandes B 442 wurden vom Verfasser in
der Archivdatenbank BASY-S verzeichnet.
aus:
Einleitung zum Findbuch von: Christoph Stamm, Berlin 2011
Die Akten B 315/294-315 wurden 2014 im Bundesarchiv
bewertet und erschlossen.
Inhaltliche Charakterisierung: Der
Bestand umfasst insgesamt 20 lfm Schriftgut (315 Akten) aus den Jahren
1960 bis 1996.
Die Akten aus der ersten
Ablieferung befanden sich in den Original-Stehordnern der ehemaligen
DFU-Bundesgeschäftsstelle und besaßen entsprechende Rückenbeschriftungen.
Teilweise waren nachträglich Unterlagen zu anderen als auf dem Ordner
vermerkten Themen abgeheftet worden, die im Rahmen der nun erfolgten
Bearbeitung entweder thematisch passenden Akten beigefügt oder separat in
einer neuen Verzeichnungseinheit abgelegt wurden.
Die Akten enthalten vor allem Schriftgut aus den 1960er und den
1980er Jahren. Aus den Jahren 1970 bis Mitte der 1980er Jahre liegen nur
vereinzelte Materialien vor. Es finden sich Unterlagen zu den als
„Unionstage" betitelten Bundesparteitagen der DFU sowie - allerdings
lückenhaft - Ergebnisprotokolle der Sitzungen des Bundesvorstands, des
Direktoriums und des Mitte der 1980er Jahre eingesetzten
Arbeitsausschusses. Schriftverkehr der Bundesgeschäftsstelle liegt vor
allem für die 1960er Jahre sowie für die zweite Hälfte der 1980er Jahre
vor. Hier existiert eine Lücke von 1970 bis 1986. Zudem fanden sich
Manuskripte und Ausarbeitungen von Reden und Artikel führender
DFU-Politiker sowie Arbeitsunterlagen der vom Bundesvorstand nach
thematischen Gesichtspunkten eingerichteten Arbeitskreise, Kommissionen
und Referate.
Das in den Akten ebenfalls in großer
Anzahl anzutreffende Druckgut wird nach einer Entscheidung des
Fachreferates in den Akten belassen, um den Nutzern einen möglichst
geschlossenen Bestand aus internem und veröffentlichtem Schriftgut
präsentieren zu können.
Der zweite
Ablieferungsteil beinhaltet eine chronologische Sammlung von
DFU-Unterlagen (Schriftverkehr, Druckgut der Bundesebene und
nachgeordneter Gliederungen, Manuskripte) sowie sachthematische
Sammlungen (etwa Wahlprogramme anderer Parteien anlässlich von Bundes-
und Landtagswahlen, Materialsammlungen zu fachpolitischen Themen,
Zeitungsausschnitte). Sie wurde von Heinz-Joachim Nagel angelegt, der
mehrere Jahrzehnte in Führungsgremien der DFU tätig war.
Die chronologische Sammlung beginnt am 1. Dezember 1960
und endet am 31. Dezember 1986. Lücken existieren vom 1. August bis 15.
Oktober 1974 sowie vom 1. Januar bis 31. Mai 1985. Neben Unterlagen zur
DFU findet sich auch Material von mit der DFU befreundeter Organisationen
und Gruppierungen sowie anderer Parteien und Vereinigungen, etwa der
‚Initiative „Weg mit den Berufsverboten"' oder der ‚Krefelder
Initiative'.
Unterlagen über die verdeckte
Zusammenarbeit mit den in der DDR für die dortige „Westarbeit" betrauten
Stellen (etwa Westkommission bzw. Arbeitsbüro des Zentralkomitees der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands) sind im Bestand B 442 nicht
vorhanden. Auch über die finanziellen Zuwendungen aus der DDR, die in der
Regel über die sorgsam abgeschirmte SED-ZK-Abteilung ‚Verkehr'
abgewickelt wurden, finden sich im Bestand keine Belege.
aus: Einleitung zum Findbuch von: Christoph Stamm,
Berlin 2011
Die aus Hamburg übernommenen
Unterlagen (Handakten Horst Bethge) befanden sich in beschrifteten
Sammlern.
Erschließungszustand:
online-Findbuch, bearbeitet von Christoph Stamm, Berlin 2011
Zitierweise: BArch B
442/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch B 442
- Extent
-
318 Aufbewahrungseinheiten; 11,4 laufende Meter
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Bundesrepublik Deutschland mit westalliierten Besatzungszonen (1945 ff) >> Politische Parteien und Gruppierungen
- Date of creation of holding
-
1960-offen
- Provenance
-
Deutsche Friedens-Union (DFU), 1960-1990
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Data provider
Bundesarchiv. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Associated
- Deutsche Friedens-Union (DFU), 1960-1990
Time of origin
- 1960-offen