Bestand

Nachlass Dichtel, Anton (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Geb. 18. September 1901 in Brilon/Westfalen, gest. 29. April 1978 in Freiburg. Nach dem Besuch der Volksschule 1907-1915 unselbständiger Arbeitnehmer, ab 1920 Tätigkeit in der christlichen Gewerkschaftsbewegung (Gewerkschaftssekretär in Brilon, Essen, Magdeburg und Berlin); seit 1925 Gewerkschaftssekretär in Freiburg, außerdem Vorstandsmitglied der badischen Zentrumspartei, 1929 Mitglied des Freiburger Stadtverordnetenkollegiums. 1933 Verlust aller politischen Ämter. Bis 1946 Angestellter in einer Lebensmittelgroßhandlung (zuletzt als Prokurist), danach bis 1956 Teilhaber einer Lebensmittelgroßhandlung. 1945 Wiederaufnahme der politischen Tätigkeit: Gründungsmitglied der BCSV (Vorläufer der CDU in Südbaden), 1946-1956 Stadtrat in Freiburg, Mitglied des badischen Landtags bis 1952, (zuletzt Fraktionsvorsitzender), 1946 Staatskommissar für Ernährung, 1947-1967 Vorsitzender der südbadischen CDU, 1953 ehrenamtlicher Staatsrat ohne Geschäftsbereich in der vorläufigen Regierung von Baden-Württemberg, 1956 Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg. 1957-1967 (Pensionierung) Regierungspräsident in Freiburg.

Inhalt und Bewertung

Persönliche Unterlagen; Zeitungsausschnitte; Fotos; Schreiben an Dichtel; Erinnerungsgabe der Freiburger Journalisten an Dichtel (1967); Urkunden und Ehrungen

Biographie: Anton Dichtel wurde am 18. Januar 1901 als Sohn eines Schreinermeisters in Brilon in Westfalen geboren. Dort besuchte er zunächst von 1907 bis 1915 die Volksschule und arbeitete danach als unselbständiger Arbeitnehmer. Daneben bildete er sich in Abendkursen und Bildungsveranstaltungen des Kolpingwerks sowie autodidaktischen Studien weiter. Ab 1920 engagierte sich Anton Dichtel als Gewerkschaftssekretär des Zentralverbands christlicher Fabrik- und Transportarbeiter in Brilon, Essen, Halle, Magdeburg und Berlin und schließlich seit 1925 in Freiburg im Breisgau. Dort wurde Dichtel bald auch im Vorstand der badischen Zentrumspartei aktiv und war seit 1929 für das Zentrum Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Freiburg. Als Folge der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 verlor Anton Dichtel all seine politischen Ämter, weshalb er in der Folgezeit bis 1946 im Lebensmittelgroßhandel arbeitete, wo er bis zum Prokurist aufsteigen konnte. Aufgrund der Bedeutung seines Betriebs auch für die Versorgung des Militärs konnte Dichtel einem Kriegseinsatz entgehen. Dagegen kam er wie viele Zentrumspolitiker im Umkreis der Geschehnisse des mißlungenen Attentats vom 20. Juli 1944 in Haft. Nach dem Krieg war Anton Dichtel von 1946 bis 1956 Teilhaber der Freiburger Lebensmittelgroßhandlung Karl Sexauer, nahm gleichzeitig jedoch bereits 1945 seine politische Arbeit wieder auf und war so Gründungsmitglied der Badischen Christlichen Sozialen Volkspartei (BCSV), der späteren CDU, in Südbaden, von 1946 bis 1956 erneut Stadtrat in Freiburg, bis 1952 außerdem CDU-Abgeordneter im Badischen Landtag, zuletzt auch als Fraktionsvorsitzender. Ab 1946 hatte Anton Dichtel weiterhin im so genannten Staatssekretariat Wohleb kurzzeitig das Amt eines Staatskommissars für Ernährung inne. Er wurde allerdings, offenbar wegen des Versuchs, die Versorgungslage der Bevölkerung zu verbessern, seines Amtes bereits nach einem halben Jahr enthoben und kam für kurze Zeit auch in Haft. Zwischen 1947-1966 war Anton Dichtel Vorsitzender der südbadischen CDU, außerdem saß er im Bundesvorstand seiner Partei. Eine wichtige Rolle spielte Anton Dichtel auch in der so genannten Badenfrage, in der er sich trotz seiner ursprünglichen Favorisierung Gesamtbadens als Pragmatiker zeigte, dem es gelang, die Spaltung seiner Partei, der badischen CDU, zu verhindern. In diesem Sinne war Dichtel auch bereit, sich im neuen Südweststaat zu engagieren und wurde 1953 schließlich ehrenamtlicher Staatsrat ohne Geschäftsbereich in den Kabinetten von Gebhard Müller in Baden-Württemberg und zog auch als Offenburger CDU-Abgeordneter 1956 in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Bei der Oberbürgermeisterwahl in Freiburg im Jahr 1956 unterlag Anton Dichtel jedoch dem bisherigen Bürgermeister Dr. Joseph Brandel in einem sehr aufgeladenen Wahlkampf. 1957 legte er seine bisherigen politischen Ämter außer dem Vorsitz der CDU-Südbaden nieder, um bis zu seiner Pensionierung am 31. Oktober 1967 das Amt eines Regierungspräsidenten in Freiburg innezuhaben, in dem er eine große Popularität genoß. Bemerkenswert in seiner Zeit als Regierungspräsident war die Bemühung um erste Kontakte mit dem Elsass, z.B. dem Oberbürgermeister von Colmar, Joseph Rey. So unterstützte Anton Dichtel Rey bei der Gründung der Interessengemeinschaft Breisgau-Mittleres Elsass (CMIAB) oder der so genannten Route Verte. Er setzte sich auch für den Bau neuer Rheinbrücken, wie der neuen Europabrücke zwischen Straßburg und Kehl ein, die am 23.9.1960 eingeweiht wurde. Auch mit der Schweiz bemühte sich Dichtel um eine Wiederannäherung ebenso wie um Grenzbereinigungen am Hochrhein zwischen Deutschland und der Schweiz und die Regelung des Status der deutschen Exklave Büsingen. Nach dem Ende seiner aktiven Zeit als Politiker war Anton Dichtel Anfang der 70er Jahre noch beratend in Fragen der Kreisreform tätig. Anton Dichtel war verheiratet und Vater von fünf Kindern, von denen jedoch zwei bereits in jungen Jahren verstarben. Er erhielt für seine Verdienste bereits 1952 das Steckkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, war seit 1971 Ehrenbürger der Stadt Freiburg im Breisgau, zudem u.a. Ehrensenator der Universität Freiburg und Träger des Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband, Inhaber der Verfassungsmedaille in Gold des Landes Baden-Württemberg sowie Träger des Komturkreuzes des französischen Ordens du Mérite agricole. Anton Dichtel starb am 29. April 1978 in Freiburg im Breisgau.

