Deutsche Digitale Bibliothek ./. VG Bild-Kunst Musterverfahren zum "Framing"

Deutsche Digitale Bibliothek ./. VG Bild-Kunst Musterverfahren zum "Framing"

15.06.2016



Die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) hat Anfang Mai vor dem Landgericht Berlin Klage gegen die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst eingelegt (Landgericht Berlin, Az.: 15 O 251/16). Hintergrund des Rechtsstreits ist die Frage, inwieweit Verwertungsgesellschaften ihren Lizenznehmern die Vorgabe machen dürfen, lizenzierte Online-Inhalte technisch gegen Framing zu schützen. Beide Parteien streben in dieser Frage eine grundsätzliche Klärung an, weshalb sie den Rechtsstreit als sogenanntes „Musterverfahren“ zu Gericht getragen haben.



Die Ausgangslage

 

Wir, die Deutsche Digitale Bibliothek, vernetzen die digitalen Bestände von Kultur- und Wissenseinrichtungen in Deutschland und machen diese zentral zugänglich, um allen Menschen über das Internet einen freien Zugang zu digitalisierten Museumsobjekten, Büchern, Musikstücken, Denkmälern, Filmen, Urkunden und vielen anderen kulturellen Schätzen zu bieten und so einen Beitrag zur Demokratisierung von Wissen und Ressourcen zu leisten. Als Netzwerk verlinken und präsentieren wir die digitalen Angebote unserer Partner. Bisher haben sich bereits 2.322 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen registriert und 267 davon haben bereits knapp 20 Millionen Datensätze an uns geliefert. Sie alle profitieren von dem „Online-Schaufenster“ der Deutschen Digitalen Bibliothek.

 

Es ist unser Bestreben unter Wahrung der Urheberrechte auch geschützte Werke der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für Abbildungen von Werken der bildenden Kunst hinsichtlich derer der VG Bild-Kunst die kollektive Rechtewahrnehmung obliegt, sind wir daher in Verhandlungen zu einem Lizenzvertrag eingestiegen. Die VG Bild-Kunst steht unserem Anliegen grundsätzlich offen gegenüber. Wir hatten schon bald mit der VG Bild-Kunst einen Rahmenvertrag ausgehandelt, der es uns zu einer angemessenen Lizenzgebühr nicht nur erlaubt hätte das gesamte Repertoire an Abbildungen von Werken der bildenden Kunst in guter Auflösung (bis zu 1.400 Pixel) zu zeigen, sondern dies auch unseren Partnern für deren eigene Seiten gestattet hätte.

 

Allerdings knüpft die VG Bild-Kunst die Lizenzierung mittlerweile an die Verpflichtung, dass wir technische Maßnahmen ergreifen, welche es Dritten unmöglich macht, die bei uns gezeigten Inhalte mittels eines Frames (Rahmen) in die eigene Website einzubinden. Auch unsere Partner wären nur noch aus dem auch zu ihren Gunsten verhandelten Rahmenvertrag privilegiert, wenn sie diese Schutzmaßnahmen ergreifen würden.

 

Das Verfahren

 

Anfang Mai diesen Jahres haben wir vor dem Landgericht Berlin Klage gegen die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst eingelegt (Landgericht Berlin, Az.: 15 O 251/16). Hintergrund des Rechtsstreits ist die Frage, inwieweit die Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst ihren Lizenznehmern die Vorgabe machen darf, lizenzierte Online-Inhalte technisch gegen das sogenannte Framing, bei dem Inhalte in fremde Angebote eingebunden (geframed) werden, zu schützen.

 

Da die VG Bild-Kunst den Einsatz von technischen Maßnahmen zur Verhinderung von Framing nicht nur gegenüber uns, sondern gegenüber jeder Einrichtung, die sich an sie wendet und die Nutzungen von Abbildungen geschützter Werke der bildenden Kunst über sie lizenzieren möchte (Kultur- und Wissenseinrichtungen), zur Vorbedingung eines gültigen Lizenzvertrages macht, hat das Grundthema grundsätzliche Bedeutung.



Auch für die VG Bild-Kunst hat das Verfahren grundsätzliche Bedeutung: Wenn sie ihre Vertragspartner nicht dazu verpflichten kann, die Anzeige von Abbildungen von Werken der bildenden Kunst gegen Framing zu schützen, dann kann es passieren, dass Dritte lizenziert angezeigte Inhalte per Framing in ihre eigenen Websites einbetten, ohne zuvor bei der VG Bild-Kunst die mittels Frame erzeugte Anzeige entsprechend zu lizenzieren.

