„Immer feste druff!" Deutsche Waffen und deutscher Nationalismus im Ersten Weltkrieg

12.01.2023 Clemens Tangerding

Die Kriegsbegeisterung in der breiten Bevölkerung und die Furchtlosigkeit der Soldaten vor dem Ersten Weltkrieg beruhten auf dem Glauben an die Übermacht der deutschen Waffentechnik. Weite Teile der Bevölkerung hielten die Waffen des deutschen Heeres für überlegen, obwohl sie es in der Realität nicht waren.  Die von der Obersten Heeresleitung gesteuerte Presse spielte dabei eine zentrale Rolle. Die Zeitungen sollten die Begeisterung für Waffen und damit für den Krieg in die Wohnstuben tragen. Doch der Verlauf des Krieges zeigte, dass diese Verheißung sich nicht erfüllte. 

1914 war die Stahlfabrik Krupp deutschlandweit bekannt. So wie mit Krupp-Stahl in Friedenszeiten Brücken, Fabriken und Maschinen gebaut worden waren, so sollte dieser nun die deutschen Truppen zum Sieg führen. Der Spruch „Immer feste druff!“ wurde zum geflügelten Wort. Dies hatte eine Geschichte. 

Am 16. September 1861 versammelten sich in einer Fabrik der Krupp AG Pressevertreter, Beamte und Arbeiter, um der Inbetriebnahme eines Wunderwerks der Technik beizuwohnen. Sie standen vor dem größten Schmiedehammer, den die Welt bis dahin gesehen hatte. Sein Gewicht betrug 50 Tonnen. Damit konnte er riesige Werkstücke bearbeiten, trotz seiner Größe millimetergenau. Angeblich legte Kaiser Wilhelm I. (1797–1888) bei einem Besuch des Krupp-Werkes seine Uhr auf den Amboss, weil er die Genauigkeit des Stahlhammers testen wollte. Der Maschinist, ein Mann namens Fritz Ackermann, soll gezögert haben. Alfred Krupp (1812–1887) forderte ihn daraufhin mit den Worten „Fritz, immer feste druff!" auf, sein Können unter Beweis zu stellen. Der Maschinist zog den Hammer nach oben und ließ ihn herabfallen. Die Uhr von Kaiser Wilhelm I. blieb heil. Denn der Hammer kam wenige Millimeter oberhalb der Uhr zum Stehen. [Marquardt, Charakterzüge, S. 183] Dank dieser Anekdote, die sich rasch verbreitete, erhielt der Riesenhammer einen eigenen Namen: Er hieß von nun an „Fritz“. Und der Spruch „Immer feste druff!“ fand Eingang in den deutschen Volksmund. 

So waren etwa im ersten Kriegsjahr Postkarten des Kronprinzen Wilhelm von Preußen mit diesem Ausspruch erhältlich. 
 

Die Menschen in Deutschland lernten den bekannten Spruch bald auch in anderer Weise kennen. Denn im ersten Kriegsjahr hatte die gleichnamige Operette Uraufführung. Das „vaterländische Volksstück" machte sich in seinen vier Akten mit viel Klamauk über die Gegner der kaiserlichen Truppen lustig. Außerdem tauchte der Ausruf in zahlreichen Kriegsreportagen auf, die jedoch weniger informieren als den Siegeswillen der Bevölkerung aufrechterhalten sollten. Im Riesaer Tageblatt und Anzeiger vom 16.01.1918 berichtet ein Infanterist in Mundart über ein Gefecht gegen britische Einheiten: 

„Und immer feste druff nach dem Maschinengewehr. Bums warsch still."

Maschinengewehre töten im Sekundentakt

Die Siegesgewissheit, die dieser Spruch zu Tage fördert, beruht auch auf dem Glauben in die Überlegenheit der deutschen Waffen. Die Tatsache, dass auch Unternehmen und Regierungen anderer Länder viel Geld in die Entwicklung neuer Waffen investierten, tat der Begeisterung für die deutschen Erzeugnisse keinen Abbruch. Ein US-Amerikaner hatte 1883 ein Gewehr aus Stahl erfunden, das nicht nach jedem Schuss manuell nachgeladen werden musste. Es nutzte den Rückstoß zum Laden der nächsten Patrone. Diese Neuerung griffen Waffenfirmen auf. Im Deutschen Kaiserreich stellte die Waffenfabrik „Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken“ ein solches Gewehr ab 1908 in Serie her. Da das automatische Nachladen wie bei einer Maschine funktionierte, nannten die Fabrikanten die neue Waffe Maschinengewehr. Die Produktion begann im Jahr 1908, daher erhielt es die Typenbezeichnung „08“.

