Bestand
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund (Bestand)
Bestandsbeschreibung: Bei den
vom Zentralarchiv des FDGB in der Historischen Abteilung
zusammengefassten Beständen handelt es sich um Restbestände
verschiedener Provenienzen, die zu den seit 1935 im Zentralarchiv der
Deutschen Arbeitsfront zusammengeführten Unterlagen gehörten. Die
durch kriegsbedingte Verluste stark reduzierten Bestände wurden
1945/1946 dem FDGB übergeben. In der Folgezeit wurden die Bestände
durch lokale Provenienzen und Kopien aus anderen Archiven
ergänzt.
Aufgaben und Organisation:
Auf der vom 16. bis 17. November 1890 nach Berlin
einberufenen Konferenz sämtlicher Gewerkschaftsvorstände wurde eine
Kommission gewählt, die sich als Generalkommission der Gewerkschaften
Deutschlands konstituierte. Diese Kommission unterstützte maßgeblich
die Zentralisationsbestrebungen der freien Gewerkschaften.
Vom 14. bis 18. März 1892 wurde durch die
Generalkommission ein Kongreß nach Halberstadt einberufen (208
Delegierte). Dieser Kongreß orientierte auf zentralisierte
gewerkschaftliche Beruforganisationen (verwandte Berufe sollten
gemeinsam starke Zentralvorstände nach dem Vorbild des Deutschen
Metallarbeiter Verbandes - DMV - bilden). Die freien Gewerkschaften
vereinigten alle Teile der Arbeiterschaft, auch Arbeiterinnen, in
ihren Reihen.
Der Halberstädter Kongreß
bestätigte die im November 1890 von der Berliner Vorständekonferenz
berufene, aus sieben Mitgliedern bestehende Kommission als
Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Mit der
Generalkommission besaßen die freien Gewerkschaften ein
koordinierendes Zentrum.
Von der
Generalkommission wurden Kommissionen gebildet, u.a. die Kommission
zur Bekämpfung des Kost- und Logiezwanges, die Kommission für
Bauarbeiterschutz (siehe RY 24), die Zentralkommission der
Gewerbegerichtsbeisitzer. Seit 1903 existierte bei der
Generalkommission ein Zentralarbeitersekretariat als
Rechtshilfebeistand der Gewerkschaftsmitglieder gegenüber dem
Reichsversicherungsamt und als Rechtsberatungsstelle der
Zentralverbände. 1905 wurde ein Arbeiterinnensekretariat gebildet und
1910 schließlich nahm die sozialpolitische Abteilung der
Generalkommission die Arbeit auf. Diese sozialpolitische Abteilung
übernahm die Funktion der bis dahin bestehenden Kommissionen und
wirkte beratend an der Vorbereitung von sozialdemokratischen
Gesetzesvorlagen für die Sozialgesetzgebung in den Parlamenten mit.
1914 hatte die Generalkommission folgende Organisationsstruktur:
Verwaltungsbüro bzw. -abteilung, statistische Abteilung, Kasse,
Arbeiterinnensekretariat, Redaktion und Expedition,
Zentralarbeitersekretariat, sozialpolitische Abteilung (vgl.:
Rechenschaftsbericht der Generalkommission vom 1. Juni 1911 bis 31.
Mai 1914, Berlin 1914).
1896 wurde als
beratende Kontrollinstanz der Generalkommission der
Gewerkschaftsausschuß gebildet, dem je ein Vertreter der
angeschlossenen Verbände angehörte. Eine 1902 vom Ausschuß gebildete
Revisionskommission überprüfte jährlich die Kassenberichte der
Generalkommission. 1914 wurde die Funktion des Ausschusses von der
Vorständekonferenz übernommen. Vorständekonferenzen wurden seit etwa
1900 durch die Generalkommission regelmäßig durchgeführt.
Anfang des 20. Jahrhunderts setzte sich zunehmend die
Auffassung von der parteipolitischen Neutralität der freien
Gewerkschaften durch (Ablehnung des politischen Massenstreiks als
Kampfform der Gewerkschaften auf dem Kölner Gewerkschaftskongreß,
1905).
Durch den 1. Weltkrieg kam es zu einem
erheblichen Rückgang der Mitgliederzahlen bei den freien
Gewerkschaften.
Am 15. November 1918 wurde
durch die Generalkommission, die christlichen Gewerkschaften und die
Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine das Abkommen über die Zentrale
Arbeitsgemeinschaft (ZAG) mit den Unternehmerverbänden geschlossen.
Dieses Abkommen beinhaltete u.a. die Anerkennung der Gewerkschaften
als Vertretung der Arbeiter, die Koalitionsfreiheit und den
Achtstundenarbeitstag.
Der vom 30. Juni bis 10.