 

Daher haben wir uns gemeinsam mit der VG Bild-Kunst dazu entschlossen, über die Frage der Implementierung einer Technologie zur Verhinderung von Framing als Vorbedingung eines gültigen Lizenzvertrages eine gerichtliche Grundsatzentscheidung herbeizuführen. Diese wird auch für andere deutsche Museen, Bibliotheken und Archive, die Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke der bildenden Kunst über Webseiten anzeigen und verbreiten, eine entscheidende Bedeutung haben.

 

Aufgrund der hervorgehobenen Bedeutung auch für andere Kulturerbeeinrichtungen hat sich der Deutsche Museumsbund e.V. entschlossen das Verfahren nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell zu unterstützen. Gleiches gilt für die Stiftung Historische Museen Hamburg und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.

 

Für die Beantwortung der Verfahrensfrage ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union das Framing – unter bestimmten Voraussetzungen – keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung darstellt und zwar dann, wenn mittels des Hyperlinks keine Zugangsbeschränkungen umgangen werden. Die besagte Rechtsprechung wurde im September 2014 in der Entscheidung BestWater International nochmals bestätigt (EuGH, Rs. 348/13 – BestWater). Kernargument dabei ist, dass durch das Framing kein neues Publikum angesprochen werde, mithin also keine öffentliche Wiedergabe oder Zugänglichmachung vorliege. Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in seiner Entscheidung die Realität II vom 9. Juli 2015 im deutschen Recht umgesetzt (BGH, Az.: I ZR 46/12 – Die Realität II).

 

Die VG Bild-Kunst vertritt die Rechtsauffassung, das Verlangen nach technologischen Maßnahmen zur Verhinderung des Framings als Vertragsbedingung müsse aufgrund der aktuellen Rechtsprechung und weil andernfalls weitere Lizenzierungen nicht möglich sein, akzeptiert und Framing unterbunden werden.

 

Aus rechtlicher Sicht stellt sich damit die Frage, ob wir (und andere potentielle Vertragspartner) nach § 11 UrhWahrnG einen Anspruch darauf haben, dass die VG Bild-Kunst mit uns einen Lizenzvertrag zu angemessenen Konditionen abschließt, ohne auf technische Maßnahmen zur Verhinderung des Framings durch Dritte zu beharren.

 

Das Fazit

 

Wir sind angesichts der vorstehenden Rechtsprechung der Ansicht, dass es unzumutbar wäre, eine urheberrechtlich nicht relevante Handlung – das Framing seitens Dritter – durch kostenintensive technische Maßnahmen unterbinden zu müssen.

 

Besonders heikel ist, dass, wollten wir die Unterbindung des Framings auf die relevanten Inhalte (Abbildungen geschützter Werke der bildenden Kunst) beschränken, um unserer freien Softwarearchitektur nicht zu widersprechen, die gerade die Nachnutzung durch Dritte (Innovation) und die Entwicklung mobiler Applikationen bezweckt, wir zudem sicherstellen müssten, dass nur die VG Bild-Kunst relevanten Inhalte vor Framing „geschützt“ werden. Das wiederum führt einen Pauschalvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft ad absurdum, der ja gerade die Klärung jedes Einzelfalls bzw. die Identifikation einzelner geschützter Inhalte, die praktisch nicht zu realisieren ist, entbehrlich machen soll.

 

Außerdem knüpft im Lichte der aktuellen Rechtsprechung schon dem Grunde nach kein Vergütungsanspruch an das Framing an. Die durch die VG Bild-Kunst vertretenen Rechteinhaber können keine Einnahmen einbüßen, auf die kein Anspruch besteht. Einen Anspruch auf Vergütung haben sie nämlich nur für urheberrechtlich relevante Nutzungen, die erst mit der Zugänglichmachung geschützten Materials verbunden sind, wie etwa unser Angebot oder das unserer Partner, die sich aus Gründen der Performanz und Stabilität des eigenen Angebotes nicht auf Linktechnologie verlassen, sondern Inhalte selbst speichern und zugänglich machen.

 

Wir streben weiter einen Rahmenvertrag zu angemessenen Bedingungen an. Ob die „Framingverhinderungstechnologie“ Vorbedingung eines solchen Vertrages sein kann, hierzu wird das Verfahren vor dem Landgericht Berlin nun rechtliche Klärung bringen.

 

Ellen Euler

Stellvertreterin des Geschäftsführers Finanzen, Recht, Kommunikation der Deutschen Digitalen Bibliothek

 

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Weiterlesen:

Beitrag vom 18.01.2016: Der freie Zugang zu Bildern ist Menschenbildung! – Ein Gespräch zur Zukunft des Urheberrechts





 

 

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