Lesedauer ca. 13 Minuten I CW: explizite Gewalt, Folgen von Gewalt, Rassismus
Am 28.05.2021 verkündete der damalige Bundesaußenminister Heiko Maas, dass die Verhandlungen bezüglich eines „Versöhnungsabkommens“ zwischen namibischen und deutschen Regierungsvertrer*innen abgeschlossen seien. Die Verhandlungen, die stellvertretend von Ruprecht Polenz (Deutschland) und Zed Ngavirue (Namibia) geführt wurden, hatten rund fünf Jahre gedauert.
Mit dem Versöhnungsabkommen, dass das namibische Parlament noch nicht ratifiziert hat, erkennt die deutsche Regierung die von ihr als Gräuel bezeichnete Taten aus heutiger Sicht als Völkermord an, der sich gegen die Herero und Nama richtete. Vertreter*innen der Herero und Nama drängen jedoch auf eine Neuverhandlung. Aus ihrer Sicht seien die Stimmen der Opfervertreter*innen nicht genügend berücksichtigt worden und die finanziellen Hilfen zur Unterstützung der betroffenen Bevölkerungsgruppen zu gering. Zudem stören sie sich an der Wortwahl der Bundesregierung und des Abkommens, weil juristische Begriffe wie Entschädigung, Reparationen und Verbrechen vermieden werden.
Das Abkommen folgte auf jüngere Forschungserkenntnisse der Geschichtswissenschaften, nach denen die von den deutschen Schutztruppensoldaten begangenen Taten in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (Heute: Namibia) die Kriterien eines Völkermords erfüllen. Der damalige Befehlshaber der sogenannten Schutztruppe, General Lothar von Trotha hatte die Begehung der Taten am 02.10.1904 in Folge der Kesselschlacht am Waterberg angeordnet:
"[...] Die Herero sind nicht mehr Deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körerteile abgeschnitten und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als Gefangenen abliefert erhält tausend Mark, wer Samuel Mahaherero bringt erhält fünftausend Mark. Das Volk der Herero muß jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der Große General des mächtigen Deutschen Kaisers. Dieser Erlaß ist bei den Appells den Truppen mitzuteilen mit dem Hinzufügen, daß auch der Truppe, die einen der Kapitäne fängt, die entsprechende Belohnung zu teil wird, und daß das Schießen auf Weiber und Kinder so zu verstehen ist, daß über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen.[...] Die Truppe wird sich des guten Rufes der Deutschen Soldaten bewußt bleiben."
Während der Kesselschlacht am Waterberg, der Vertreibung in die Omaheke-Wüste und in den anschließend zur Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung eingerichteten Konzentrationslagern kam ein Großteil der Herero- und Nama-Bevölkerung um. Grobe Schätzungen zu Todeszahlen gehen von etwa 44.000 bis 64.000 Herero und etwa 10.000 Nama aus, die in Folge des deutschen Vorgehens ihr Leben verloren. Nur ungefähr ein Viertel der Herero überlebte den Konflikt und die Konzentrationslager; bei den Nama in etwa die Hälfte.