In Gefechten war dieses Gewehr trotz seiner hohen Schusskraft nur begrenzt einsatzfähig, denn es war zu schwer auf- und abzubauen. Das Maschinengewehr sollte jedoch in vorderster Reihe zum Einsatz kommen und wurde daher ab 1915 überarbeitet. Die neue, leichtere Variante erhielt einen Zweibein als Stütze und konnte so rasch positioniert werden. Da es die Grundform des 08-Modells aber beibehielt, kennzeichneten die Hersteller das neue Maschinengewehr als „08/15“. Der Ausspruch „08/15“ steht auch noch heute sinnbildlich für Durchschnittsware – dass er seinen Ursprung in der Bezeichnung für ein todbringendes Maschinengewehr hat, dürfte heutzutage den wenigsten bekannt sein.

Das Deutsche Heer besaß zu Beginn des Ersten Weltkriegs 2.700 leichte Maschinengewehre. Bis zum Ende des Krieges erhöhte sich die Anzahl auf 35.700. Neben den leichten benutzten die Soldaten bis zum Kriegsende 1918 schwere Maschinengewehre in etwa gleicher Menge (Unterseher 2014). Die Wirkung der neuen Schnellfeuerwaffe war verheerend. Am 1. Juli 1915 begann eine Großoffensive der Westalliierten am französischen Fluss Somme im Osten Frankreichs. Der Angriff endete für die Alliierten in der Katastrophe. Fast 20.000 britische Soldaten fanden an diesem Tag den Tod. Die meisten starben im Maschinengewehrfeuer.

Voller Stolz zitierte die „Pforzheimer Zeitung“ einige Tage nach der Schlacht, am 12. Juli 1915, die englische Zeitung „Daily Mail“, die den Verlust der britischen Truppen militärisch zu analysieren versuchte:

„Sie begannen den Krieg mit 50 000 Maschinengewehren, während wir – was den Deutschen bekannt war – nur eine ganz geringe Anzahl davon besaßen. Wo anfangs unsere Truppen mit den Deutschen zusammenstießen, befand sich nicht nur jeder englische Soldat zwei deutschen gegenüber, sondern es kamen auch zwölf deutsche Maschinengewehre auf ein englisches Maschinengewehr.“

Erhöhte Präzision der Geschütze

Die Verbindung des Werkstoffs Stahl mit einer hochinnovativen Waffentechnik war auch die Grundlage für die neu entwickelten Geschütze der Artillerie. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestand das Problem, dass Artilleriegeschütze beim Abfeuern ihre Position veränderten. Beim Rückstoß entwickelten sich gewaltige Kräfte, die auf die Stütze, genannt Lafette, wirkten und diese oft um mehrere Meter nach hinten verschoben. Das gesamte Geschütz musste also neu positioniert werden. Dies kostete Zeit. Französische und deutsche Ingenieure entwickelten etwa zwischen 1895 und 1905 Geschütze mit Rohrrücklauf. Das Rohr, aus dem das Geschoss abgefeuert wurde, bewegte sich nun innerhalb einer Führung nach dem Abschuss zurück. So wurde die Kraft nicht auf die Lafette übertragen. Das Geschütz blieb stehen. 

Der Bericht eines Kriegsberichterstatters, der am 8. Oktober 1914 im „Mittelbadischen Courier“ veröffentlicht wurde, beschreibt detailreich ein 21-Zentimeter-Mörser-Geschütz: 

„Es ist das schwerste Geschütz überhaupt, das beim Feldheere mitgeführt wird und kann in Folge der Krupp’schen Radgürtel überall hintransportiert werden. Natürlich ist es mit Rohrrücklauf versehen. Ringsum im Walde liegen die Bedienungsmannschaften im friedlichen Mittagsschlaf."

Artilleriefeuer bereitete in den Schlachten für gewöhnlich den Angriff der Infanterie vor. Die Geschütze standen hinter den eigenen Reihen und sollten die feindlichen Stellungen so stark zerstören, dass die Infanteristen die übrigen Soldaten im Nahkampf besiegen können. Im Ersten Weltkrieg aber wurde die Artillerie erstmals systematisch für den Dauerbeschuss eingesetzt. Das sogenannte Trommelfeuer hielt Stunden, manchmal sogar Tage lang an. Das erste große Gefecht, bei dem beide Seiten Trommelfeuer einsetzten, war die Herbstschlacht in der Champagne im Jahr 1915.

