Bestand

Gerhard Hess (Bestand)

Bestandsbeschreibung: Gerhard Hess wurde am 13. April 1907 als Sohn eines Schweizer Fabrikdirektors geboren. Er besaß die schweizerische und die deutsche Bürgerschaft. Hess besuchte ab 1913 die Volksschule in Lörrach und musste aufgrund einer schweren Bronchialdrüsenerkrankung eine mehrjährige Unterbrechung der Schulzeit hinnehmen. Von 1918 bis 1926 war er am Humanistischen Gymnasium in Lörrach, ehe er ein Studium der Romanistik an der Universität Basel aufnahm. Mit Abschluss des zweiten Semesters wechselte er 1927 an die Universität Heidelberg. Bereits nach einem Semester verließ er Heidelberg wieder und schloss sein Studium an der Universität Berlin erfolgreich ab, wo er am 17. Juli 1931 auch promoviert wurde.
Von 1931 bis 1935 arbeitete Gerhard Hess als außerplanmäßiger Assistent bei Prof. Dr. Eduard Wechßler (1869-1949) am Romanischen Seminar der Universität Berlin. Nach eigener Aussage wurde seine Stellung als Assistent auf Betreiben der NS-Studentenschaft nicht verlängert. So blieb er in den Jahren 1935 bis 1939 ohne feste Anstellung und war zeitweilig auf finanzielle Unterstützung durch die Eltern angewiesen. Daneben gab er Kurse an der Universität Berlin, arbeitete redaktionell an der Deutschen Literaturzeitung mit, übersetzte belletristische französische Literatur, gab französische Sprachkurse im Rahmen der Reichsschaft für deutsches Dolmetscherwesen und erhielt auch ein Stipendium der Schweizer Stiftung Lucerna. Seine Habilitation für romanische Philologie in Berlin konnte er trotz dieser unsicheren finanziellen Lage am 24. September 1938 abschließen.
Sein Versuch, eine Dozentenstelle an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin zu besetzen, scheiterte. Der Antrag wurde 1938 durch die dortige Stelle ohne weitere Begründung abgelehnt. Von Hess wurde dies nach dem Zweiten Weltkrieg als Beleg angeführt, dass er durch das NS-System eine Benachteiligung erfuhr, da seine wissenschaftlichen Leistungen schon zu jener Zeit unbestritten waren.
Vom Januar 1940 bis Mitte Mai 1941 arbeitete Hess bei der Leibniz-Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften bei Professor J.E. Hofmann als außerplanmäßiger wissenschaftlicher Hilfsarbeiter. Dem folgten Lehrstuhlvertretungen des romanistischen Lehrstuhls der Universität Heidelberg ehe er ohne Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit am 12. April 1944 die Dozentur für romanische Philologie in Berlin erhielt. Seine Aufgabe in Heidelberg blieb davon unberührt. Am 17. Juni1946 wurde Hess in Heidelberg zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Im März 1948 erfolgte schließlich die Ernennung zum Ordinarius für romanische Philologie an der Universität Heidelberg. Zu seinen Schülern gehörte u.a. der Literaturwissenschaftler und Romanist Hans-Robert Jauß (1921-1997). An der Universität Heidelberg bekleidete er auch das Amt des Rektors von August 1950 bis Juli 1951.

Gerhard Hess war nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich am Wiederaufbau der wissenschaftlichen Strukturen in der Bundesrepublik beteiligt. So wirkte er an der Wiederbegründung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 1951 entscheidend mit (Fusion der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und dem Deutschen Forschungsrat) und amtierte als deren Präsident von 1951 bis 1964. Darüber hinaus war er von 1950 bis 1951 Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Im Jahr 1956 formulierte er in der FAZ den Gedanken, einen ”Zentralrat für die Wissenschaft“ einzurichten, der schließlich in der Etablierung des Wissenschaftsrates seine Erfüllung fand. Dieser Institution gehörte Hess als stellvertretender Vorsitzender von 1958 bis 1965 an.

Seine Position als Präsident der DFG gab er schließlich auf, um von 1964 an als Vorsitzender des Gründungsausschusses der Universität Konstanz zu fungieren. Nach erfolgreicher Arbeit, die mit der Gründung der Reformuniversität Konstanz 1966 ihren Abschluss fand, wurde er durch den Großen Senat am 19. Februar 1966 auch zu deren erstem Rektor gewählt (die Ernennung erfolgte am 28. Februar 1966). In Folge des Streites mit dem Kultusministerium und Wilhelm Hahn (1909-1996) um den Erlass einer Grundordnung gab er dieses Amt 1972 auf und wurde emeritiert. Nach seinem Abschied von der Universität Konstanz wurde Hess Vorsitzender des Planungsstabes zur Errichtung einer Universität in der Zentralschweiz.

Gerhard Hess war u.a. Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 1961 wurde er mit dem Offizierskreuz der Französischen Ehrenlegion ausgezeichnet, er erhielt 1964 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und 1972 von der Technischen Universität Berlin die Ehrendoktorwürde.
Gerhard Hess zählt zu den Ehrenbürgern der Universität Konstanz (1972). Neben seiner wissenschaftlichen Betätigung machte er sich vor allem durch sein Engagement im Bereich der Forschungsförderung und Wissenschaftsverwaltung einen Namen. Hess, seit 1931 verheiratet, hatte eine Tochter. Er starb am 30. Juni 1983 in Konstanz.