Juli 1919 nach Nürnberg einberufene 10. Gewerkschaftskongreß beschloß
die Bildung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB). Der
ADGB stellte eine festere organisatorische Zusammenfassung der
Zentralvorstände dar als die Generalkommission.
Die Aufgaben des Bundesvorstandes waren breiter gefächert als bei
der Generalkommission, sie beinhalteten u.a. die Agitation, den
Arbeitsschutz, die gewerkschaftliche Bildung, Entscheidungsbefugnis
bei der Abgrenzung der Organisationsgebiete der Zentralverbände,
Unterstützung und Koordinierung bei Kampfaktionen der Zentralverbände
und internationale Beziehungen. Der Bundesvorstand bestand aus 15
gewählten Mitgliedern (7 haupt- und 8 ehrenamtliche). Er war das
Exekutivorgan des Bundes, hatte die Beschlüsse der
Gewerkschaftskongresse und des Bundesausschusses durchzusetzen und war
darüber hinaus für die Kontrolle und Anleitung der Bezirks- und
Ortsausschüsse verantwortlich.
Neben dem
gewählten Vorstand bestand der Bundesvorstand aus einem größeren
Verwaltungsapparat. Der Bundesvorstand gliederte sich in Abteilungen,
von denen die wichtigsten die Rechtsabteilung, die Abteilung für
Sozialpolitik, die Abteilung für Wirtschaftspolitik, die
Jugendabteilung und die Abteilung für Arbeiterinnenfragen waren.
An die Stelle der Vorständekonferenz der
Generalkommission trat der Bundesausschuß in dem alle dem ADGB
angeschlossenen Verbände durch ihren Vorsitzenden und je einen
Vertreter auf 300.000 Mitglieder vertreten waren. Der Bundesausschuß
überwachte die Tätigkeit und Kassenführung des Bundesvorstandes und
konnte bei Einstimmigkeit statuarische Beschlüsse fassen. Wichtige
Beschlüsse des Bundesvorstandes wurden durch den Bundesausschuß
bestätigt.
Der 11. Kongreß (1. Bundestag des
ADGB) vom 19. bis 24. Juni 1922 in Leipzig beschloß, die Umwandlung
des ADGB in eine Einheitsgewerkschaft anzustreben - die
Berufsorganisationen sollten sich zu Industriegewerkschaften
zusammenschließen. Dieser Beschluß, besonders durch den DMV vertreten,
wurde nur sehr unvollkommen umgesetzt. Darüber hinaus wurde auf diesem
Kongreß für jeden Bezirk der Bezirkswirtschaftsräte die Bildung eines
Bezirksausschusses beschlossen (insgesamt 12 mit 5 bis 7
Mitgliedern).
Auf der lokalen Ebene wurden die
Ortskartelle der Generalkommission von den Ortausschüssen des ADGB
abgelöst. Diese Ortsausschüsse setzten sich aus Vertretern der
Ortsverwaltungen der einzelnen Gewerkschaften zusammen.
Am 2. Mai 1933 wurden auf Initiative der
nationalsozialistischen Reichsregierung die Gewerkschaftshäuser und
-büros besetzt, die Verbandsvorstandsvorsitzenden und Bezirkssekretäre
verhaftet und das gesamte Vermögen der freien Gewerkschaften
beschlagnahmt. An die Stelle der gewählten Leitungen wurden vom
Aktionskomitee zum Schutze der deutschen Arbeit unter Führung von
Robert Ley nationalsozialistische Kommissare eingesetzt. Schließlich
erfolgte am 10. Mai 1933 die Gründung der Deutschen Arbeitsfront
(DAF).
Vorsitzende:
Carl
Legien 1892-1920
Gustav Bauer (2. Vors.) 1908 -
1918
Theodor Leipart 1921 - 1933
Presse:
"Correspondenzblatt
der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands"
Mitglieder:
1896:
329.230
1900: 680.427
1905: 1.344.803
1910: 2.017.298
1914 (I. Quartal): 2.478.861
1914 (IV. Quartal): 1.485.428
1917
(30.6.): 1.089.288
1918: 1.664.991
1919: 5.479.073
1922:
7.895.065
1924: 4.618.353
1925: 4.156.451
1928: 4.653.586
1931: 4.417.852
1932:
4.743.585
Kongresse:
1.
Kongreß: 14. - 18. März 1892 in Halberstadt
2.
Kongreß: 04. - 08. Mai 1896 in Berlin
3.
