Bestand
A Rep. 250-04-07 Schultheiss-Brauerei AG (Bestand)
Vorwort: A Rep. 250-04-07 Schultheiss-Brauerei AG
1. Unternehmensgeschichte
Die Schultheiss-Brauerei AG findet ihren Ursprung in einer 1842 von dem Apotheker August Heinrich Prell in der Neuen Jakobstraße 42 gegründete Brauerei. Nach Prells Tod wurde die Firma 1853 von Jobst Schultheiss übernommen, der zuvor in Berlin ein Putzgeschäft geführt hatte. Er gab dem Betrieb seinen Namen und ging, nicht zuletzt durch die Einrichtung der immer beliebter werdenden Biergärten, an dessen Ausbau. So gelang es ihm trotz einer Konkurrenz von rund 40 Brauereien in der Stadt, schon Anfang der 1860er Jahre ein Siebtel der gesamten Berliner Bierproduktion zu brauen. [1]
Im Jahre 1864 ging die Firma in den Besitz des Kaufmanns Adolph Roesicke über. Er überführte sie 1871 in eine Aktiengesellschaft, um ausreichend Finanzmittel zur Modernisierung des Unternehmens zu erlangen. Damit reagierte er auf den wachsenden Konkurrenzdruck auf dem Biermarkt der Gründerjahre und das gesteigerte industrielle Brauwesen.
Derart vorbereitet, gelang der Schultheiss' Brauerei Actien-Gesellschaft in den Folgejahren die weitere Expansion.
War die Produktion noch in den 1860er Jahren in die Schönhauser Allee [2] verlegt worden, so gewann die Firma 1891 mit dem Erwerb der Berliner Brauereigesellschaft Tivoli eine zweite, an der Kreuzberger Methfesselstraße gelegene Braustätte. Das neu erworbene Unternehmen, das Ende der 1850er Jahre auf dem Gelände des aufgegebenen Vergnügungsparks ,,Tivoli" errichtet worden war und als eines der größeren in Berlin galt, wurde als Abteilung II in die Schultheiss-Brauerei
eingegliedert. Das Stammhaus wurde fortan als Abteilung I geführt.
Dem Erwerb der Berliner Brauereigesellschaft Tivoli schlossen sich weitere Übernahmen an. So folgte 1896 die Brauerei zum Waldschlösschen AG in Dessau (Abteilung lll), 1898 die Brauerei Borussia in Niederschöneweide (Abteilung lV), 1910 die Brauerei Pfeifferhof Carl Scholtz in Breslau (Abteilung V), 1914 die Berliner Unions-Brauerei (Abteilung Vl) in der Hasenheide, 1917 die Spandauer Berg-Brauerei AG (Abteilung Spandauerberg) im Westend und 1919 die Brauerei Pfefferberg, vorm. Schneider & Hillig AG, in Berlin.
Gelang Schultheiss auf diese Weise der Aufstieg zu einer der bedeutendsten Brauereien im Deutschen Reich, so wurde die Position auf dem Biermarkt noch gefestigt durch die 192O erfolgte Fusion mit der an der Landsberger Allee ansässigen Patzenhofer-Brauerei AG. Die Schultheiss-Patzenhofer AG stieg dadurch zur größten Lagerbrauerei der Welt auf. [3]
Als erster Generaldirektor des Unternehmens, dessen Grundkapital bei Gründung 36 Millionen Mark betrug, [4] wirkte Kommerzienrat Dr. Walter Sobernheim.