Überlieferungsgeschichte und Erschließung: Das Staatsarchiv Freiburg bemühte sich bereits 1973 erstmals um eine spätere Abgabe von Unterlagen aus dem Besitz Anton Dichtels. Der jetzt im Staatsarchiv Freiburg verwahrte Nachlass Dichtels gelangte allerdings erst 12 Jahre nach Dichtels Tod ins Archiv. Er wurde von Dichtels Sohn Robert im Jahr 1990 ohne Auflagen als Schenkung übergeben und enthält einen Lebenslauf (bis 1947), Schreiben und Manuskripte von Glückwunschansprachen zu Dichtels 65. Geburtstag, eine Urkunde, Fotos, ein Erinnerungsalbum der Freiburger Journalisten für Anton Dichtel aus dem Jahr 1967 sowie eine über ihn angelegte Zeitungsausschnittsammlung seines Sohnes Robert Dichtel in Kopie. Der Bestand wurde im Juli 2011 im Rahmen eines Projekts der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg von Stefanie Albus-Kötz konservatorisch bearbeitet, verpackt und erschlossen und umfasst nun 20 Archivalieneinheiten in 0,1 lfd. m. Er ist nach der Maßgabe des Archivgesetzes des Landes Baden-Württemberg und der Archivbenutzungsordnung zugänglich. Die darin enthaltenen Fotos unterliegen jedoch noch den Einschränkungen des Urheberrechts. Freiburg im Juli 2011 Dr. des. Stefanie Albus-Kötz

Literatur und Sachverwandtes: Hans Konrad Schneider, Begegnung mit Anton Dichtel, Südbadens populärem Regierungspräsident, in: Badische Heimat 82 (2002), S. 12-30.

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, T 1 (Zugang 1992/0342)
Extent
1-20

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg (Archivtektonik) >> Nachlässe und Familienarchive >> Nachlässe und Vorlässe

Indexbegriff subject
BCSV; Dichtel, Anton
CDU; Dichtel, Anton
Fotografien; Dichtel, Anton (Nachlass)
Indexentry person

Date of creation of holding
1947-1978

Other object pages
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Rights
Last update
24.04.2024, 2:36 PM CEST

Data provider

This object is provided by:
Landesarchiv Baden-Württemberg. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1947-1978

Other Objects (12)