Die „Dicke Bertha“ als Waffe und Geschichtenstoff

Während des Ersten Weltkrieges ließ die Oberste Heeresleitung außerdem neue Geschütze zur Eroberung von Festungsanlangen und zum Beschuss von weit entfernten Zielen einsetzen. Deren Einnahme war bis zu diesem Zeitpunkt ein schwieriges Unterfangen gewesen, da die gegnerischen Truppen in den befestigten Forts viel besser geschützt waren als die Angreifer. Mit der „Dicken Bertha“ verfügte das Heer über ein äußerst wirksames Geschütz. Die Granaten, die aus dem kurzen Stahlrohr bis zu zehn Kilometer weit flogen, konnten Befestigungsanlagen ohne Mühe zerstören. Die Mörsergranate wog etwa 760 Kilogramm und wurde seit Beginn des Westfeldzugs eingesetzt. Mit ihrer Hilfe nahmen die deutschen Truppen 1914 die Festung Lüttich in Belgien ein. Auch bei der Belagerung von Antwerpen und in der Schlacht um Verdun kam das Geschütz zum Einsatz.
 

Die Presse feierte die Waffe ausgiebig. Sogar Kinder versuchten die Zeitungen in die Begeisterung für das Geschütz einzubeziehen. Das „Jeversche Wochenblatt“ vom 30. Oktober 1914 veröffentlichte das Gedicht „Der Brummer", das mit folgender Strophe begann: 

„De Brummer.
Dicke Bertha heet ick,
tweeundveertig mät ick,
wat ick kann, dat weet ick,
söben Milen scheet ick,
Steen und Isen frät ick,
dicke Muren biet ick,
große Löcher riet ick,
dusend Mann de smiet ick!“
Gorch Fock

Die Übersetzung lautet: „Dicke Bertha heiß ich, zweiundvierzig [Zentimeter-Granaten] messe ich, was ich kann, das weiß ich, sieben Meilen schieß’ ich, Stein und Eisen fräs’ ich, dicke Mauern beiß’ ich, große Löcher reiß’ ich, tausend Mann, die schmeiß ich!“

Die „Dicke Bertha" wurde auch auf Postkarten abgedruckt. Wie in dem Gedicht verharmlost die Darstellung nicht nur die todbringende Wirkung der Waffe. Auch die Tatsache, dass das Geschütz die deutschen Soldaten nicht vor dem massenhaften Tod schützen konnte, wird durch die humorvoll-narzisstische Art der Präsentation überspielt.

Die Begeisterung für Waffen ging dabei immer mit einem großen Stolz für die deutschen Waffenproduzenten einher. Die Firma Krupp als wichtigstes Rüstungsunternehmen besaß einen geradezu legendären Ruf im frühen 20. Jahrhundert und insbesondere in der Zeit des Ersten Weltkriegs.

Die Zeitung „Volksfreund" widmete dem gerade veröffentlichten Jahresbericht der Firma am 29. November 1915 fast ihre gesamte Titelseite. Der durchaus kritische Bericht gibt zu Beginn einen Eindruck von der Bedeutung des Unternehmens: 

„Man merkt schon an den ehrfurchtsvollen Kommentaren der Großindustrie- und Börsenpresse, dass der fabelhafte Gewinn der Firma Krupp ihren Glorienschein noch ganz bedeutend erhellt hat (...)."

Beschuss aus 100 Kilometern Entfernung

Die Firma Krupp war es auch, die ein weiteres gewaltiges Geschütz herstellte. Als sich 1914 die deutsche Armee der französischen Hauptstadt näherte, stellten die Heerführer Überlegungen an, ein Geschütz zu entwickeln, das Paris aus weiter Entfernung beschießen konnte. Wieder sollte die Bezeichnung die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung stärken. Es bekam den Namen „Paris-Geschütz“. Am 23. März 1918 gab die etwa 100 Kilometer vor der französischen Hauptstadt stationierte Waffe ihren ersten Schuss ab. 18 Sprenggranaten trafen die Stadt. Kaiser Wilhelm I. besuchte die Stellung, um den Ingenieuren zu gratulieren. Bis zum 1. Mai trafen knapp 100 Projektile die Stadt. Während des 44 Tage andauernden konstanten Beschusses starben 256 Menschen. Weitere Städte wurden nicht bombardiert. Die Zeitungen informierten die deutsche Leserschaft tagesaktuell über den Einsatz. Die Siegesmeldungen wurden dabei immer mit einer Bewunderung für die Waffe selbst verbunden. Im „Karlsruher Tagblatt“ vom 26. März 1918 heißt es:

„Die Beschießung von Paris durch das weittragende Geschütz, das aus einer Entfernung von mehr als 100 Kilometer[n] auf die Hauptstadt feuerte, wurde um sieben Uhr morgens wiederaufgenommen. [...] Nach Berichten aus dem städtischen Laboratorium steigt das Geschoß, das auf Paris geschossen wurde, 35 Kilometer hoch.“