Die Patzenhofer-Brauerei AG, deren Generaldirektor Sobernheim zuvor gewesen war, galt bis dahin als einer der größten Konkurrenten von Schultheiss. Im Jahre 1855 durch den Münchener Georg Patzenhofer in der Neuen Königstraße in Berlin gegründet, hatte sie ihren Erfolg ähnlich wie Schultheiss einer geschickten Geschäftspolitik und zahlreicher Übernahmen seit den 1890er Jahren zu verdanken. [5] Unter den erworbenen Unternehmen befanden sich die 1832 als Schumann'sche Brauerei gegründete und 1871 als AG fortgeführte Aktien-Brauerei-Gesellschaft Moabit, die Leue'sche Brauerei in Spandau sowie die Bockbrauerei. Sie wurden als eigenständige Abteilungen in der Schultheiss-Patzenhofer AG fortgeführt. So fungierte der frühere Hauptsitz an der Landsberger Allee als Abteilung Nordost, die ehemalige Aktien-Brauerei-Gesellschaft Moabit als Abteilung Nordwest, die Braustätten der Bockbrauerei als Abteilungen Südwest und Norden, die ehemalige Leue'sche Brauerei als Abteilung Spandau und die einstige Schloßbrauerei in Fürstenwalde als Abteilung Fürstenwalde. Hinzu kamen noch Malzfabriken in Pankow, Schöneberg, Fürstenwalde und Frankfurt / Oder. [6] Im Laufe der Zeit sollten einige Abteilungen jedoch aus Rentabilitätsgründen stillgelegt werden, wie die Abteilungen Vl (ehemalige Berliner Unions-Brauerei), Pfefferberg, Fürstenwalde, Norden und Südwest (frühere Bockbrauerei) sowie Spandauerberg. [7]
Darüber hinaus war die Gesellschaft an zahlreichen anderen Unternehmungen beteiligt. Hierunter fanden sich etwa die Julius Bötzow Brauerei AG, die Spirituosenfabrikantion Hartwig Kantorowicz - C.A.F. Kahlbaum AG und die Ostwerke AG. [8] Mit letzterer kam es im Jahre 1930 zu einer Fusion, die rückwirkend zum 01. September 1929 abgeschlossen wurde. [9] Unstimmigkeiten in der Bilanzierung der Ostwerke AG, die deren Generaldirektor Ludwig Katzenellenbogen zur Last gelegt wurden, rückten die Schultheiss-Patzenhofer AG jedoch schon bald, im Jahre 1931, auf unangenehme Weise in das
Licht der Öffentlichkeit. [10]
Das Brauunternehmen, das zwischen 1937 und 1 939 dreimal als ,,Nationalsozialistischer Musterbetrieb" [11] ausgezeichnet wurde und seit Januar 1938 nunmehr als Schultheiss-Brauerei AG firmierte, hatte wie andere Großbetriebe durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs erhebliche Verluste zu verzeichnen. So wurden nicht nur zahlreiche Braustätten zerstört oder beschädigt. Es gingen für die Firma ferner die im späteren Polen und in der Sowjetischen Besatzungszone gelegenen Brauereien, Niederlagen und sonstigen Einrichtungen verloren. Ebenso wurden die im Ostteil Berlins befindlichen Abteilungen, wie die Abteilung I an der Schönhauser Allee, die Abteilung lV in Niederschöneweide sowie die Abteilung Nordost an der Landsberger Allee, 1946 sequestriert und unter Treuhandverwaltung gestellt, 1949 enteignet und als VEB Schultheiss-Brauerei fortgeführt. Im Jahre 1959 wurde der volkseigene Betrieb mit dem VEB Berliner Bürgerbräu, dem VEB Berliner Kindl-Brauerei, dem VEB Engelhardt-Brauerei und dem VEB Bärenquell zum VEB Berliner Brauereien vereinigt, der wiederum 1969 im VEB Getränkekombinat Berlin aufging.
Die Schultheiss-Brauerei AG dagegen setzte ihre Produktion mit den in West-Berlin gelegenen Braustätten fort und vergrößerte sich durch Übernahmen kleinerer Brauereien.
In Berlin betraf das 1954 die Engelhardt-Brauerei AG und die Malzbierbrauerei Groterjan AG sowie die Löwenbrauerei - Böhmisches Brauhaus AG. [12] Im Jahre 1972 schloss sich die Schultheiss-Brauerei mit der 1873 gegründeten Dortmunder Union-Brauerei AG zu.
[1]Vgl. Jan Gympel, Wolfgang Jürgen Streich und Volker Wagner: Die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg, hrsg. v. der TLG,
Berlin 2OO1, S.18-19.
[2] In den Jahren 1999 / 2OOO wurde dort die Kultureinrichtung ,,Kulturbrauerei" eröffnet.
[3] Vgl. Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften. Ein Hand- und Nachschlagewerk für Bankiers, Industrielle, Kapitalisten, Behörden etc., Berlin 1941 , 8d.2, S.1 1 24.
[4]Vgl.HansEhlert:Schultheiss-Patzenhofer.EinRückblick1871 -1921 , Berlin1921,S.45.
[5]Vgl. Hans Ehlert: Schultheiss-Patzenhofer. Ein Rückblick 1871 - 1921 , Berlin 1921, S.16-19.
[6] Vgl. ebd., Anhang: Bildtafeln.