Kongreß: 08. - 13. Mai 1899 in Bockenheim (Frankfurt/Main)
4. Kongreß: 16.- 21. Juni 1902 in Stuttgart
5. Kongreß: 22. - 27. Mai 1905 in Köln
6. Kongreß: 22. - 27. Juni 1908 in Hamburg
7. außerord. Kongreß: 25. - 26. Apr. 1910 in
Berlin
8. Kongreß: 26. Juni - 01. Juli 1911 in
Dresden
9. Kongreß: 22. - 27. Juni 1914 in
München
10. Kongreß: 30. Juni - 05. Juli 1919
in Nürnberg
11. Kongreß: 19. - 24. Juni 1922 in
Leipzig
12. Kongreß: 31. Aug. - 04. Sept. 1925
in Breslau
13. Kongreß: 03. - 07. Sept. 1928 in
Hamburg
14. Kongreß: 31. Aug. - 04. Sept. 1931
in Frankfurt/Main
15. außerord. Kongreß: 13.
Apr. 1932 in Berlin
Bestandsbildung:
Das Archiv entwickelte sich aus der 1910 gebildeten
Sozialpolitischen Abteilung der Generalkommission der Gewerkschaften
Deutschlands. Hauptaufgabe dieser Abteilung sollte die Sammlung von
Materialien für den Arbeiterschutz und die Propaganda zur Beseitigung
sozialer Mißstände sein. Im Rechenschaftsbericht der Generalkommission
vom Mai 1911 wurde der Auftrag der Abteilung so formuliert: "alle
Materialien für die Sozialgesetzgebung [zu] sammeln und geordnet zur
Verfügung [zu] halten, daß sie jederzeit bei Beratung einer
Gesetzesvorlage in den Parlamenten oder zur Begründung der seitens der
Vertreter der Arbeiterschaft zu stellenden Anträge Verwendung finden
können." (siehe: Rechenschaftsbericht der Generalkommission von 01.
Juni 1908 bis 31. Mai 1911, Berlin 1911). Kern dieses Archivs bildete
die Zeitungsausschnittsammlung (Pressearchiv). Da die
Sozialdemokratische Partei (SPD) sehr an dieser Sammlung interessiert
war, beteiligte sie sich an den Kosten und erhielt dadurch ein
Mitbestimmungs- und Nutzungsrecht. Die neue Abteilung wurde mit drei
Gewerkschaftsbeamten und zwei Hilfsarbeitern besetzt.
Der Hauptteil des dienstlichen Schriftgutes befand
sich vermutlich in der Verwaltungsabteilung (auch Verwaltungsbüro) der
Generalkommission. Über Umfang und Aufbau der Registratur fehlen
genauere Angaben. Für die Einrichtung und Fortführung der Registratur
wurde ab 1913 ein Mitarbeiter eingestellt.
Darüber hinaus übernahm die Sozialpolitische Abteilung die
Bibliothek der Generalkommission, die vorher von der Statistischen
Abteilung verwaltet worden war. Vereinzelt gelangte auch Archivgut in
die Bibliothek. In verschiedenen Bänden der vom Zentralen
Gewerkschaftsarchiv des FDGB übernommenen Akten der Deutschen
Gewerkschaften vor 1933 sind Stempelabdrucke dieser Bibliothek zu
finden.
Nach der Zerschlagung der freien
Gewerkschaften am 2. Mai 1933 durch die Nationalsozialisten sowie die
Auflösung der christlichen und Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaften im
Laufe des Jahres 1933 gelangten diese Unterlagen in das spätere
Hauptarchiv der NSDAP und das Zentralarchiv der Deutschen Arbeitsfornt
(DAF). Dazu gehört zum Beispiel die Sammlung des Gewerkschafters
Johannes Sassenbach (NS 26/ 792, 2160, 2312, 2342). Vgl. Findbuch des
Bestandes NS 26 Hauptarchiv der NSDAP, Bestandsverzeichnis, Abschnitt
20.4 Gewerkschaften.
Inhaltliche Charakterisierung:
Überliefert sind:
- v. a. Protokolle des
Bundesausschusses
- Rundschreiben und
Mitteilungen, Konferenzen, Jahresberichte und Protokolle verschiedener
Ortsausschüsse bzw. -kartelle
- Unterlagen über
den Bau der Bundesschule des ADGB in Bernau
-
der Bericht des Regierungsassessors Dr. Palfner über seine Reise in
die Sowjetunion (6 Bde)
- Unterlagen der
Auslandsvertretung der Deutschen Gewerkschaften - Landesgruppe
Schweden 1937-1945
Erschließungszustand:
Publikationsfindbuch, Onlinefindbuch
Umfang, Erläuterung: 56
AE
Zitierweise: BArch RY
23/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch RY 23
- Umfang
-
58 Aufbewahrungseinheiten; 1,3 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Organisationen, Verbände und Wirtschaftsunternehmen >> Soziales, Gesundheit, Sport
- Provenienz
-
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund (ADGB), 1895-1945
- Bestandslaufzeit
-
1892-1933, 1937-1945
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
Bundesarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund (ADGB), 1895-1945
Entstanden
- 1892-1933, 1937-1945