Soldaten als Teil der Kriegsmaschinerie

Der überbordende Einsatz der Waffen führte bei den Zeitgenossen zu einer veränderten Wahrnehmung des Krieges. Man stellte sich die Gefechte nicht mehr als Kämpfe der eigenen gegen die feindlichen Truppen vor, sondern als Kriegsmaschinen, die aufeinander zu rollten. Die Zerstörungskraft der Waffen wurde von vielen zeitgenössischen Beobachtern als die bedeutendste Errungenschaft der modernen Kriegsführung angesehen.

In einem Kommentar der sozialdemokratischen Zeitung „Vorwärts" schrieb der Journalist und Rüstungsingenieur Richard Woldt am 7. Juni 1915:

„Wie die Technik in friedlichem Schaffen eine sinnvolle und doch zugleich gewaltige Steigerung der Menschenkraft im Daseinskampf bedeutet, so mußte der Krieg des 20. Jahrhunderts sich auch für die Zerstörungsarbeit die Hilfsmittel dieser modernen Technik dienstbar machen."
Diese Wahrnehmung teilten auch viele Soldaten. In vielen Stücken der Veteranenliteratur wurde der Krieg nun als Maschinerie gedeutet, die nicht mehr zwischen Waffen und Menschen unterscheiden konnte. Ernst Jünger (1895–1998) [https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/118558587] beschrieb diesen Zustand im Vorwort seines Romans über seine Erfahrungen an der Westfront „In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers“: 

„Noch wuchtet der Schatten des Ungeheuren über uns. Der gewaltigste der Kriege ist uns noch zu nahe, als daß wir ihn ganz überblicken, geschweige denn seinen Geist sichtbar auskristallisieren können. Eins hebt sich indes immer klarer aus der Flut der Erscheinungen: Die überragende Bedeutung der Materie. Der Krieg gipfelte in der Materialschlacht; Maschinen, Eisen und Sprengstoff waren seine Faktoren. Selbst der Mensch wurde als Material gewertet. Die Verbände wurden wieder und wieder an den Brennpunkten der Front zur Schlacke zerglüht, zurückgezogen und einem schematischen Gesundungsprozeß unterworfen.“ [Vorwort]
 

Menschen zerglühen brutal zu Schlacke und werden damit zu einem Abfallstoff wie bei der Stahlgewinnung. Mit der Selbstdeutung als Schlacke setzt der Roman auch einen Kontrapunkt zu der überbordenden Begeisterung der Deutschen für ihre Waffentechnik. Am Ende triumphierten nicht die Waffen, die deutschen schon gleich gar nicht. Der Einsatz der schweren Waffen hatte den Krieg nur ausgedehnt. Denn um die schweren Waffen einsetzen zu können, mussten erst Stellungen gebaut und gesichert werden. Der Transport und die Sicherung der Geschütze verkamen oft zum reinen Selbstzweck. Denn der Einsatz der Waffen brachte schon im ersten Kriegsjahr nicht den Erfolg, den sich die Oberste Heeresleitung erhofft hatte. Außerdem benutzten die Gegner ebenso schlagkräftige Waffen wie die Deutschen. Auch deutsche Soldaten starben massenhaft im Maschinengewehrfeuer und durch Sprenggranaten. Doch als die deutsche Bevölkerung den Glauben an die Überlegenheit der eigenen Waffentechnik verlor, war der Krieg bereits verloren und Millionen von jungen Männern hatten auf beiden Seiten ihr Leben verloren. 

Literatur:

Emilie Terre, „Die Deutschen verbrauchen Material, wir Menschenleben.“ Die Brusilov-Offensive 1916, in: Christian Stachelbeck (Hrsg.), Materialschlachten 1916, Paderborn 2017, S. 125–146

Marc Ferro, Der große Krieg 1914–1918, Frankfurt/Main 1988

Ludwig Marquardt, Charakterzüge und Anekdoten aus dem Leben Kaiser Wilhelms I., Leipzig 1890

Lutz Unterseher, Der Erste Weltkrieg, Wiesbaden 2014

Diedrich Baedecker, Alfred Krupp und die Entwickelung der Gußstahlfabrik zu Essen, Essen 1889

Dieter Storz: Personelle und materielle Rüstung: Europäische Armeen des Jahres 1916 im Vergleich, in: Christian Stachelbeck (Hg.): Materialschlacht 1916. Ereignis, Bedeutung, Erinnerung, Würzburg 2017, S. 199-230
 

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