[7] Vgl. Erich Borkenhagen: 125 Jahre Schultheiss-Brauerei. Die Geschichte des Schultheiss-Bieres in Berlin von 1842 bis
1967, Berlin 1967, S.1 14. Im Folgenden: Borkenhagen.
[8] Vgl. Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften. Ein Hand- und Nachschlagewerk für Bankiers, Industrielle. Kapitalisten, Behörden etc., Berlin 1941 , B,d.2, S.1 123. Im Folgenden: Handbuch (1941).
[9] Vgl. Borkenhagen, S.1 31.
[10] Vgl. ebd., s.131-1 32.
[11]Vgl. Handbuch (1941), S.1123.
[12] Vgl. Borkenhagen, S. 1 63.
2. Bestandsgeschichte
Die Unterlagen der Schultheis-Brauerei AG gelangten über den VEB Getränkekombinat Berlin an das Stadtarchiv Berlin. Dieses fusionierte 1991 mit dem West-Berliner Landesarchiv zum Landesarchiv Berlin.
Ein Teil der Unterlagen war vor der Fusion bereits auf Karteikarte in vorläufiger Form verzeichnet. Im Jahre 2OO4 erfolgte im Rahmen der elektronischen Erfassung des Bestandes mit Augias 7.4 sowohl eine Überarbeitung der bestehenden Verzeichnung als auch die Verzeichnung noch nicht erschlossener Unterlagen. Ein Teil der Akten wurde dabei dem Bestand C Rep. 750-01 VEB Berliner Brauereien zugewiesen. Maßgeblich hierfür war das Datum der Verstaatlichung der Schultheiss-Brauerei im Jahre 1949. Im Zusammenhang mit der Erschließung erfolgte auch die technische Bearbeitung der Unterlagen nach konservatorischen Gesichtspunkten,
Insgesamt umfasst der Bestand A Rep. 25O-04-O7 Schultheiss-Brauerei AG nunmehr 421 AE. Seine Laufzeit reicht von 1870 bis 1949, in Einzelfällen bis 1966.
Einzelne Akten sind auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen bzw. der EU-Datenschutz-Grundverordnung für die Benutzung befristet gesperrt. Eine Verkürzung der Schutzfristen kann auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs Berlin.
Der Bestand der ist wie folgt zu zitieren:
Landesarchiv Berlin, A Rep. 25O-O4-O7 Schultheiss-Brauerei AG, Nr. ...
3. Korrespondierende Bestände
LAB A Rep. 250-04-03 Engelhardt-Brauerei AG
LAB A Rep. 250-04-04 Julius-Bötzow-Brauerei KG
LAB A Rep. 250-04-05 Löwenbrauerei - Böhmisches Brauhaus AG
LAB A Rep. 250-05-24 C.A.F. Kahlbaum AG
LAB C Rep. 750 VEB Getränkekombinat Berlin
LAB C Rep. 750-01 VEB Berliner Brauereien
4. Literaturauswahl
Borkenhagen, Erich: 125 Jahre Schultheiss-Brauerei. Die Geschichte des Schultheiss-Bieres in Berlin von 1842 bis 1967, Berlin 1967.
Die Schultheiss-Brauerei in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 1910.
Ehlert, Hans: Schultheiss-Patzenhofer. Ein Rückblick 1871-1921, Berlin 1921.
Gympel, Jan; Streich, Wolfgang Jürgen; Wagner, Volker: Die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg, hrsg. v. der TLG, Berlin 2OO1.
Berlin, im Juni 2OO4
Christina Groß (Verzeichnung)
Michael Klein (Vorwort)
- Bestandssignatur
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A Rep. 250-04-07
- Kontext
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Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> A Bestände vor 1945 >> A 6 Unternehmen der Wirtschaft >> A 6.2 Unternehmen der privaten Wirtschaft
- Verwandte Bestände und Literatur
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Verwandte Verzeichnungseinheiten: LAB A Rep. 250-04-03 Engelhardt-Brauerei AG
LAB A Rep. 250-04-04 Julius-Bötzow-Brauerei KG
LAB A Rep. 250-04-05 Löwenbrauerei - Böhmisches Brauhaus AG
LAB A Rep. 250-04-24 C.A.F. Kahlbaum AG
LAB C Rep. 750 VEB Getränkekombinat Berlin
LAB C Rep. 750-01 VEB Berliner Brauereien
- Bestandslaufzeit
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1842 - 1945 (- 1966)
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
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28.02.2025, 14:13 MEZ
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1842 - 1945 (- 1966)