Der erste Teil des Nachlasses Gerhard Hess gelangte im Juli 1986 in das Universitätsarchiv. Als Übermittler fungierte dabei Hans-Robert Jauß. Der zweite, mengenmäßig kleinere Teil, folgte schließlich 1997 im Zusammenhang mit der Übernahme von Unterlagen der Lehrstühle Hans-Robert Jauß und Wolfgang Preisendanz (1920-2007). Bis dahin wurde dieser zweite Teil beim Lehrstuhl für allgemeine und romanische Literaturwissenschaft der Universität Konstanz verwahrt. In den Nachlass sind teilweise auch Einzelstücke integriert worden, die von verschiedenen Provenienzen den Eingang ins Archiv fanden. Neben Akten und Drucksachen enthält der Bestand auch einige wenige Fotos, die im Zuge der Erschließung des Bestandes digitalisiert wurden. Insgesamt umfasst der Nachlass mit der Bestandsnummer 12 rund 5 lfm. mit 177 Verzeichnungseinheiten. Die Laufzeit reicht von 1910 bis 1986.

Bei der Erschließung der Unterlagen wurde die vorgefundene Ordnung weitestgehend beibehalten. Teilweise mussten jedoch Konvolute aufgebrochen und Sinneinheiten neu gebildet werden. Ebenso konnten die bestehenden Titel häufig nicht übernommen werden, da sie inhaltlich unzutreffend waren oder nur aus einem einzelnen Wort oder einer Abkürzung bestanden. Gegliedert wurde der Bestand in 10 Rubriken. Der Nachlass enthält dabei sowohl persönliche Unterlagen wie beispielsweise Korrespondenz mit den Eltern aus den 1930er und 1940er Jahren als auch Unterlagen, die die wissenschaftliche Arbeit bzw. das wissenschaftspolitische Wirken von Gerhard Hess dokumentieren. Vom Stadtarchiv Konstanz erhielt das Universitätsarchiv im Oktober 2019 ein Konvolut mit Briefen von Eva Hess, Sonderdrucken von Gerhard Hess und Anzeigen zum Tode von Gerhard Hess. Dieses Material wurde in den Bestand integriert.

Besonders hervorzuheben sind aus dem Nachlass die Korrespondenzen. Diese, zeitlich beginnend in den 1930er Jahren, wurden von Hess alphabetisch abgelegt. Die Reihung ist jedoch nicht immer stringent und konsequent durchgehalten. Gesondert ausgewiesen wurde von ihm dabei der Schriftverkehr mit seinem Schüler Hans-Robert Jauß.
Ebenfalls betont werden müssen die Unterlagen, die aus seiner Zeit als Student in Berlin und aus seiner Lehrtätigkeit aus den 1940er und 1950er Jahren überliefert sind. Auch sein Wirken als Rektor an der Universität Konstanz schlägt sich im Nachlass nieder und ermöglicht unter Hinzuziehung der Konstanzer Rektoratsunterlagen (Akz. 57 und UAKN, Best. 147) aus jener Zeit einen sehr dezidierten Fokus auf die Gründungsjahre der Reformuniversität.
Insgesamt lässt der Nachlass einen Blick auf eine Persönlichkeit zu, die die Entwicklung der Hochschulen und das Wissenschaftssystem in der Bundesrepublik Deutschland in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich mitgestaltet hat. Gerhard Hess war spätestens ab den 1950er Jahren einer der zentralen Wissenschaftspolitiker der Bundesrepublik und ist damit gleichermaßen eine der prägendsten Figuren der Wissenschaftsgeschichte in Deutschland.

Der größte Teil des Nachlasses ist einer Nutzung frei zugänglich. Nur einige wenige Verzeichnungseinheiten unterliegen aufgrund von Personendaten noch Schutzfristen. Bei den beiliegenden Fotos sind die urheberrechtlichen Regelungen zu beachten.

Konstanz, 30.8.2019
Dr. D. Wilhelm


Gerhard Hess wurde am 13. April 1907 als Sohn eines Schweizer Fabrikdirektors geboren. Er besaß die schweizerische und die deutsche Bürgerschaft. Hess besuchte ab 1913 die Volksschule in Lörrach und musste aufgrund einer schweren Bronchialdrüsenerkrankung eine mehrjährige Unterbrechung der Schulzeit hinnehmen. Von 1918 bis 1926 war er am Humanistischen Gymnasium in Lörrach, ehe er ein Studium der Romanistik an der Universität Basel aufnahm. Mit Abschluss des zweiten Semesters wechselte er 1927 an die Universität Heidelberg. Bereits nach einem Semester verließ er Heidelberg wieder und schloss sein Studium an der Universität Berlin erfolgreich ab, wo er am 17. Juli 1931 auch promoviert wurde.

Bestandssignatur
Archive der Universität Konstanz, UAKN, Best. 12
Umfang
5 lfm.

Kontext
Archive der Universität Konstanz (Archivtektonik) >> Universitätsarchiv >> H. Vor- und Nachlässe
Verwandte Bestände und Literatur
Karlheinz Stierle, Sprache und menschliche Natur in der klassischen Moralistik Frankreichs. Vortrag zum Gedächtnis von Gerhard Hess mit einem Nachruf auf Gerhard Hess von Hans-Robert Jauß, in: Konstanzer Universitätsreden 151 (1985)

Provenienz
Gerhard Hess
Bestandslaufzeit
1910-1986

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Letzte Aktualisierung
15.01.2024, 13:51 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Beteiligte

  • Gerhard Hess

Entstanden

  • 1910-1986

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